Wunderkind weint hemmungslos Wahnsinniger Stephen Curry schickt Frankreich in die "Hölle"
11.08.2024, 07:22 Uhr
Schlaf gut, Frankreich. Stephen Curry versenkte einen Wahnsinnsdreier zur "guten Nacht".
(Foto: AP)
Die amerikanischen Basketballer bringen ihre olympische Mission zu einem goldenen Ende. Im Finale wird Frankreich besiegt. Der Weg zum fünften Triumph nacheinander und zum 17. insgesamt ist aber mühsamer als gedacht. Aber die USA haben eben den besten Schützen aller Zeiten.
Stephen Curry machte ein letztes Mal die "Gute-Nacht"-Geste. 34 Sekunden vor der Schlusssirene war ein Wurf von ihm im hohen Bogen durch die Reuse gesaust. Die amerikanischen Basketball-Giganten führten mit neun Punkte gegen das verzweifelte Frankreich. Zwar hatte die Mannschaft des Gastgebers nie wirklich eine Hand an der Goldmedaille. Aber ein bisschen war es so, wie mit dem Esel und der Möhre. Die Aussicht, Historisches zu schaffen, Gigantisches, die vielleicht größte Sensation dieser Olympischen Spiele, hatte sie so richtig ins Laufen gebracht. Aber die Möhre, Gold, blieb unerreicht. Weil Superstar Curry seinen inneren Stephan wieder fand. Und das ist für alle Mannschaften auf der Welt eine schreckliche Nachricht. Mit einer Ausnahme: für die eigene.
Das olympische Basketball-Finale hatte die Welt elektrisiert. Nach dem 100-Meter-Sprint der Männer, dem ewigen Highlight der Spiele, schaute nun alles in die Bercy Arena. Dort fand das bestbesetzte Basketballturnier aller Zeiten sein Ende. Mit der wohl besten Mannschaft, die gemessen an den Individualisten je zusammenfand. Die USA hatten ihre "Avengers", in Anlehnung an Marvels Superhelden-Treffen, gerufen und niemand hatte sich dem lauten Ruf verweigert. LeBron James war da, Kevin Durant, Joel Embiid, den sie in Frankreich mittlerweile verachten, und eben Curry. So etwas hatte man noch nicht gesehen. Nicht mal 1992, als das erste "Dream Team" die Welt in Barcelona verzaubert hatte. Mit Michael Jordan, mit "Magic Johnson" und wie sie alle hießen.
Einer von ihnen war auch Scottie Pippen, die Legende der Chicago Bulls. Und er wollte sich das Spektakel nicht entgehen lassen. Er wollte die Gold-Show seiner Nachfolger sehen. Ebenso wie Carmelo Anthony, wie Dirk Nowitziki und so viele andere auch. Auf den Tribünen gab es die größte Star-Ansammlung dieser Spiele. Selbst die dramatische Turn-Party von Simone Biles hatte weniger Prominenz angelockt als dieses Duell nun, das von den Vorzeichen so glasklar war. Kaum jemand, vielleicht niemand außerhalb des französischen Basketball-Kosmos hatte eine Sensation für möglich gehalten. Zu gut waren die Amerikaner mindestens bis ins Viertelfinale hinein gewesen, ehe sie gegen Serbien eine Runde später einen gigantischen Kraftakt benötigen. Aber gut, die Serben haben mit Nikola Jokić auch den derzeit besten Spieler der Welt bei sich und um ihn herum ein starkes Team, das Deutschland zuvor als Einstimmung aufs Goldspiel Bronze weggenommen hatte.
