n-tv-Reporter Marcel Klein über Olympia in Sotschi "Das war alles auf Kante genäht"

Die Wettkampfstätten sind fertig und bestens in Schuss - von manchen Hotels in und um Sotschi kann man das nicht behaupten.

Die Wettkampfstätten sind fertig und bestens in Schuss - von manchen Hotels in und um Sotschi kann man das nicht behaupten.

(Foto: imago/Newspix)

Über eine Woche lang berichtete Sportreporter Marcel Klein für n-tv von den Olympischen Winterspielen in Sotschi. Im Gespräch redet er über sein schwimmendes Hotel, bierselige Feiern im Deutschen Haus und Last-Minute-Bauarbeiten.

n-tv.de: Herr Klein, Sie waren elf Tage lang in Sotschi, nun sind Sie wieder zu Hause. Was war das schönste Erlebnis, wovon erzählen Sie?

Marcel Klein: Aus sportlicher Sicht war das sicherlich die erste deutsche Goldmedaille durch Felix Loch. Darauf wartete ja das Deutsche Haus samt Fans förmlich. Und dann ist es ja so: Wenn man morgens am Olympic Park vorbeispaziert und die Olympische Flamme sieht - das hat schon was.

Das Deutsche Haus steht oben in den Bergen, Ihr Hotel lag an der Küste. Was ist der Unterschied?

Für RTL, n-tv und Vox unterwegs: Sportreporter Marcel Klein vor dem Deutschen Haus in Sotschi.

Für RTL, n-tv und Vox unterwegs: Sportreporter Marcel Klein vor dem Deutschen Haus in Sotschi.

Wenn man morgens die Unterkunft verlässt, sind Nase und Haut die ersten Organe, die anschlagen. Beim Blick aus dem Fenster habe ich die verschneiten Berge gesehen, das deutet auf Wintersport hin. Aber wenn ich den ersten Schritt vor die Tür setzte, war das ein Wow-Effekt, weil es so mild ist, und nachts auch nicht stark abkühlt. Wenn man sich, so wie ich, morgens um sieben auf den Weg in die Berge macht, kommt man auf dem Fußweg zur Bahnhaltestelle mit Winterjacke schnell ins Schwitzen. Im Bergdorf Krasnaja Poljana ist es doch deutlich kühler. In der ersten Wettkampfwoche herrschte mit blauem Himmel und Sonne pur regelrechtes Kaiserwetter.

In den ersten Tagen beschwerte sich das Internationale Olympische Komitee über leere Stadien und schlechte Stimmung. Wie haben Sie die Atmosphäre erlebt?

Im Olympic Park an der Küste hat man schon eine gewisse Olympia-Atmosphäre gespürt. Es knubbelt sich, Fans strömen zu den Wettkampfstätten, die Stadien stehen zentral beieinander und es kommt schneller Atmosphäre auf als in den Bergen, wo die Stadien etwas verstreut liegen. Bei der Biathlon-Verfolgung habe ich mich zu den russischen Fans gesellt, die Stimmung war herausragend. Beim Rodeln war das etwas anders, aber da hat der Zuschauer ja auch nur den Bruchteil einer Sekunde etwas vom Sportler, wenn er mit 130 Stundenkilometern vorbeizischt.

Fanden Sie die russischen Fans unfair? Da gab es ja Vorwürfe.

Ich war an der Biathlon-Strecke einer von vielleicht fünf Fans, die die deutschen Jungs angefeuert haben. Aber was man gespürt hat: Wenn sich beim Slopestyle jemand auf die Nase gelegt hat oder ein Rodler mit großem Rückstand ins Ziel kam, dann wurde trotzdem applaudiert. Fairplay gibt’s also auch bei Olympia.

Geschlafen haben Sie auf einem Hotel-Schiff. War das so geplant?

