"Ich hatte Angst um mein Leben" Snowboarder erleben Olympia der Schmerzen
12.02.2018, 08:09 Uhr
Die Windverhältnisse auf dem Slopestyle-Kurs waren grenzwertig.
(Foto: imago/Bildbyran)
Absolut unstrittig ist der erneute Olympiasieg der Snowboarderin Jamie Anderson, die Historisches schafft. Absolut umstritten ist aber, dass der Wettbewerb überhaupt stattfindet. Der Wind sorgt für Angst und teils schwere Stürze - für eine Deutsche mit fatalen Folgen.
Die Fahrt zum zweiten Gold wurde zum Schaulaufen. Noch ehe Jamie Anderson im Finale des Slopestyle-Wettbewerbs der Snowboarder ihren zweiten Lauf über Hindernisse und Rampen begann, war ihr klar: Ich bin Olympiasiegerin. Die Amerikanerin hatte im ersten Finaldurchgang grandios vorgelegt, die Konkurrenz konnte trotz hohen Risikos nicht mehr kontern. Anderson erfuhr davon oben am Start des Parcours, klatschte sich überrascht mit beiden Händen auf den Helm - und fuhr entspannt als erste Snowboarderin einem zweiten Olympiagold entgegen. Die große Favoritin war die würdige Siegerin eines fragwürdigen Wettbewerbs.

Golden Girl: Jamie Anderson verteidigte in Pyeongchang ihren Olympiasieg von 2014.
(Foto: imago/Bildbyran)
Starker Wind beeinträchtigte die Boarderinnen vor allem bei den hohen Sprüngen. Über Todesangst klagte die am Ende der Windlotterie viertplatzierte Norwegerin Silje Norendal hinterher unter Tränen. Die Deutsche Silvia Mittermüller musste bereits nach dem Training vor den beiden Finalläufen auf einen Start verzichten: Eine Windböe habe sie erwischt, "ich war deshalb zu kurz und habe mir am Knie weh getan", schrieb sie auf Twitter und ergänzte. "Ich habe alles versucht ... ob es die richtige Entscheidung war? Ich weiß es nicht." Die Antwort gaben ihr wenig später die Ärzte, die einen Meniskusriss diagnostizierten. "Das war's mit olympischem Snowboarden für mich", schrieb sie bei Instagram über Röntgenaufnahmen ihres Knies.
Der Sieg der 27 Jahre alten Anderson war unstrittig. Sie legte im ersten Durchgang 83,00 Punkte vor, das zwang die Konkurrenz im zweiten Durchgang alles zu riskieren - bei widrigen, zum Teil unberechenbaren Bedingungen. Medaillenglück hatten am Ende auch Laurie Blouin (Kanada), Weltmeisterin 2017, mit Silber (76,33 Punkte) sowie Enni Rukajärvi (Finnland/75,38) mit Bronze. Dass das Slopestyle-Finale ausgetragen wurden, konnte Rukajärvi trotzdem nicht nachvollziehen: "Es war ziemlich gefährlich. Man wusste nicht, was einen erwartet. Sie hätten es absagen oder verschieben sollen."
"Nur noch hinsetzen und weinen"
Nach dem Wettbewerb mit den Nerven völlig am Ende war die norwegische Medaillenanwärterin Silje Norendal, die das Podest knapp verpasste. "Ich war sehr irritiert darüber, dass das Finale gefahren wurde", sagte sie und berichtete unter Tränen: "Ich wollte mich einfach da oben nur noch hinsetzen und weinen. Mein Körper hat zwei Stunden lang gezittert, weil ich Angst hatte zu fahren." Sie fuhr dann doch, wurde nach einem wackeligen Vortrag Vierte und klagte bei Eurosport Norwegen: "Ich weiß gar nicht mehr, was während des Laufs passiert ist, weil ich Angst um mein Leben hatte."
Tess Coady (Australien), die einen Kreuzbandriss erlitt, und der Niederländer Niek van der Velden (Oberarmbruch) führten ihre Stürze ebenfalls auf den Wind im Phoenix Snow Park zurück. An den vergangenen Tagen hatte es auch bei den Herren mehrere Stürze gegeben. Der norwegische Snowboarder Mons Röisland brach sich im Training das Brustbein, außerdem riss er sich die Bänder in der Schulter. Röisland sprach vom "schlimmsten Sturz meines Lebens", Olympia in Pyeongchang ist "für mich vorbei - schweren Herzens".
Die Aufregung der Snowboarder war umso verständlicher, weil am Sonntag bei ähnlichen Windverhältnissen die Qualifikation gestrichen worden war. Und während der Wettbewerb dann am Montag mit 75-minütiger Verspätung gestartet wurde, war im etwas weiter östlich gelegenen Yongpyong der Riesenslalom der Frauen bereits abgesagt worden - wegen des starken Windes. Das IOC wies die Verantwortung dafür zurück. Die Durchführung der Wettbewerbe seien die jeweiligen Weltverbände zuständig. Die Snowboarder sind dem Internationale Skiverband untergeordnet.
Quelle: ntv.de, cwo/sid