Unzufriedener Edelreservist Kroos will mehr spielen
18.06.2012, 14:52 Uhr
Will nach seiner starken Bundesliga-Saison mehr Einsatzzeit als nur ein paar Minuten pro Spiel.
(Foto: picture alliance / dpa)
Die Stimmung ist gut nach dem Sieg gegen Dänemark. Aber es gibt auch Unzufriedene im Team von Joachim Löw. Der erste Nationalspieler, der bei der EM seinen Unmut äußert, ist Mittelfeldspieler Toni Kroos. Die DFB-Verantwortlichen sind bemüht, den Konflikt herunterzuspielen. Die Harmonie sei nicht in Gefahr, versichert Oliver Bierhoff.

Toni Kroos kanm bislang bei drei EM-Spielen zum Einsatz, stand aber insgesamt nur 20 Minuten auf dem Platz.
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Der erste Edelreservist muckt auf, doch Toni Kroos hat den Betriebsfrieden bei der deutschen Nationalmannschaft damit nicht sonderlich gestört - zumindest laut offizieller Darstellung. "Ich weiß nicht, ob das ein Motzen ist. Ich bin da nicht so überempfindlich", sagte Bundestrainer Joachim Löw gelassen, "das eine oder andere falsche Wort will ich nicht an die große Glocke hängen. Ich sehe Ehrgeiz, den Drang zu spielen." Auch Oliver Bierhoff fand die Aussagen des Münchner Offensivspielers "nicht wahnsinnig verrückt". Toni Kroos habe "natürlich auch einen Anspruch", sagte der Teammanager.
Kroos hatte in einem Interview gemurrt und den Verdacht erweckt, ein Stinkstiefel zu sein. "Befriedigend ist das alles nicht. Gerade nach der Saison, die ich gespielt habe, ist es doch logisch, dass ich spielen will", hatte der 22 Jahre alte Mittelfeldspieler gesagt - und damit den Frust über seine bisherigen Einsatzzeiten rausgelassen. Kroos war gegen Portugal in der 87., gegen die Niederlande in der 81. Minute eingewechselt worden.
Auch der künftige Dortmunder Marco Reus, von seinen Bundesligakollegen immerhin zum besten Spieler der Saison gekürt, hat sich die Zeit in Polen und der Ukraine anders vorgestellt. "Natürlich bin ich in der Hoffnung zum Turnier gefahren, auch zum Einsatz zu kommen", sagte Reus, der in den ersten beiden Spielen gar nicht berücksichtigt wurde, auf der Verbandshomepage. Der Gladbacher kann und will sich mit der Rolle des Ersatzspielers nicht anfreunden. "Für mich ist es brutal schwer, auf der Bank zu sitzen und nicht ins Spiel eingreifen zu können. Ich kenne es nur so, dass ich in der Mannschaft auf dem Rasen gebraucht werde. Wenn ich auf der Bank sitze, weiß ich gar nicht so recht, wie ich mich verhalten soll. Diese Situation ist für mich total ungewohnt", sagte er.
"Es ist eine neue Situation für mich"
Weitaus gelassener gehen - nach außen - die alten Haudegen Per Mertesacker und Miroslav Klose mit ihrem unerwarteten Reservistendasein um. "Ich respektiere die Entscheidung des Trainers und freue mich für Mario. Ich werde ihn genauso unterstützen, wie er mich bei der EM 2008 und der WM 2010 unterstützt hat. Das ist für mich eine Selbstverständlichkeit", sagte der Torjäger, dem Mario Gomez auf unabsehbare Zeit den Rang abgelaufen hat. Auch Mertesacker versucht, gute Miene zum bösen Spiel zu machen. "Es ist eine neue Situation für mich. Ich muss diese neue Rolle so schnell wie möglich annehmen und schauen, dass ich auch so der Mannschaft helfen kann", sagte der England-Legionär vom FC Arsenal, der wie Klose durch eine Verletzung um den EM-Stammplatz gebracht wurde.
Für den ehemaligen DFB-Kapitän Bierhoff ist es normal, dass die Ersatzspieler auch einmal verbal Druck ausüben, nur die Harmonie im Team dürfe nicht nachdrücklich gestört werden. "Für uns ist wichtig, wie sich ein Spieler in der Mannschaft verhält, und da sehen wir keine Problematik. Da kommt mal eine flapsige Aussage oder einer äußert mal seine Unzufriedenheit, das ist nicht so schlimm. Ich freue mich sogar, wenn die Spieler unzufrieden sind, wenn sie nicht spielen. Das zeigt, dass sie hier nicht nur irgendwie ihre Zeit verbringen wollen", sagte der Teammanager und ergänzte: "Wichtig ist, dass sich die Reservisten immer zum Wohle der Mannschaft einsetzen".
Das sieht auch Löw so. "Die Mannschaft lebt davon. Alle, die dabei sind, können auch spielen. Sie sind alle in guter Form. Die, die noch nicht so viel oder gar nicht gespielt haben, üben im Training Druck aus und verhalten sich immer vorbildlich", sagte der Bundestrainer, der Gefallen an dieser Situation findet: "Es ist ein gutes Gefühl, wenn ich weiß, dass von der Bank immer Qualität in unser Spiel kommt." Wichtig sei es aber schon, alle bei Laune zu halten. Da muss sich Löw zumindest vorerst keine Sorgen machen. "Bei uns ist die Stimmung super", twitterte André Schürrle, der in den ersten beiden Spielen nur Zuschauer gewesen war, am Tag vor dem letzten Gruppenspiel.
Quelle: ntv.de, Jürgen Zelustek und Thomas Niklaus, sid