LeBron James eröffnet mit einem Monsterdunk
Die Franzosen selbst hatten zudem ein Turnier gespielt, das viele Fragen offen ließ. Die Vorrunde war eigentlich eine Katastrophe gewesen. Im letzten Gruppenspiel waren sie erst von Deutschland demontiert worden und taten hernach das Gleiche mit sich selbst. Im Team krachte es heftig, der Spielstil von Trainer Vincent Collet wurde attackiert. Es entspann sich eine kuriose Posse um den Finger von NBA-Abräumer Rudy Gobert. Aber plötzlich ging was. Erst wurde das bärenstarke Kanada rausgeworfen, dann gab es die Rache an Deutschland. Beide Spiele gingen mit gnadenloser Defensive an Frankreich, in der Offensive blieb vieles zäh. Aber der alte Spruch mit der Abwehr, die dich zum Champion macht, ist eben zeitlos wahr.
Los ging das Spektakel mit einem krachenden Dunking von LeBron James. Frankreich öffnete ihm den Korridor zum Korb, da sagt ein viermaliger NBA-Champion und 20-facher Allstar natürlich nur eines: Merci! Der Gigant hatte seine Füße in goldenes Schuhwerk gekleidet. Ein Statement: keine Zweifel am Gelingen der Mission. Es ging aber feurig hin und her. Auch weil Frankreichs Wunderkind Victor "Wemby" Wembanyama sich vorgenommen hatte, die Amerikaner mindestens zu ärgern, eher zu blamieren. Immer wieder landete der Ball in den Händen des 2,24 Meter großen "Aliens" und von dort im Korb. Die Arena bebte, "Wemby" pushte und die Amerikaner antworteten, wie man es von ihnen erwartet hatte. Mit Spektakel. James steckte per No-Look-Pass hinter dem Rücken auf den am Anfang extrem auffälligen Devin Booker durch, der schloss locker ab. Ach, war das herrlich.
Aber das Spiel bekam auch Längen, weil die US-Boys nicht stabil trafen. Curry startete gerade mit einer 0:3-Serie von der Dreierlinie ins Spiel. Auch Durant fand seinen "Touch" nicht. Und die Franzosen ackerten wie die Wilden, machten auch viele leichte Fehler. Aber sie hatten "Wemby" in Superform und einen Guerschon Yabusele, der sich einst erfolglos in der NBA versucht hatte, nun aber zum unaufhaltsamen Biest wurde. Im zweiten Viertel nahm er James mit einem Monsterdunk mit aufs Poster. Das missfiel dem NBA-Riesen. Frankreich verkürzte wieder auf fünf Punkte. Das Spiel lebte von Läufen. Bis in die Schlussphase und die hatte es so richtig in sich.
Curry läuft heiß, wie nur Curry heiß laufen kann
Fünf Minuten vor dem Ende krachte es dank James. Die Ersatzbank feierte und feixte. Zehn Punkte lagen die US-Boys vorne. Die Goldmission war kurz vor der Vollendung. Doch Frankreich konterte, drei Minuten vor dem Ende waren es nur noch drei Zähler Rückstand. "Wemby" arbeitete am Korb nach und drückte den Ball per Dunk rein. Eine Sekunde zuvor war Yabusele beim Dreier noch spektakulär von Durant, der nun mit viermal Olympia-Gold im Basketball alleiniger Rekordhalter ist, gnadenlos abgeräumt worden. Niemand saß mehr. Nicht die glorreiche erste Reihe, niemand. Bercy drehte durch. Doch dann kam Curry. Und er tat Curry-Dinge. Gegen den Lauf der Gastgeber hämmerte er den ersten Dreier rein. Ein Dribbling, ein Abschluss, fertig.
Curry ist der beste Schütze aller Zeiten. Er trifft wilde und wildeste Würfe. Aus unmöglichen Lagen, zu Zeiten, die dem Gegner weh tun, richtig, richtig weh tun. Seit Jahren kennt man das. Aber niemand kann das verhindern, wenn Curry seinen Touch hat - und den hat er seit über einem Jahrzehnt wahnsinnig oft - ist das wie ein Bug auf der Playstation. Er kann dann einfach nicht mehr daneben werfen. In den vergangenen Jahren hat er alle Rekorde von der Dreipunktlinie geknackt. Natürlich auch immer wieder seine eigenen. Zwei Minuten vor dem Ende lässt er Nic Batum ins Leere fliegen, 90:81. Der französische Kapitän antwortet ebenfalls von draußen, 90:84. Dann wieder Curry, wieder drei, gegen die ablaufende Uhr. Die Bank dreht durch, Curry jetzt ebenfalls. Gute Nacht, Frankreich? Was für eine Stimmung. Aber nein, niemand geht schlafen. "Wemby" trifft das lange Ding, 87:93 aus Sicht der Gastgeber. Das Wunder? Scheint möglich! Wirklich? Nein.
