Triple-Triple für den Sprint-Clown Der Bolt-Zirkus endet ohne Pointe
20.08.2016, 09:14 Uhr
Meister der Selbstinszenierung: Jamaikas Sprint-Superstar Usain Bolt.
(Foto: REUTERS)
Aberwitzige Rekorde, verbunden mit einem Riesenspektakel - Usain Bolt ist der schnellste Clown aller Zeiten. Mit dem Gewinn des Triple-Triples verlässt der Sprint-Superstar die olympische Bühne, die er zu seinem eigenen Zirkus machte.
Es wäre eine nette Pointe in diesem ganzen Spektakel gewesen: Im letzten Olympia-Finale seiner Karriere verliert Usain Bolt doch noch. Irgendetwas geht dermaßen schief, dass auch keine Lex Favorit mehr hilft wie im Vorlauf der US-Frauen, so eine 4 x 100 Meter Staffel bietet großartige Möglichkeiten für großes Scheitern.
Dem Denkmal, das sich Bolt seit 2008 als schnellster Clown aller Zeiten ersprintet und eralbert hat, hätte das nicht mal nennenswerte Kratzer verpasst. Acht olympische Goldmedaillen statt neun, auch diesem Zweizweidrittel-Triple wären künftige Sprint-Generationen auf ewig vergeblich hinterhergehechelt. Eine Niederlage, für die er nichts kann, das Publikum in Rio hätte die größte Attraktion der Spiele weiter abgöttisch gefeiert.
Bisweilen fühlte es sich in Rio an, als würde der Clown vom eigenen Zirkus überholt. In seinem letzten olympischen Rennen war Bolt nochmal schneller. Es ging nichts schief, auch wenn Bolt und Co. später sehr lachen mussten bei der Frage, wieviel sie für die Staffel trainiert hätten. "Nicht viel", sagte Asafa Powell grinsend: "Usain einmal, wir anderen zweimal." Es reichte, um alle Wechsel hinzubekommen, und "solange wir den Staffelstab die Runde rum kriegen, gibt es keinen Zweifel", sagte Bolt nach dem jamaikanischen Goldlauf in 37,27 Sekunden.
Ein nettes Finale bescherten ihm seinen Teamkollegen dennoch: Als Bolt als Schlussläufer von Nickel Ashmeade übernahm, lag die Spitze des Feldes gleichauf. Als Bolt auf der blauen Bahn in Rio de Janeiro majestätisch durchs Ziel stolzierte, tat er das weit vor der Konkurrenz. Das Publikum hatte verzückt gejohlt, als er ein letztes Mal in Rio Meter um Meter zwischen sich und den Rest des Feldes legte auf dem Weg zum neunten Olympiasieg, zum Triple-Triple in Gold. "Da habt ihr es, ich bin der Größte", war anschließend einer seiner ersten Kommentare. Sein Plan für die Nacht nach seinem letzten Olympiarennen: "Lange aufbleiben und Spaß haben."
Perfekte Bilanz

Nach dem historischen Triumph posierte Bolt mit der Flagge Brasiliens - zur großen Freude des Publikums.
(Foto: AP)
Neun olympische Endläufe, neunmal Gold - Bolt verabschiedete sich ungeschlagen mit perfekter Bilanz. Nach dem Rennen tanzte er wie gewohnt, alberte, umgarnte die Zuschauer ein letztes Mal. Als er mit der brasilianischen Flagge posierte, streichelte er zum Abschied noch einmal die Herzen der Gastgeber. Sie hatten ihm ohnehin zu Füßen gelegen. Bolt-Show, Gold-Show, alles wie gehabt.
