Jetzt die Griechen aus der EURO kicken Löws coole Säue trotzen der Weltregie
18.06.2012, 06:11 Uhr
Die Startelf im Spiel gegen Dänemark.
(Foto: dpa)
Dass die deutschen Fußballer bei der EM nun im Viertelfinale gegen Griechenland spielen dürfen, verdanken sie auch einem Siegertypen, der Miroslav Klose frech den Ball klaut und einfach in des Gegners Tor schießt. Mann des Spiels gegen die Dänen ist aber Jubilar Lukas Podolski. Sagt zumindest die Weltregie.
Wir wissen nicht, ob Sie es gesehen haben, die Weltregie hat es wahrscheinlich ausgeblendet. Aber Joachim Löw hat sich tatsächlich nach dem Sieg gegen Dänemark eine rote Pappnase aufgesetzt und ist mit freiem Oberkörper durchs Lemberger Stadion geflitzt. Nein, war nur ein Scherz. Kein Scherz hingegen ist, dass der Bundestrainer und Deutschlands beste Fußballer bei der Europameisterschaft das Viertelfinale erreicht haben und nun am kommenden Freitag in Danzig gegen Griechenland spielen.
Dafür mussten sie sich allerdings schon ein wenig quälen und auch ein wenig zittern, am Ende stehen aber aus drei Spielen in der Vorrunde maximale neun Punkte. Das sind neun Punkte mehr als die Niederländer. Was die Fernsehbildlieferanten der Uefa sonst noch ausgeblendet haben, das lesen Sie hier. Die deutschen Spieler in der Einzelkritik:
Manuel Neuer: Kurz nach dem Ausgleich nach 24 Minuten hat es dem Torhüter des FC Bayern dann gereicht. Er explodierte in nahezu Kahn’scher Manier und brüllte seine Abwehrspieler an. Das Problem war nur, dass die ihm allesamt den Rücken zudrehten. War aber nicht böse gemeint, die Kollegen mussten halt gucken, was vorne so läuft. Ansonsten hatte Manuel Neuer, 26 Jahre alt, in seinem 29. Länderspiel an diesem schönen, wenn auch etwas drückend warmen Juniabend in Lemberg nicht allzu viel zu tun, spielte aber stets aufmerksam mit und beteiligte sich mitunter am Spielaufbau. Einmal hatte er Glück, als nach 51 Minuten der vom Dänen Jakob Poulsen geschossene Ball an den Außenpfosten prallte, einmal war er machtlos, als Michael Krohn-Dehli den Ball per Kopf ins Tor beförderte. Ob die Weltregie gezeigt hat, wie er nach einer halben Stunde beinahe auf die Pressetribüne auf Höhe der Mittellinie stürmte, um einen Ball noch zu erwischen, wissen wir nicht.
Lars Bender: Kam ins Team, weil sich Jérome Boateng im zweiten Spiel gegen die Niederlande seine zweite Gelbe Karte abgeholt hatte. Spielte der Überlieferung nach mit seinen 22 Jahren zum ersten Mal in seinem Leben als rechter Außenverteidiger. Und das neunte Länderspiel des Leverkuseners war zugleich sein erstes von Beginn an. Und, Sie ahnen es, er machte das gut. Nicht nur, weil er zehn Minuten vor dem Ende der Partie den Siegtreffer erzielte, der, Sie ahnen vielleicht auch das, sein erster für die deutsche Nationalmannschaft war. Nein, er verteidigte solide und unaufgeregt und betätigte sich nach anfänglicher Zurückhaltung sogar einige Male in der Offensive. Klar, sonst hätte er ja auch nicht das Tor schießen können. Bundestrainer Joachim Löw sagte hinterher, er habe schon immer gewusst, dass Lars Bender das kann. Er sei wie sein Zwillingsbruder Sven von Borussia Dortmund, der nicht mit in die Ukraine und nach Polen fahren durfte, "ein echter Siegertyp", der "keinen überzogenen Respekt vor dem Gegner habe". Man könnte auch sagen, Lars Bender ist eine coole Sau. Das sagte der Bundestrainer aber nicht. Was er auch nicht sagte: Er hat jetzt ein kleines Problem, da Jérome Boateng im Viertelfinale gegen Griechenland spielen dürfte. Eine Lösung wäre, dass Bender spielt, die Weltregie aber Boateng zeigt. Oder umgekehrt.
Mats Hummels: Es gibt da tatsächlich einen Schalker, der den Innenverteidiger von Borussia Dortmund mit dem Kaiser vom FC Bayern verglichen hat - als der noch Fußball spielte. "Er ist ein bisschen wie Beckenbauer", hatte Ex-Nationalspieler Olaf Thon gesagt. Wir wissen nicht, ob das stimmt. Was wir aber wissen ist, dass Mats Hummels, 23 Jahre alt, sein 17. Länderspiel in gewohnt souveräner EM-Manier absolvierte und ihm Lars Bender ganz bestimmt nicht seinen Job wegnehmen wird, obwohl der ja offensichtlich alles kann. Ahnte oft, wo die Dänen die Bälle hinspielen würden, fing sie ab und leitete die Konter ein. Hat, wie er nach dem Sieg gegen die Niederlande sagte, großen Spaß, zum ersten Mal bei so einem großen Turnier gegen sehr gute Gegner zu spielen. Und dann auch noch zu gewinnen. "Das ist großartig." Wenn er so weitermacht, könnte er einen gehörigen Anteil daran haben, dass das bis auf Weiteres auch so bleibt.
Holger Badstuber: Verteidigte, was zu verteidigen war, und darf sich weiter daran erfreuen, als unauffällig, aber sehr solide zu gelten. Auf dieser Position durchaus ein Kompliment. Der 23-jährige Innenverteidiger des FC Bayern München hatte in seinem 23. Länderspiel gegen den dänischen Angriffshünen Nicklas Bendtner allerdings keinen leichten Job. Und wer weiß, wie gut der Münchner in der Lage ist, das Spiel nach vorne anzukurbeln, indem er den Ball schön schräg durchs Mittelfeld des Gegners zum Mitspieler passt, der war vielleicht ein wenig enttäuscht, dass er das diesmal nur sehr selten machte.
Philipp Lahm: Der Kapitän durfte auf der linken Seite der Viererabwehrkette bleiben, damit er sich, nachdem er zuletzt beim FC Bayern rechts gespielt hatte, nicht umstellen muss. Zu Ungunsten des Dortmunders Marcel Schmelzer, der weiter auf seinen ersten Einsatz bei dieser EM warten muss. Und vermutlich auch noch länger warten wird. Philipp Lahm jedenfalls war mit seinen 28 Jahren wieder ältester Spieler in der Startelf. Er zeigte in seiner 89. Partie für die DFB-Elf wieder einer gute, energische Leistung und hatte auf seiner Seite alles im Griff. Zumal sich vor ihm Lukas Podolski daran hielt, was Philipp Lahm vor der Begegnung der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" gesagt hatte: "Heute ist es eben nicht mehr so, dass vier Spieler verteidigen und die anderen schauen zu." Ging überlegt mit seinen Kräften um und dosierte seine Vorstöße in die dänische Hälfte. Hat sich daran erinnert, wie das beim Auftaktsieg gegen Portugal war. "Für mich war das erste Spiel der Ausnahmezustand. Es war das schwerste Spiel meiner Karriere. Da habe ich nach fünf Minuten gedacht, dass ich mich auswechseln lassen muss."
Sami Khedira: Der Madrilene zeigte gegen die Dänen in seinem 30. Länderspiel einen enormen Drang, mit dem Ball am Fuß in die gegnerische Hälfte zu stürmen, ohne dabei seinen Absicherungsauftrag als eine Hälfte der Doppelsechs vor der Viererabwehrkette aus den Augen zu verlieren, den er mit seiner Zweikampfstärke ordnungsgemäß erfüllte. Wanderer zwischen den Strafräumen, aber ein ganz fixer. Leitete nach 80 Minuten auch den entscheidenden Konter ein, den Mesut Özil fortführte, indem er den Ball auf Miroslav Klose passte. Oder besser: passen wollte. Denn Lars Bender, frech kommt weiter, sprintete dazwischen und schoss das Tor.
Bastian Schweinsteiger: Sein Pech war, dass er beim Tor der Skandinavier nach einem Eckball auf den dänischen Angriffshünen Nicklas Bendtner aufpassen sollte. Ein schlechter Plan. Er sprang zwar auch ein wenig hoch, aber Bendtner hatte keine Mühe, den Ball per Kopf seinem Kollegen Michael Krohn-Dehli zu servieren. Sei's drum. Bastian Schweinsteiger, 28 Jahre alt und einer von wieder sieben Bayern in der Startelf, zeigte in seinem 93. Länderspiel nämlich ansonsten als zweite Hälfte der Doppelsechs das, was der Bundestrainer und auch die Zuschauer von ihm sehen wollen: Präsenz. War oft am Ball und kam viel rum. Und in der Phase nach dem Ausgleich der Dänen und der Führung der Portugiesen gegen die Niederländer, als allen klar war, dass die deutsche Mannschaft ausscheidet, wenn sie diese Partie verliert, war er es, der das Spiel des DFB-Teams beruhigte und in geordnete Bahnen lenkte.
