Ein EM-Sieg als Signal Deutscher Sturmlauf in die Zukunft
23.06.2012, 11:55 Uhr
(Foto: dapd)
Was ist denn jetzt los? Bundestrainer Joachim Löw baut die deutsche Fußball-Nationalmannschaft auf drei Positionen um, und plötzlich mutiert die DFB-Elf zur Tormaschine. Zwei Gegentreffer sind auch in einem Viertelfinale egal, wenn man doppelt so viele schießt. Kontern war WM 2010, stürmen ist EM 2012.
Der endgültige Beweis für Joachim Löws Allmacht ist erbracht, fast. Deutschland ist jetzt mit 15 Pflichtspielsiegen in Folge alleiniger Weltrekordhalter im Fußball. Das griechische Abwehrbollwerk, das Polen ein Remis abrang und die Russen erst nach Hause und dann noch in einen Video-Skandal schickte, ist überwunden, zerlegt, zerstört. Zumindest für die Dauer der EM 2012. Ernsthaft - diese deutsche Fußball-Nationalmannschaft ist ein Beweis dafür, wie Statistiken widerlegt werden können. Mit Offensivfußball, mit Direktspiel und Konzentration.
Kostprobe? Erstens: Die letzten acht EM-Spiele mit deutscher Beteiligung endeten mit einem Tor Unterschied. Diese Serie ist vorbei, das Viertelfinale gegen Griechenland endete 4:2 (1:0). Zweitens: In ihren zehn Qualifikationsspielen bekamen die Hellenen nie mehr als ein Gegentor, insgesamt waren es fünf. Die DFB-Elf schoss in einem Spiel mal eben vier. Auch wenn es in der ersten Halbzeit nicht danach aussah, und nach dem griechischen Ausgleich in Durchgang zwei noch weniger.
Säulen und Struktur
Was danach passierte, war gemessen an diesen Daten fast phänomenal. Die griechische Defensive brach zeitweise auseinander. Mesut Özil, André Schürrle, Marco Reus und Miroslav Klose machten das, was erhofft wurde: Sie wirbelten, wechselten Positionen, schossen aus fast allen Lagen – aber ohne die Struktur im Spiel zu verlieren. Die Säulen dafür waren Sami Khedira und Bastian Schweinsteiger im Mittelfeld dahinter.
Der Coup von Joachim Löw, die in diesem Turnier seltsam ausrechenbaren Lukas Podolski und Thomas Müller nach den effektiven, aber biederen Vorrundenpartien auszutauschen, war richtig. Nur so konnten die Risse im griechischen Beton so breit werden, dass die Schüsse der deutschen Schützen hindurch passten. Dass die Hellenen dann auch selbst zweimal trafen, ist ärgerlich; aber verkraftbar.
Es sind zwei Bilder, die den Unterschied zwischen vier und zwei Treffern und damit die deutsche Durchsetzungskraft symbolisieren: Als Sami Khedira heranrauscht, den rechten Fuß hochreißt und damit eine Flanke zum 2:1 volley ins Netz drischt. Und Marco Reus in seinem ersten EM-Spiel, der den Ball nicht ins leere Tor schiebt, sondern aus vollem Lauf ebenfalls volley so abfeuert, als sei der Torwart noch längst nicht überwunden; das Spielgerät trifft nach herrlicher Flugkurve die Unterkante der Latte und schlägt ein. Der ganze Siegeswille lag in diesen beiden Schüssen.
Agierende Mannschaft
Bei der WM 2010 in Südafrika hatte sich die Fußballwelt noch die Augen gerieben wegen der plötzlichen Stärke der DFB-Elf, die mit ihren schnellen Nachwuchskräften England und Argentinien überrumpelten. Doch Schnelligkeit reicht nicht mehr gegen Gegner, die auf die Konter der Deutschen eingestellt sind. Löws Mannschaft muss nun agieren, Lücken finden. Variable Außenspieler wie Schürrle und Reus sind die passenden Akteure – wenn sie mit Özil und Klose im Angriffszentrum Anspielstationen haben.
Als erste Amtshandlung der dribbelwütigen deutschen Flügelzange wurden also die Granit-Griechen geknackt. Was nun? Es ist spätestens jetzt klar, dass der Titel 2012 für das deutsche Team realistisch ist. Die verbleibenden Mannschaften bei der EM dürften das Signal dieses Sieges verstanden haben.
Quelle: ntv.de