Fehlentscheidung in Donezk Ukraine tobt nach dem Torklau

Der Ball war drin - doch der Treffer zählte nicht. Pech für die Ukraine.

Der Ball war drin - doch der Treffer zählte nicht. Pech für die Ukraine.

(Foto: dpa)

Drin oder nicht drin? Angreifer Marko Devic erzielt ein Tor – doch die Pfeife des Schiedsrichters bleibt stumm. Das nicht gegebene ukrainische Tor im letzten EM-Gruppenspiel gegen England erhitzt die Gemüter. Während die Ukrainer toben, entfacht die alte Diskussion um neue Torlinientechnologien.

Stichwort Torrichter
  • Torrichter heißen offiziell "Additional Assistant Referees" und werden von der Uefa in internationalen Wettbewerben eingesetzt. Von diesen zusätzlichen Assistenten des Schiedsrichters steht einer neben jedem Tor.
  • Die  Torrichter sollen "zwei zusätzliche Augenpaare" zur Verfügung stellen. Sie sollen "den Schiedsrichter über alle Regelverstöße informieren, die dieser möglicherweise verpasst hat".
  • Der Torrichter soll vor allem den Strafraum und dessen Umgebung überwachen, er darf allerdings seine Beobachtungen nur dem Schiedsrichter mitteilen. Die Kommunikation mit dem Schiedsrichter läuft über Funk.
  • Die Torrichter dürfen unterstützend eingreifen, aber keine Entscheidungen des Schiedsrichters korrigieren. Die Torrichter können den Schiedsrichter auf eine Fehlentscheidung hinweisen, diese darf dann zurückgenommen werden.
  • In erster Linie positionieren sich die Torrichter hinter der Torlinie, sie dürfen aber, um den Überblick zu behalten, bis in den Strafraum aufrücken, wenn sich das Geschehen auf der anderen Seite des Platzes abspielt.
  • Torrichter wurden von der Uefa in der Europa-League-Saison 2009/2010 eingeführt. Sie kamen und kommen erstmals auch in der abgelaufenen Saison der Chamnpions League und nun bei der EM-Endrunde zum Einsatz.

Eine fatale Fehlentscheidung des zusätzlichen Schiedsrichter-Assistenten hat den EM-Gastgeber Ukraine um ein mögliches Viertelfinale gebracht. Was war passiert? In der Donbass Arena in Donezk lief die 62. Minute.  Ein Schuss des ukrainischen Angreifers Marko Devic segelte über den bereits geschlagenen Torwart Joe Hart ins leere Gehäuse hinab - ehe Englands Routinier John Terry zur Rettungstat ansetzte und den Ball per Fallrückzieher zurück ins Spielfeld beförderte. Doch was alle TV-Kameras einfingen, was Millionen Menschen vor den Bildschirmen und Tausende im Stadion später zu sehen bekamen, sah der Torrichter nicht: Bei Terrys Rettungstat war der Ball zwar knapp, aber mit vollem Umfang hinter der Torlinie. Ein klares Tor also für den Co-Gastgeber. Doch der Unparteiische Viktor Kassai aus Ungarn entschied auf kein Tor.

Die Emotionen kochten hoch. Ukraines Trainer Oleg Blochin tobte nach dem Spiel: ''Nur das Glückstor der Engländer und der Schiedsrichter konnten uns bremsen. Sie haben uns ein Tor gestohlen. Die Schiedsrichter sind schuld, das war ein ganz klares Tor!"

"Das ist eine Tatsachenentscheidung", meinte dagegen Hart. Das Spiel lief weiter, die Ukraine war um den verdienten Ausgleich gebracht - und musste sich am Ende nach dem 0:1 durch das Tor von Wayne Rooney von dieser EM verabschieden.

Erneut Streit um Torlinien-Technik

Für Fifa-Boss Joseph Blatter ist die klare Fehlentscheidung Grund genug, erneut vehement die Einführung technischer Hilfsmittel zu fordern. "Nach dem Spiel der vergangenen Nacht ist die Torlinien-Technologie keine Alternative mehr, sondern eine Notwendigkeit", teilte der Chef des Fußball-Weltverbandes über den Kurznachrichtendienst Twitter mit.

Uefa-Präsident Michel Platini ist hingegen strikt dagegen. Der französische Chef der Europäischen Fußball-Union (UEFA) favorisiert nach wie vor den Einsatz von zwei Torrichtern. "Das ist das Turnier mit den besten Schiedsrichterleistungen bisher", hatte Platini noch am Montag in seiner Vorrundenbilanz gesagt und seine Kritik an der von der Fifa favorisierten Torlinientechnologie erneuert.

"Man braucht solche Systeme nicht, Technik, Satellit, GPS oder Chip im Ball", hatte der Franzose betont und zu Bedenken gegeben, dass das legendäre nicht gegebene Tor von Frank Lampard im Spiel gegen Deutschland bei der WM 2010 in Südafrika mit einem Torrichter auf alle Fälle erkannt worden wäre. "Weil es sein Job ist, zu sehen, ob der Ball hinter der Linie ist", sagte Platini.

Zur Erinnerung: Vor zwei Jahren bei der WM in Südafrika wurde England beim Spiel gegen Deutschland (1:4) ein Treffer von Frank Lampard aberkannt: Die Schiedsrichter hatten im Gegensatz zu Millionen von Zuschauern und fast allen Fans im Stadion nicht gesehen, dass der Ball nach dem Lattenschuss hinter die Torlinie gefallen war.

Trainer Fabio Capello sagte damals nach dem Spiel: ''Es ist unglaublich, dass in Zeiten moderner Technik und von fünf Schiedsrichtern solch eine Entscheidung gefällt wird.''

Die gleiche Diskussion entflammt nun bei der EURO 2012 aufs Neue. "Der Treffer hätte das Spiel verändert", ist sich der ukrainische Superstar Andrej Schewtschenko sicher, "ich denke nicht, dass es Diebstahl war, aber ich verstehe nicht, warum wir keine Technologie benutzen."

Der britische Premierminister David Cameron kommentierte das zu Unrecht nicht gegebene Tor übrigens so. "Torlinien-Technik?", fragte der Regierungs-Chef rhetorisch und flachste, "ich glaubte, es sei eine gute Idee, als Frank Lampards Tor nicht gegeben wurde. Ich muss nun nochmals ein bisschen darüber nachdenken, erwarte aber keine totale Kehrtwendung."

Quelle: ntv.de, dsi/dpa/sid

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