Die Halle erlebt Louis-de-Funès-Momente. Nein, doch, oh! Wieder Curry, heftig attackiert von Evan Fournier und Batum. Er dribbelt sich den Ball hinter dem Rücken her, sucht eine kleine Lücke, findet keine. Egal, der Ball fliegt im hohen Bogen in den Korb. Adieu, Les Bleus! So etwas kann nur Curry. Die amerikanischen Bankspieler sind fassungslos. Sie imitieren diesen Wahnsinnswurf. Was war das? Teamkollege Bam Adebayo: "Ich dachte mir: Was zur Hölle? Dann habe ich mich daran erinnert, wer diesen Wurf genommen hat." Curry ist Dreier-Rekordhalter in der NBA, natürlich musste er diesen Moment schaffen, er, der so schwer in dieses Turnier gekommen war und erst gegen Serbien aufgewacht war, mit 36 Punkten! Doch gemessen an diesem unfassbaren Dreierhagel verblasst diese Leistung schnell. In den beiden letzten Spielen traf er aberwitziger 17 von 26 Dreiern. "Er ist so wunderbar", schwärmte James. Nach vier NBA-Meisterschaften und zwei WM-Titeln ist er mit 36 Jahren auch Olympiasieger, seine Karriere ist damit vollendet. James nennt Curry ehrfürchtig "Chef".
"Wemby" spricht eine große Warnung aus
"Ich bin super dankbar, diese Goldmedaille nun zu haben. Ich bin begeistert. Die letzten zweieinhalb Minuten waren etwas ganz Besonderes. Ich genieße das", sagte der Matchwinner, der wieder einmal dem Wahnsinn von Down Town verfallen war. "Ich habe mich selbst beeindruckt. Bei jedem Wurf glaubt man, dass er reingeht. Aber das war das Ende einer ganzen Serie solcher Würfe. Am Ende des Tages sah ich nur noch den Korb. Ich sah nicht, wer vor mir stand." US-Trainer Steve Kerr, der Curry seit Jahren bei den Golden State Warriors sehr erfolgreich coacht, staunte ebenfalls: "Das ist eines der besten Spiele seiner Karriere. Seine Treffer waren unglaublich. Aber unter diesen Umständen, auswärts in Paris, gegen Frankreich um Gold, ist das wie aus dem Bilderbuch. Aber genau das macht Steph. Er ist gern in Bilderbüchern." Mit ihren Goldmedaillen posierten die "Avangers" noch in der Halle vor einem Logo der olympischen Ringe. Elf Monate nach der WM-Schmach gegen Deutschland sind die USA rehabilitiert. Die Party startete in der Arena, mit Champagner. und dicken Zigarren. Die selbsternannten "Rächer" des US-Basketballs ließen es standesgemäß krachen.
Anders die Gefühlswelt bei den Gastgebern. Batum hatte das Spiel Sekunden vor dem Ende im Gesicht blutend verlassen müssen. Sie hatte alles gegeben und waren geschlagen worden. Wembanyama, der mit 26 Punkten und zahlreichen Top-Aktionen ein sensationelles Spiel, sein bestes bei Olympia, gemacht hatte, sank weinend auf die Bank, bekam Trost von den NBA-Riesen. Durant flüstere ihm ins Ohr, wie er sein Spiel bewundere. Und das Wunderkind sprach später eine Warnung aus: "Ich lerne noch. Für die kommenden Jahre sorge ich mich etwas um meine Gegner." Noch aber sind die stark genug. Vor allem Curry.
Quelle: ntv.de