Es gab mehrere Optionen, am Ende wurde es das Schiff. Es ist ein schwimmendes Hotel, das ergibt keinen Unterschied. Übrigens ist das Prozedere keine Seltenheit. In London und Vancouver wurden auch Hotelschiffe eingesetzt. Ich finde das gar nicht verkehrt, die Hotelzimmmer schwimmen nach dem Event wieder weg und stehen nicht nutzlos rum.

Seit die Journalisten angereist sind, gab es Horrormeldungen über Pfusch am Bau und unfertige Hotels. Was haben Sie davon mitbekommen?

Die deutschen Olympiasieger im Team-Skispringen Severin Freund (r), Marinus Kraus (l), Andreas Wank (2.v.r.) und Andreas Wellinger (2.v.l.) feiern ihren Sieg im Deutschen Haus.

Die deutschen Olympiasieger im Team-Skispringen Severin Freund (r), Marinus Kraus (l), Andreas Wank (2.v.r.) und Andreas Wellinger (2.v.l.) feiern ihren Sieg im Deutschen Haus.

(Foto: dpa)

Hier und da habe ich von Kollegen gehört, dass sie sich auf dem Flur getroffen haben und quasi "Türklinke gegen Glühbirne" getauscht haben. Oder morgens in der Dusche kam milchiges und verfärbtes Wasser aus dem Hahn. Das hat sich aber zum Großteil nach ein paar Tagen eingestellt. Als ich am dritten Tag durch den Olympic Park lief, wurde noch ein Zebrastreifen frisch angepinselt. Es war schon zu merken, dass alles sehr auf Kante genäht war. An einigen Ecken wurde bis zur letzten Sekunde oder sogar während der Spiele noch gearbeitet. In Krasnaja Poljana haben zum Beispiel einige Geschäfte erst am zweiten Wettkampftag aufgemacht.

Sotschi war also mit Verspätung bereit?

Ja, wobei das eher bei den Hotels der Fall war. Die Wettkampfstätten waren allesamt fertig, das war wohl das Augenmerk, nach dem Motto: Die Voraussetzungen für den Sport haben oberste Priorität.

Was haben denn die Sportler über die Wettkampfstätten gesagt?

Ich habe mit vielen deutschen Sportlern gesprochen und zum Großteil berichteten sie von hervorragenden Bedingungen: sei es im Olympischen Dorf oder bei den Wettkampfstätten. Es wurden in vielen Bereichen internationale Experten herangezogen, um den Standards gerecht zu werden.

Wie lautet Ihre sportliche Zwischenbilanz?

Aus deutscher Sicht kann man mit der ersten Woche durchaus zufrieden sein. Ich bin Sonntag abgereist. Zu diesem Zeitpunkt standen zwölf Medaillen zu Buche, sieben davon Gold. DOSB-Präsident Hörmann, mit dem ich sprechen konnte, zeigte sich durchaus zufrieden. Gerade was die Rodler gezeigt haben, war der Wahnsinn. Felix Loch, Natalie Geisenberger, Tobias Arlt und Tobias Wendl haben alles gewonnen, was es zu gewinnen gab. Außerdem holte Tatjana Hüfner Silber. Die Biathleten hingegen konnten bis jetzt noch nicht überzeugen – mit Ausnahme von Silbermedaillen-Gewinner Erik Lesser. Aber ich denke, es waren auch einige Sportler dabei, die zwar keine Medaille, aber eine tolle Leistung gezeigt haben. Beispielsweise Eiskunstläufer Peter Liebers, der Rang acht holte, oder Eisschnellläufer Nico Ihle mit Platz vier. Toll ist, dass es bei Olympia immer wieder Überraschungen gibt, so wie Skispringerin Carina Vogt. Plötzlich springt die 22-jährige auf Rang eins und verewigt sich in den Geschichtsbüchern des Sports. Das ist es, was Olympia ausmacht!

Es gab neben den Triumphen auch viele Enttäuschungen, die Langläufer, die Eisschnellläufer ... merkt man eigentlich am Trinkverhalten im Deutschen Haus, ob es gut läuft oder nicht?