Eine Pointe gab es im Olympiastadion trotzdem, sogar zwei. Japan sicherte sich in 37,60 Sekunden mit neuem asiatischen Rekord recht sensationell die Silbermedaille. In den Einzelläufen hatte kein Japaner die Finals erreicht. Als Bolt hörte, dass die Japaner seit März für die Staffel trainiert hatten, musste er grinsen. 2/100 Sekunden lagen die Japaner vor der Sprint-Großmacht USA um die Ex-Doper Justin Gatlin und Tyson Gay. Doch für Gatlin & Co. kam es noch schlimmer. Als Jamaikaner, Japaner und US-Amerikaner gerade gemeinsam ihre Ehrenrunde absolviert hatten, gab der Stadionsprecher die Disqualifikation von Trinidad-Tobago bekannt und auch die der USA. Beim Wechsel auf Gatlin soll es einen Regelverstoß gegeben haben.
"Zur Hölle, wir hatten bereits die Ehrenrunde absolviert", konnte es Tyson Gay nicht glauben. Für Gatlin war es die Krönung seiner Horror-Spiele. Im 100-Meter-Finale war er auf den letzten Metern in Schockstarre verfallen, das 200-Meter-Finale verpasste er. Nun hatte er sein Team auch noch um Olympia-Bronze gebracht. "Ein Albtraum, die ganze harte Arbeit für nichts", sagte Gatlin ernüchtert, bevor er der Presse für die WM 2017 trotzig ein medizinisches Wunder ankündigte: "Ihr Jungs dachtet, ich könnte mit 34 nicht mehr so schnell laufen. Mit 35 werde ich noch schneller sein."
Karriereende nach WM 2017
Usain Bolt wird bei diesen Aussagen womöglich geschmunzelt haben. Der Jamaikaner will seine Karriere bei der WM 2017 beenden, mit Gold über 100 Meter und in der 4 x 100 Meter Staffel. Wenn ihn sein Coach auch zum Start über 200 Meter überreden kann, wird er auch dort Gold gewinnen. Es wären seine WM-Titel Nr. 12 bis 14. In WM-Finals ist er seit 2009 ungeschlagen.
Bolts olympische Karriere endet mit neun Goldmedaillen. So viele haben in der Leichtathletik nur Carl Lewis und Paavo Nurmi gewonnen. "Ich wollte immer die Grenzen verschieben und das habe ich getan", lautete Bolts Fazit: "Ich habe alles getan was ich konnte." Mehr Olympiasiege hat nur ein gewisser Michael Phelps geschafft.
Als Bolt in Rio auf den 23-fachen Olympiasieger angesprochen wurde, sagte er sinngemäß, man könne Schwimmen und Leichtathletik nicht vergleichen. Was kurios ist, weil Bolt den Vergleich von Leichtathletik mit Fußball und Boxen sehr wohl für möglich hält. "Ich versuche einer der Größten zu sein, einer inmitten von Ali und Pelé", verkündete er nach seinem Jogginglauf zu 200-Meter-Gold am Donnerstag.
"Ich werde Olympia vermissen."
Das sind die Antworten und Aussagen eines Sprint-Clowns, der Bolt auch immer war. Auf der Abschlusspressekonferenz daddelte er mit seinem Handy herum oder kicherte mit seinen Staffelkollegen, wenn er nicht gerade wichtige Fragen beantworten musste. Unter anderem dazu, was er seinem Heimatland Jamaika über den Sport hinaus gegeben habe. Antwort Bolt: viele Touristen, viele Jobs.
Zu Themen wie Doping oder dem immer groteskeren Ringen des Sports um Integrität hat er nie Wichtiges beitragen wollen, womöglich kann er es auch nicht. Sein Beitrag waren aberwitzige Rekorde, die Show, das Spektakel. Er war nicht nur der Schnellste unter den Größten. Er war auch der Größte darin, die immer deutlicheren Risse mit Gloss und Glamour und Großspurigkeit zu überdecken. Er gewann ja auch immer und Bolt war auch stets schnell genug, um Zweifeln an seiner surrealen Dominanz davonzulaufen.
Zum Abschied sagte er in Rio: "Ich werde Olympia vermissen." Es sei nun mal die größte Bühne. Auch wenn der Bolt-Zirkus in Rio ohne Pointe endete: Olympia als Bühne war für ihn gerade groß genug.
Quelle: ntv.de