Herberts Erbe bleibt gigantisch Dennis Schröder nimmt "Unhappy End" auf seine Kappe

Dennis Schröder sagt: "Ich hätte ein besseres Spiel machen können. Das nehme ich auf meine Kappe."

Dennis Schröder sagt: "Ich hätte ein besseres Spiel machen können. Das nehme ich auf meine Kappe."

(Foto: dpa)

Die deutschen Basketballer verpassen die dritte Medaille in drei Jahren knapp. Dennoch ist die Amtszeit des scheidenden Gordon Herbert ein riesiger Erfolg. Basketball made in Germany zählt heute mit zum stärksten der Welt. Das wäre vor Kurzem noch undenkbar gewesen.

"Alle sind natürlich untröstlich." Dennis Schröder zögerte in der Pressekonferenz nach der 83:93-Niederlage gegen Serbien im Spiel um Bronze bei den Olympischen Spielen in Paris keine Sekunde. "Zuallererst müssen wir dem Trainer für alles danken, was er für den Deutschen Basketball-Bund und die Nationalmannschaft getan hat. Er hat etwas zur Kultur beigetragen. Der Spaß, die Atmosphäre in der Umkleidekabine - das hat er geschaffen. Er hat vor drei Jahren damit angefangen. In drei Jahren haben wir zwei Medaillen gewonnen. Natürlich wollten wir die dritte gewinnen, aber wir haben etwas geschafft, was noch niemand zuvor geschafft hat. Wir wissen das wirklich zu schätzen. Im Moment sind alle unglücklich, aber wir müssen nach vorne schauen."

Noch nie ist eine deutsche Basketball-Nationalmannschaft bei Olympischen Spielen so weit gekommen. Das Spiel gegen die Serben war das letzte von Gordon Herbert als Cheftrainer. Er übernimmt den FC Bayern. Nachdem der 65-jährige Kanadier mit seinen Spielern und den Gegnern abgeklatscht und das Parkett in der Paris Bercy Arena ein letztes Mal verlassen hatte, saß er sichtlich geknickt vor versammelter Reporterriege und resümierte: "Alles im Leben geht irgendwann mal zu Ende. Das ist natürlich nicht das Ende, das wir wollten. Aber diese Jungs haben drei Jahre ihr Herz und ihre Seele gegeben. Das hier war eine echte Familie. Gratulation an Serbien. Sorry Frankreich, aber das war das beste Team, gegen das wir bei diesen Olympischen Spielen angetreten sind."

Der frühe Tip-off um 11 Uhr spielte dem Team von Svetislav Pešić weitaus besser in die Karten. Im Gegensatz zum WM-Finale 2023, in dem die deutsche Mannschaft noch triumphiert hatte, konnte der serbische Coach diesmal auf den dreimaligen wertvollsten Spieler der NBA, auf Nikola Jokić, sowie auf seinen etatmäßigen Point Guard Vasilije Micic zugreifen. Scharfschütze Bogdan Bogdanović war, wie schon vor einem Jahr, in Top-Form.

Chancenlos im Spiel um Bronze

Das Trio aus der nordamerikanischen Profiliga dominierte von Beginn an und brachte Serbien mit einem 30:21-Anfangsviertel früh auf die Siegesstraße. In der Abwehr riegelte das Team vom Balkan die Zone ab und zwang Deutschland immer wieder zu Versuchen aus der Distanz, die kaum fielen. Zur Pause betrug der Rückstand des Weltmeisters acht Punkte (38:46). Ein persönlicher 7:0-Lauf von Aleksa Avramovic im dritten Abschnitt brachte dann bereits die Vorentscheidung (45:64), das DBB-Team erholte sich nicht mehr.

Jokić mit dem erst fünften Triple Double in der Olympia-Geschichte (19 Punkte, 12 Rebounds, 11 Assists), Micic mit 19 Zählern und Bogdanović mit 16 waren die Topscorer der Serben, die erst zum zweiten Mal eine Olympia-Medaille holten (nach Silber 2016) und Pešić damit ein verfrühtes Geburtstagsgeschenk bescherten.

Franz (18 Zähler) und Moritz Wagner (16) waren die besten Punktesammler auf deutscher Seite. Schröder machte mit 13 Punkten und sechs Vorlagen, aber auch sechs Ballverlusten, sein schwächstes Spiel bei diesem Turnier: "Ich hätte ein besseres Spiel machen können. Das nehme ich auf meine Kappe. Ich hätte einfach besser spielen und mehr Energie bringen können. Einfach ein besserer Spielmacher sein, sicherstellen, dass jeder am richtigen Platz ist, ja... Das Spiel geht auf meine Rechnung."

"Ich bin ein wenig traurig"

Sicherlich wäre mehr drin gewesen. Vielleicht nicht gegen Serbien, und vielleicht auch nicht in einem Finale gegen den späteren Olympiasieger USA. Aber im Großen und Ganzen schon. Deutschland hatte am Donnerstag, im Halbfinale gegen Frankreich, die Chance auf mindestens Silber leichtfertig und mit bis dahin unbekannten Schwächen liegen lassen. Die 69:73-Pleite wirkte empfindlich nach - und schien den kollektiven Spirit dieses lange unantastbaren Teams gebrochen zu haben. "Das Halbfinale, das hat uns in den Arsch gebissen", sagte Herbert am Ende. "Ich habe den Spielern gesagt, dass wir es hätten gewinnen können. Aber ich denke, wir dürfen nicht vergessen, was wir in den vergangenen drei Jahren geleistet haben. Wir haben großartig gespielt, alles gegeben."

