Fußball-WM 2018

Trittbrett-Werbung bei der WM Wenn Neymars Schlüpfer die Fifa empört

Auch in Sachen Unterwäsche Patriot: Nach dem Kamerun-Spiel war Neymars Schlüpfer im Brasilien-Look zu erkennen. Die Fifa fand das gar nicht gut.

Auch in Sachen Unterwäsche Patriot: Nach dem Kamerun-Spiel war Neymars Schlüpfer im Brasilien-Look zu erkennen. Die Fifa fand das gar nicht gut.

(Foto: picture alliance / dpa)

Offiziell gilt: Nur wer Millionen an die Fifa bezahlt, darf bei der Fußball-WM für sich werben. Tatsächlich ist die WM eine große Bühne für Unternehmen, die ihre Produkte umsonst bei den Partien platzieren. Selbst banale Spielaktionen geraten so rasch unter Verdacht.

Mit einer fairen Geste zog sich Brasiliens Superstar Neymar den Zorn der Fifa zu. Nach dem Vorrundensieg gegen Kamerun tauschte der Stürmer das Trikot mit einem Gegner. Für die Fans bewies er damit Sportsgeist - die Offiziellen des Weltfußballverbands dagegen reklamierten ein Foul. Denn Neymars ungewöhnlich tiefsitzende Spielkleidung entblößte einen Teil seiner Unterhose. Das in brasilianischen Landesfarben gehaltene Modell stammt vom Unternehmen Blue Man, mit dem Neymar einen Werbevertrag abgeschlossen hat. Der Hersteller von Bademode kam so zu einem günstigen Fernsehauftritt vor der globalen Fußballfangemeinde.

Beim Geld hört für Fifa-Boss Joseph Blatter der Spaß auf.

Beim Geld hört für Fifa-Boss Joseph Blatter der Spaß auf.

(Foto: imago/BPI)

Eigentlich gilt: Nur wer der Fifa viel Geld überweist, darf auch im Rahmen der WM als offizieller Sponsor werben. Hohe zweistellige Millionenbeträge müssen etwa Top-Partner wie Adidas, Coca-Cola und Sony dafür lockermachen. Gerade im Stadion gelten strenge Regeln, um die im Gegenzug für die Sponsoringzahlung versprochene Exklusivität zu sichern. In den Stadien wird nur Visa als Kreditkarte akzeptiert, auch Geld lässt sich nur mit Visa abheben. Journalisten müssen am Stadioneingang ihre Wasserflaschen abgeben, wenn es nicht die offizielle WM-Marke ist - oder sie kratzen das Logo ab. Eine Bannmeile um die Fußballtempel herum soll zudem verhindern, dass Trittbrettwerber ihnen überhaupt nahe kommen.

Aufmerksamkeit ohne Fifa-Millionen

Der Unterhosenblitzer von Neymar aber zeigte, wie leicht sich die Fifa-Wächter überrumpeln lassen. Sanktionen gab es keine. Der Weltverband forderte aber, dass Neymar künftig neutrale Unterwäsche trägt. Ausführlich widmeten sich Medien dabei dem Konflikt zwischen Spieler und Verband - das Modeunternehmen erhielt so weitere Werbeauftritte zum Nulltarif. Teils erwiesen sich Berichte in Online-Medien ganz unverhüllt als verkaufsfördernde Maßnahme, der Link zum Web-Shop von Blue Man wurde gleich integriert.

Jedes Mittel scheint recht, wenn Unternehmen ohne offizielle Lizenz der Fifa bei der WM ins Rampenlicht streben. Ob auf dem Platz, in der Fernsehwerbung oder in sozialen Medien - Ambush-Marketing heißt der Sport, dem viele Firmen gerade bei Mega-Events frönen. Sie machen Veranstaltern das Leben schwer, die Werbung zum Privileg weniger Partner machen wollen. Zu verlockend ist angesichts des weltweiten Milliardenpublikums die Aussicht, die eigene Marke auch ohne den Segen der Fifa möglichst nahe an das Event heranzubugsieren oder sogar in den Mittelpunkt zu stellen. Zumal die Trittbrettfahrer die für ein Sponsoring fällige Zahlung an den Fußballverband dann in das eigene Marketing stecken können.

Ambush-Kampagnen zum WM-Anpfiff

Nicht ganz zufällig starten Konzerne wie Pepsi, die keine offizielle Partnerschaft mit der Fifa haben, große Kampagnen pünktlich zur WM. Sie lassen den Ball rollen und Landesfahnen wehen, sie bieten Top-Stars auf. Und automatisch denkt der Betrachter an die WM - selbst wenn die dabei gar nicht genannt wird. Simon Chadwick, Sportbusiness-Professor der Universität Coventry, hat nun Bilanz gezogen für das aktuelle Turnier in Brasilien und die zehn erfolgreichsten - und damit für die Fifa und ihre offiziellen Partner ärgerlichsten - Kampagnen aufgeführt. Auch deutsche Unternehmen mischen kräftig mit.