Ich war abends in der Regel nicht im Deutschen Haus, da ich früh raus musste. Die Athleten kommen meist vor Mitternacht an, dann wird ein Spalier gebildet. Die Rodler können beispielsweise gut feiern. Das haben Felix Loch und Co. bewiesen. Der Wirt im deutschen Haus sagte mir, dass an einem Abend mal schnell zwischen 300 und 400 Liter Bier getrunken werden.

Vor den Spielen stand der Sport nicht im Vordergrund, sondern Korruption, die Lage der Arbeiter in Sotschi, das Homosexuellen-Gesetz. Spielt das für die Athleten eine Rolle?

Die Athleten haben zum großen Teil über ihre sportlichen Leistungen gesprochen. Es gab wenige, die sich zu politischen Themen geäußert haben, zum Beispiel der Felix Neureuther. Ich kann es aber nachvollziehen, dass sich die Sportler in diesen wenigen Tagen komplett auf den Sport konzentrieren wollen: Wettkampf findet eben auch im Kopf statt. Im Deutschen Haus dominierten die sportlichen Themen. Meine Kernaufgabe war die des Sportreporters. Ich hatte während der Spiele keinen Kontakt mit Einheimischen, also ist es schwierig zu sagen, wie die Stimmung unter ihnen ist. Bei den Wettkämpfen trifft man eher internationale und zugereiste Fans aus Russland.

Wie gestaltet sich denn der Kontakt zu den russischen Volunteers?

Die Russen, die ja zu abertausenden aus dem Land zusammengezogen wurden, waren sehr hilfsbereit und freundlich. Klar gibt es die Sprachbarriere. Es lässt sich nicht vermeiden, dass man sich mit Händen und Füßen verständigen muss - was ja auch nicht schlimm ist und bei internationalen Events ein Stück weit dazu gehört. Mit Englisch ist es immer noch schwierig, aber man findet sich zurecht.

Wie schätzen Sie die deutschen Medaillenchancen für den Rest der Spiele ein?

Ich hoffe natürlich, dass wir den ersten Rang in der Medaillenwertung verteidigen können. Aber es wird schwieriger in der zweiten Woche, zudem hoffe ich auf weitere Überraschungen. Ich glaube, dass Maria Höfl-Riesch noch für eine Medaille gut ist. Wir müssen schauen, was aus Felix Neureuther wird, der vor seinem Unfall ein heißer Medaillen-Kandidat war. Er ist ein harter Knochen, kurz vor dem Rennen in Kitzbühel hat er sich eine Verletzung im Daumen zugezogen und trotzdem gewonnen. Und dann haben wir ja noch die Bob-Jungs in der Hinterhand. Aber das war zum Auftakt schon eine deutliche Enttäuschung. Wenn wir dann am Ende den zweiten Rang in der Medaillenwertung holen, wäre das sicher auch in Ordnung. Wenn eingeplante Medaillen ausbleiben, reißen es ja oft die Überraschungen wieder raus.

Es gibt so einen Satz, den die Organisatoren von Olympischen Spielen gerne hören: Das waren die besten Spiele aller Zeiten. Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass wir diesen Satz hören?

Schwer zu sagen. Es sind meine ersten Winterspiele, die ich vor Ort erleben durfte. Die Sommerspiele in London haben in punkto Atmosphäre die Messlatte sehr hochgelegt. Das ganze Projekt hängt auch nicht nur vom sportlichen Erfolg ab. Sind es die besten Spiele aller Zeiten, wenn die Fans besonders laut sind? Oder wenn keiner über die Menschenrechtssituation berichten muss? Ich glaube, das muss jeder für sich beantworten. Klar ist, dass Russland die Spiele als Schaufenster nutzen will, um sich der Welt zu zeigen. Wenn es friedlich bleibt und wir sauberen Sport sehen, ist das sicherlich schon mal ein Erfolg.

Mit Marcel Klein sprach Christian Bartlau

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen