Gute-Laune-Onkel und elitärer Proll Londons Bürgermeister irritiert

Johnson liebt die Öffentlichkeit.

Johnson liebt die Öffentlichkeit.

(Foto: dpa)

Er ist ein Clown und ein Hampelmann: Boris Johnson ist der Bürgermeister von London. Und wenn er so weitermacht, wird er vermutlich der eigentliche Star der Olympischen Spiele werden. Denn mit seinem skurrilen Auftritten stiehlt er Sportgrößen und Olympia-Funktionären die Show. Dafür lieben und hassen in die Londoner.

Jacques Rogge schaute dann doch ein bisschen irritiert. Der distinguierte Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) hatte seine Ansprache zur Eröffnung des Olympischen Dorfes gerade beendet, da stieß Boris Johnson schon die Faust in die Luft und rief: "Great speech!" Es sah ein bisschen so aus, als feiere ein leicht enthemmter Besucher eines Schützenfests den Sieger des Vogelschießens. Es war ein typischer Boris Johnson. Wenn schräge Auftritte eine olympische Disziplin wären, der Bürgermeister von London hätte die Goldmedaille sicher.

Johnson liebt große Gesten.

Johnson liebt große Gesten.

(Foto: AP)

Als Johnson von seinem Amtskollegen Guo Jinlong bei der Schlussfeier der Spiele in Peking die Flagge mit den fünf Ringen entgegennahm, konterkarierte er die Würde des Augenblicks, indem er in einem Anfall von Ekstase das Banner wie wild herumschwenkte. Kurz darauf rief er auf der Party im London-House in Peking: "Ping pong is coming home."

Neue Frisur vermiest Wettquoten

Im sportlichen Leben des Boris Johnson spielt auch Maurizio Gaudino eine Rolle. Der ehemalige deutsche Fußball-Nationalspieler traf den Politiker bei einem Benefizspiel im Mai 2006 - genau genommen: Er wurde getroffen. Johnson kam in der 85. Minute ins Spiel, kurz darauf rammte er Gaudino im Stile eines Rugby-Spielers Kopf und Schulter in die Magengrube. "Ich wollte den Ball mit meinem Kopf treffen. Das ist meines Wissens erlaubt", sagte Johnson. Shocking? In London, in England lieben sie Johnson für seine peinlichen Auftritte und politisch unkorrekten Bemerkungen. Am Montag sorgte er erst mal für Hektik bei den englischen Buchmachern: Er hatte sich seine blonden Haare schneiden lassen. Der zerzauste Wischmopp auf seinem Kopf war einem akkuraten Schnitt gewichen. Sofort sank die Quote dafür, dass sich Johnson beim Tragen des Olympischen Feuers die Haare verbrennt, von 100:1 auf 66:1.

Johnson liebt den großen Auftritt.

Johnson liebt den großen Auftritt.

(Foto: dpa)

Johnson ist 48 Jahre alt. Er heißt mit vollem Namen Alexander Boris de Pfeffel Johnson. Seine Urgroßmutter väterlicherseits ist eine Nachfahrin von Prinz Paul von Württemberg. Johnson studierte in Oxford, er war als Journalist für die traditionsreichen Zeitungen The Times und The Daily Telegraph tätig und später Herausgeber des konservativen Magazins The Spectator. 2001 wurde er ins Parlament gewählt, 2008 erstmals zum Mayor von Europas größter Stadt. Seit Tagen ist Johnson nun in seinem Element. Der Bürgermeister, wie immer gut gelaunt und mit einem erfrischenden Hang zur Komik, ist allgegenwärtig. Er versucht, den Bewohnern seiner Stadt die miese Stimmung auszureden, selbst den drohenden Verkehrskollaps verkauft er als folkloristischen Beitrag zur größten Show der Welt. Bei der Eröffnung der IOC-Session am Montagabend trug er ein bei einem Studienkumpel in Auftrag gegebenes Gedicht vor: in Altgriechisch.

Geliebt oder gehasst

Rechtzeitig vor der Eröffnungsfeier ist in Deutschland ein Buch erschienen, das Johnson schon im Jahr 2004 geschrieben hat. ist eine Satire über Terroristen, es geht um eine Gruppe trotteliger Selbstmordattentäter, die London heimsuchen und von den Jungfrauen im Paradies träumen. In England wurde das Werk geliebt oder gehasst - ganz wie der Verfasser. Johnson versteht sich als erster Fan der Olympischen Spiele und eine Art Gute-Laune-Onkel. Er gibt außerdem überall seinen Senf dazu - auch ungefragt. Auf seiner Homepage schreibt er Kommentare zu den Themen das Alltags, zuletzt gab er den Olympia-Touristen den wertvollen Hinweis: "Sie werden feststellen, dass London zweimal so viele Buchläden hat wie New York, mehr Restaurants mit Michelin-Sternen als Paris - und weniger Regen als Rom."

Und irgendwie scheint auch Jacques Rogge, scheinen die hohen Damen und Herren der Ringe diesen Johnson, diesen elitären Proll, zu mögen. Am Montag war er in der Tat der Star der gediegenen IOC-Gala in der Royal Opera in London, er stellte das Königliche Ballett oder Weltstars wie Placido Domingo problemlos in den Schatten. Nach dem emotionalen, gestenreichen Vortrag seiner olympischen Ode erntete er einen Sturm der Begeisterung. Auch Rogge applaudierte.

Quelle: ntv.de, Thomas Häberlein, sid

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen