Schon zehn Joker-Tore bei der WM Wo sitzt der Trainer-Instinkt?
18.06.2014, 13:09 Uhr
Woher nimmt Ottmar Hitzfeld seine Einwechsel-Ideen?
(Foto: AP)
"Ich wusste, ich muss etwas ändern" sagte Ottmar Hitzfeld einmal. Woher wissen Trainer, das ein Spieler nach seiner Einwechslung das entscheidende Tor schießen wird? Bei der WM in Brasilien setzen Hitzfeld & Co. auf Psychologie, die Spieler auf Aberglauben.
Sie hatten es einfach im Blut: Ottmar Hitzfeld, Jürgen Klinsmann und Marc Wilmots haben den richtigen Mann eingewechselt. Allesamt haben ihr erstes Spiel bei der WM in Brasilien jeweils mit 2:1 gewonnen - und immer hatten sie die goldenen Tore "Jokern" zu verdanken - die Treffer waren spielentscheidend. Hitzfeld brachte gegen Ecuador beim Stand von 0:1 zunächst den Freiburger Ahmir Mehmedi, der mit seinem ersten Ballkontakt den Ausgleich erzielte. In der Nachspielzeit sicherte der in der 75. Minute gekommene Haris Seferovic den Sieg.
Mit ihrem "goldenen Händchen" liegen die beiden Deutschen Hiltzfeld und Klinsmann und der belgische Ex-Schalker Wilmots voll im Trend. Zehn der bisherigen 49 Tore in Brasilien wurden von Einwechselspielern erzielt.
Kahn über Hitzfeld: "Er konnte das gar nicht so richtig beantworten"
Zweimal mit dem Kopf: erst Hitzfelds Entscheidung Mehmedi einzuwechseln, dann dessen Ausgleich nach einer Ecke (48.).
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Bei Hitzfeld ist das "goldene Händchen" offenbar angeboren. 1997 brachte er im Champions-League-Finale mit Borussia Dortmund gegen Juventus Turin den 20-jährigen Lars Ricken, der zehn Sekunden später den erlösenden Treffer zum 3:1 erzielte. Bayern-Stürmer Alexander Zickler wurde auch dank zahlreicher Einwechslungen Hitzfelds zum erfolgreichsten Joker der Bundesliga-Geschichte (18 Tore).
"Man macht sich im Vorfeld natürlich Gedanken, welche Optionen man hat, wenn man in Rückstand liegt", verrät Hitzfeld. Der frühere Bayern-Torhüter Oliver Kahn erzählte als ZDF-Experte, dass er seinen Trainer mal gefragt habe, "wie er auf die Idee kam, bestimmte Auswechslungen zu machen. Er konnte das gar nicht so richtig beantworten, sondern sagte nur: Ich wusste, ich muss etwas ändern. Sonst bleibt dieses Spiel so wie es ist." Hitzfeld habe "schon ein sehr, sehr gutes Gefühl dafür entwickelt, wann er reagieren muss", sagte Oliver Kahn.
Den Treffer zuvor im Traum erlebt
Die Spieler führen solche Tore freilich gerne auf Aberglaube zurück. Vielen fällt es offenbar schwer, einem Trainer zu danken, der sie zunächst auf der Bank ließ. Mehmedi begründet sein Tor damit, dass er seinen Vollbart abrasiert habe, Seferovic mit dem Geburtstag seines Vaters. Und John Brooks erzählte, er habe seinen Treffer zuvor schon im Traum erlebt. Erzielt hat der gebürtige Berliner ihn schließlich vier Minuten vor Schluss, es war der Siegtreffer für die USA gegen Ghana. Eingewechselt worden war Brooks von Klinsmann, der sich auch das berühmteste Jokertor der deutschen WM-Geschichte auf die Fahne schreiben darf. Im zweiten Gruppenspiel der WM 2006 gegen Polen bereitete Joker David Odonkor in der Schlussminute das 1:0 durch Joker Oliver Neuville vor. Der anschließende Jubel-Orkan im Dortmunder Westfalenstadion gilt als Geburtsstunde des "Sommermärchens".
Psychologie wendete am Dienstag derweil Wilmots an. Als Geheimfavorit Belgien gegen Algerien zur Pause überraschend 0:1 zurücklag, schrieb der 45-Jährige Trainer "Die Bank gewinnt das Spiel" auf einen Zettel und hängte ihn an die Kabinenwand: Die Einwechselspieler Marouane Fellaini (70.) und Dries Mertens (80.) sorgten dann für den Sieg.
Dass in Brasilien so ausgesprochen viele Joker-Tore fallen, mag mit den nachlassenden Kräften bei den besonderen Bedingungen leicht erklärt sein. Auch Bundestrainer Joachim Löw versicherte schon vor dem Turnier, dass Auswechslungen in Brasilien "eine besondere Bedeutung" bekommen werden. Die drei möglichen Wechsel will und wird er deshalb bei jedem WM-Spiel voll ausnutzen.
Quelle: ntv.de, tga/sid