Thomas Müller: Rieb sich von Beginn an unwahrscheinlich auf, hatte hinterher die meisten Grasflecken auf dem weißen Trikot, aber weiterhin kein Glück, auch nach seinem 30.Länderspiel bleibt der 22-jährige Mittelfeldspieler des FC Bayern bei zehn Toren stehen. Ansonsten aber ist stehen bleiben genau das, was er nie tut. Unermüdlich versuchte er auf der rechten Seite, die dänischen Abwehrspieler zu verwirren und eine überraschende Lösung zu finden, wie er seinen Teil dazu beitragen kann, die Abwehr des Gegners auszuhebeln. Wich gegen Ende der ersten Halbzeit in die Mitte und den linken Flügel aus, Jubilar Lukas Podolski tat es ihm in die entgegengesetzte Richtung gleich. Flexibel, alles gut. Eigentlich. Das klingt so banal, aber was Thomas Müller braucht, ist ein Tor. Die letzten sechs Minuten durfte sein Vereinskollege Toni Kroos auf den Rasen. Dennoch, Thomas Müller ist und bleibt wertvoll für die Mannschaft, vielleicht klappt es ja gegen Griechenland.
Mesut Özil: Gerade als sich die Herren der Weltregie gefragt haben mögen, wo denn eigentlich Mesut Özil ist, und schon drauf und dran waren, ein Szene aus dem Archiv einzublenden, da spielte der zweite Madrilene in der DFB-Elf nach Zuspiel des anderen Madrilenen den Ball wunderbar weiter zum eingewechselten Miroslav Klose. Der dann allerdings zu spät kam, weil Lars Bender schneller war. Aber bis auf kleinere Kunstpausen war Mesut Özil, 23 Jahre alt, in seinem 36. Länderspiel durchaus wertvoll für sein Team, wenn auch der krönende Abschluss fehlte. Der Bundestrainer formulierte das so: "Er ist viel gelaufen, war sehr ballsicher. Er muss nur bessere Pässe in die Tiefe spielen." Aber einmal hat es ja geklappt. Gegen die Dänen hat das gereicht.
Lukas Podolski: Alaaaaf! 100. Länderspiel für den Immer-noch-Kölner. Und das mit 27 Jahren und 13 Tagen. Jünger als jeder andere Europäer vor ihm in diesem exklusiven Klub. Legte los wie die Feuerwehr und erzielte prompt nach 19 Minuten die deutsche Führung und sein 44. Tor im Nationaltrikot. Die Weltregie von der Uefa wählte ihn hinterher zum Mann des Spiels, weil er ein Tor geschossen und sein 100. Länderspiel absolviert hatte. Und nicht, weil er wieder prima und sehr emsig mithalf, in der eigenen Hälfte gegen die Dänen zu verteidigen. Wie sagte doch Käpt'n Lahm: "Heute ist es eben nicht mehr so, dass vier Spieler verteidigen und die anderen schauen zu." Lukas Podolski hat das durchaus verstanden. Und deutete zart an, dass ihm das mit dieser Ehrung nicht ganz so wichtig ist. Wird auch im Viertelfinale in der Startelf stehen, um mitzuhelfen, die Griechen aus der EURO zu kicken. Auch wenn der Leverkusener André Schürrle, der nach 64 Minuten freudestrahlend für ihn ins Spiel kam, loslegte wie die Feuerwehr und drei Minuten später beinahe das 2:1 erzielt hätte.
Mario Gomez: Da wir nicht glauben können, dass die Weltregie mittlerweile auch für die Zuschauer im Stadion das Geschehen auf dem Rasen manipulieren kann, gilt es tatsächlich zu berichten, dass der 27 Jahre alte Stürmer des FC Bayern sich in seinem 55. Länderspiel emsig und mitunter durchaus erfolgreich bemühte, mitzuspielen und in der Abwehr auszuhelfen. Und er bereitete fein mit der Hacke das 1:0 von Lukas Podolski vor. Allerdings schoss er dieses Mal selbst kein Tor, nachdem er in den ersten beiden Vorrundenspielen die Rechte auf deutsche Tore exklusiv innehatte. Beim 2:1-Sieg gegen die Niederlande in Charkow zum Beispiel hatte Mario Gomez laut Statistik der Uefa ganze 18 Sekunden den Ball, erzielte aber beide Treffer. Wir geben das mal unter Vorbehalt weiter. Nach 74 Minuten nahm Bundestrainer Joachim Löw ihn heraus, Miroslav Klose, mit 34 Jahre der Senior im Team, kam zu seinem 119. Länderspiel. Und hätte beinahe sein 64. Tor erzielt. Aber die Geschichte kennen sie ja. Wobei: Vielleicht hat die Weltregie da noch etwas auf Lager.
Quelle: ntv.de