Top 10 Ambush-Kampagnen
  1Beats
by Dr Dre
Werbekampagne mit Nationalspielern und Fußballmotiven
  2VWnachhaltige mehrstufige digitale Kampagne mit WM- und Fußballmotiven sowie den Nationalmannschaftsfarben
  3Go ProWerbung mit Fußballspielen und brasilianischen Motiven
  4Nike"Riskier alles"-Kampagne mit TV-Spots und animierten Cartoons
  5HavaianasVerkauf von Flipflops mit Brasilien-Motiven
  6Blue ManUnterwäsche, die von Neymar gezeigt wird
  7ActiviaSocial-Media-Video mit Shakira, die ihren neuen Song "La, La, La" singt
  8HeinekenErstellung eines Fußballstadions aus Bierkästen in einem holländischen Supermarkt
  9AdidasVerbrennung des Teambusses, in dem sich die französischen Spieler während der WM 2010 stritten (seitdem ist nicht mehr Adidas, sondern Nike offizieller Ausrüster Frankreichs)
10Suarez-bezogene Produkteverschiedene Marken, die sich kurzfristig den Beiß-Vorfall von Suarez zunutze gemacht haben

  "Ambush-Marketing ist, genauso wie das Sponsoring, zum Big Business geworden", sagt Chadwick. Ziel sei es, die Aktivitäten offizieller Partner zu unterwandern. "Es kann ein ernstzunehmendes Problem werden." Die Wissenschaftler der Universität Coventry haben in den vergangenen Jahren fast 1000 Fälle von Trittbrettfahrer-Werbung untersucht - unter anderem in den USA, Großbritannien, Deutschland, Polen, Brasilien und China. Sie konstatieren eine wachsende Ausbreitung.

Der Erfolg der Trittbrettfahrer ist beträchtlich. Bis zu 50 Prozent der Verbraucher werden erfolgreich in die Irre geführt, sagt Chadwick. Er verweist auf das Beispiel der Brauerei Carlsberg. Im Zusammenhang mit der WM 2010 in Südafrika sei dies die Werbung gewesen, die die höchsten Erinnerungswerte erzielte - und nicht die des Fifa-Partners Budweiser. Offizielle Sponsoren würden also Gefahr laufen, bis zur Hälfte des vom Sponsoring erhofften Nutzens zu verlieren.

Wettlauf in den sozialen Medien

Nicht nur die von langer Hand geplanten Kampagnen machen Fifa-Partnern zu schaffen. Gute Chancen auf eine hohe Aufmerksamkeit hat, wer schnell auf Geschehnisse während des Events reagiert. So twitterte Schokoriegelhersteller Mars kurz nach dem Biss des Uruguayers Luiz Suarez gegen seinen italienischen Gegenspieler Chiellini: "Das nächste Mal, wenn du hungrig bist, schnapp dir ein Snickers (Next time you're hungry just grab a Snickers)". Und legte nach mit: "Zufriedenstellender als italienisch ("More satisfying than Italien"). Auch Opel "Nur der Motor sollte richtig Biss haben") und Sixt ("Lieber Luis, wir haben auch Italiener zum Anbeißen") - auf einem Bild ist ein Maserati zu sehen - legten bei Twitter und Facebook nach. Fifa-Partner ist keines der Unternehmen.

"Länder, die Großsportereignisse austragen, müssen Ambush-Marketing ernst nehmen und dagegen rechtlich vorgehen, wo dies möglich ist", sagt Chadwick. "Versagen sie dabei, wird es ihre Chancen deutlich verringern, in Zukunft wieder Gastgeber für solche Events zu sein." Sponsernde Unternehmen würden sich dann nämlich fragen, ob sie ihr Marketingbudget nicht sinnvoller verwenden könnten. Ohne deren Geld aber sei es nicht möglich, die Kosten für solche Veranstaltungen zu stemmen. Doch an reinen Fußballkampagnen oder auch Anspielungen wie zur Suarez-Attacke beißen sich die Verbands-Juristen die Zähne aus. Die Grauzone für die Ambush-Werber ist groß.

Nur wenn die Trittbrettfahrer zu offensichtlich vorgehen, verspricht der Rechtsweg Erfolg. So schickte bei der WM 2010 in Südafrika die niederländische Brauerei Bavaria 36 Frauen in orangefarbenen Kleidern während des Gruppenspiels zwischen Holland und Dänemark auf die Tribüne - und erzürnte so Fifa-Sponsor Budweiser. Die Bavaria-Damen flogen aus der Arena, dem Getränkehersteller wurden strafrechtliche Konsequenzen angedroht. Beträchtlich seien die Kosten, die Ambush-Marketing auch für die Kontrolle und die Verfolgung möglicher Rechtsverstöße verursache, sagt Chadwick.

Doch die Werbe-Trittbrettfahrer lernen dazu. Chadwick erwartet weitere Überraschungen von Fifa-Außenseitern: "Die Fußball-Weltmeisterschaft zählt weltweit zu den wertvollsten Ereignissen für ein Sponsoring", sagt er. "Wir werden in den nächsten Wochen noch mehr Ambush-Marketing erleben." Brasiliens Abwehrspieler David Luiz hat schon nachgezogen. Nach dem Viertelfinalspiel gegen Kolumbien war der Bund seiner Calvin-Klein-Unterhose unschwer zu erkennen.

Quelle: ntv.de, Thomas Mersch, DJ

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