13 Siege in Serie bei einem internationalen Turnier, seit Bronze bei der EuroBasket 2022, hatten den Blick auf den deutschen Basketball radikal verändert. Dass die beiden Niederlagen zum Schluss, gegen zwei der besten Teams der Welt, als dermaßen enttäuschend interpretiert und diskutiert werden, spricht Bände. Drei Medaillen in drei Jahren hatte Herbert bei seinem Amtsantritt nach Olympia in Tokio 2021 als Ziel ausgegeben. Was damals selbst von DBB-Verantwortlichen und Fans im Land noch geschockt und mit viel Skepsis zur Kenntnis genommen und sogar belächelt wurde, ist längst einem neuen Selbstverständnis gewichen. Das ist Herberts Verdienst, der dank exzellenter Menschenführung, klarer Kommunikation in allen Belangen und dem Mut, ganz groß zu träumen, die erfolgreichste Ära des deutschen Basketballs begründet hat.

"Wir haben gezeigt, dass Deutschland eines der besten Basketballländer der Welt ist", sagt Schröder, den Herbert damals, als erste Amtshandlung überhaupt, zum Kapitän ernannte - ein Geniestreich, wie sich herausstellen sollte. "In den letzten drei Jahren habe ich einen Basketball gespielt, den ich in meiner gesamten Karriere so noch nie zuvor erlebt habe. Diese Jungs in der Umkleidekabine, null Ego, alle denken nur an den Sieg. Nur Jungs mit starkem Charakter, hohem IQ, offensichtlich talentierte Basketballer. Wir haben zwei Medaillen gewonnen. Letztes Jahr haben wir die WM gewonnen. Wir wollten dieses Jahr mehr erreichen, aber manchmal kann man im Leben nicht alles bekommen, was man möchte."

Weil der DBB, im Gegensatz zu allen großen Basketball-Nationen, eine Doppelfunktion kategorisch ablehnt, und Herbert künftig eben den FC Bayern übernimmt, wird ein Nachfolger gefunden werden müssen. "Ja, ich bin ein wenig traurig, weil es zu Ende ist. Es war eine unglaubliche Reise in den vergangenen drei Jahren, mit grandiosen Typen, grandiosen Menschen. Davon träumt jeder Coach, mit solchen Spielern arbeiten zu können." Wer auch immer den Posten übernimmt, wird es nicht leicht haben, in Herberts gigantische Fußstapfen zu treten. "Das ist wirklich schwer zu toppen", kommentierte Schröder. "Der Trainer hat in den letzten drei Jahren großartige Arbeit geleistet und uns zusammengeführt. Vor dem Spiel habe ich gehört, dass schon etwas im Gange sein soll, also hatten wir da nichts zu sagen. Ich weiß nicht. Schwere Frage. Sie werden schon das Richtige tun. Hoffentlich bekommen wir jemanden wie Gordie, der uns hilft, anzuknüpfen an das, was wir erreicht haben. "

Folgt jetzt der große Umbruch?

Der Kader, den der nächste Bundestrainer übernimmt, wird zu größten Teilen intakt bleiben. Kapitän Schröder hat bereits angekündigt, weiterspielen zu wollen, "bis ich 40 bin. Das ist mein Ziel. Hoffentlich entscheiden sich alle meine Jungs in der Umkleidekabine, zurückzukommen und zu spielen. Denn wenn ich bis 40 spiele, können sie bis 37, 38 spielen und es zu etwas Besonderem machen." Die ältesten Spieler im Kader sind Niels Giffey (33), Daniel Theis (32), Johannes Voigtmann und Maodo Lo (beide 31).

Gleichzeitig kommt viel Talent nach, es wurde sehr gute Arbeit geleistet in den vergangenen Jahren. Die U-18 Nationalmannschaft gewann vor einer Woche die EuroBasket. Franz Wagner, der mit 111 Punkten die insgesamt zweitmeisten Zähler bei diesen Spielen erzielte, ist mit 22 Jahren einer der besten jungen Spieler der Welt. Justus Hollatz, der mit diesem Team den WM-Titel gewann, ist erst 23. Tristan Da Silva (ebenfalls 23), der jüngere Bruder von Nationalspieler Oscar Da Silva (25), debütiert kommende Saison in der NBA, neben den Wagner-Brüdern, bei den Orlando Magic. Isaiah Hartenstein, der nach seiner besten Profisaison gerade einen neuen Vertrag über 87 Millionen US-Dollar bei den Oklahoma City Thunder unterschrieben hat, ist erst 26 geworden.

Deutschland hat sich unter Herbert als eines der besten Teams der Welt etabliert. Die vergangenen drei Jahre sollen aber keine Ausnahme, sondern erst der Anfang einer anhaltenden Erfolgsgeschichte sein. Nicht nur Schröder, der neben Jokić, Victor Wembanyama, LeBron James und Steph Curry ins All-Olympics Teams 2024 gewählt wurde, glaubt fest daran, dass das auf künftig mehr als realistisch ist: "Die U18-Mannschaft hat die Europameisterschaft gewonnen, Tristan da Silva ist gerade in die Liga gekommen, Hartenstein - wir haben immer noch viele junge Jungs, die spielen können. Die Zukunft des deutschen Basketballs sieht rosig aus."

Quelle: ntv.de

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