Eiskalt in der Eiseskälte Der goldene Whiskey-Weißbier-Wellinger

"Hat jemand ein Glaserl Whiskey dafür?"

"Hat jemand ein Glaserl Whiskey dafür?"

(Foto: imago/GEPA pictures)

Heftigste Aufwinde, zähes Warten, bissige Kälte: Der erste Skisprung-Showdown der Winterspiele wandelt auf dem Vorhof des Chaos'. Dass die Jury den Wettkampf dennoch durchboxt, macht Andreas Wellinger zum Olympiasieger.

Markus Eisenbichler weiß es sofort. In dem Moment, als Andreas Wellinger um kurz nach Mitternacht seine Latten in den Schnee des Alpensia Skisprung-Centers setzt. Mit einer ganz sauberen Telemarklandung. Bei 113,5 Metern. Rekord auf der kleinen Schanze. Eisenbichler rennt los, in die Leaders Box, wo sich sein Teamkollege Wellinger gerade aufgestellt hatte. Er herzt ihn heftig und sagt: "Der Sprung reicht zu Gold". Vier Athleten sind da aber noch auf dem Turm. Wellinger wartet. Er muss warten. Er sieht Richard Freitag scheitern. Und den Polen Kamil Stoch. Bronze ist sicher. Auch der Norweger Johann-Andre Forfang schafft die Vorgabe nicht. Silber. Dann noch ein Pole. Der letzte Mann auf dem Balken. Stefan Hula. Ein Einbruch, nach grandiosem erstem Sprung. Wellinger gewinnt Gold, ist Olympiasieger, vor Forfang und dessen Teamkollegen Robert Johansson. Wellinger weint fortan. Und weint.

Es sind ganz große Emotionen, vor allerdings ganz kleiner Kulisse. Denn fast drei Stunden zieht sich der Wettbewerb hin. Immer wieder wird er mühsam unterbrochen. Wegen zu starker Aufwinde, wegen wechselnder Winde, es ist zudem eiskalt. Zu kalt für die meisten Zuschauer. Minus 15 Grad ist halt ein kerniges Argument für den Rückzug. Wer's nicht aushalten muss, der verschwindet, bevor's richtig wehtut. Und die kollektive Schmerzgrenze ist schnell erreicht. Mit dem Ende des ersten Durchgangs. Die Jury aber zieht durch, sieht die Fairness des Wettkampfs jederzeit gewährleistet. Außerdem wurde noch nie ein olympisches Skispringen nach nur einem Durchgang beendet. Auch diesmal bitte nicht. Einen sehr überschaubaren Haufen Hartnäckiger auf den Tribünen freut's.

"Sehr gut ist nun mein Anspruch"

Dass Vierfacholympiasieger Simon Ammann fünf Mal vom Balken muss, zwischendurch in einer Wolldecke warmgerieben und erst im sechsten Versuch abgelassen wird – es ist nur eine kleine Randnotiz. "Im Weltcup wäre das Springen schon dreimal abgebrochen worden, weil das Fernsehen gesagt hätte, sie hätten keine Zeit mehr. Ich finde es toll, dass sie es durchgezogen haben", lobt der völlig überdrehte Bundestrainer Werner Schuster, der auf dem Weg zur goldenen "Tiger-Ceremony" im Vollsprint lässig eine hüfthohe Barikade überspringt und sich dem begeisterten, aber überraschten Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier spontan um den Hals hängt. Leicht gesprochene Worte sind das in dieser Nacht, sein Schüler ist schließlich Olympiasieger. Der vierte deutsche Einzelsieger, der erste seit Jens Weißflog 1994 in Lillehammer.

Wellingers Sieg ist freilich keine Überraschung. Der gerade einmal 22-Jährige hat sich seinen bereits zweiten Olympiasieg, nach Team-Gold in Sotschi 2014 und einem Horrorsturz im folgenden November, hart erarbeitet. "Früher habe ich nicht mit der Konsequenz trainiert, wie ich es heute tue. Ein Gut reicht mir nicht mehr. Sehr gut ist nun mein Anspruch", sagt er. Diesen Anspruch hat er sich in Pyeongchang voll erfüllt - bereits im ersten von drei Wettbewerben. "Der zweite Sprung war wirklich grandios", analysierte Schuster, der den neuen Olympiasieger 2011 von der Nordischen Kombination zu den Spezialspringern geholt hatte. "Und das bei dem Druck, den der Andi hatte."

Die Trainings hatte Wellinger dominiert, die Qualifikation gewonnen. Er war plötzlich Favorit. Mehr noch als Vierschanzentourneesieger Stoch. Mehr auch noch als sein in dieser Saison so starker Kumpel Freitag, der nach verpatztem zweiten Durchgang nur Zehnter wurde. Knapp hinter Eisenbichler (8.) und Karl Geiger (9.). Im ersten Durchgang drohte Wellinger an seinem hohen Anspruchsdenken zu scheitern. Nach 104,5 Metern lag er als Fünfter zwar nur einen Punkt hinter dem Zweiten Stoch, aber schon tüchtige 6,9 Zähler hinter dem überragenden Hula, der 111 Meter in den Schnee setzte. Ein Pfund auf der kleinen Schanze. Der "Andi" aber, sagte der Bundestrainer, "wusste die ganze Zeit, dass er hier gewinnen kann". Er sei fokussiert geblieben. Er musste halt nur sein Ding machen. Mit Schanzenrekord. Und Top-Wind.

Wellinger bemühte sich derweil auch noch eine Stunde nach dem größten Erfolg seiner Karriere verzweifelt, den Triumph zu realisieren. Wiederholt stammelte er: "Das werde ich wohl erst in einigen Tagen verstehen. Das kriege ich im Moment absolut noch nicht in den Kopf. Das fühlt sich anders an als das Gold von Sotschi. Es heute allein zu schaffen, ist was ganz Besonderes." Darauf ein Weißbier! "Ich hoffe doch, dass ich schnell irgendwo oans herbekomme Aber erst mal muss ich noch bei der Dopingkontrolle einen Becher vollmachen. Hat jemand ein Glaserl Whiskey dafür?"

Quelle: ntv.de

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