Wirtschaft

Der Preis für Milchprodukte fällt Aldi löst Preisschlacht aus

Preiskampf im deutschen Lebensmittelhandel setzt sich auch in der umsatzschwachen Ferienzeit fort. Der Einzelhandelsriese Aldi geht unter anderem mit verbilligtem Käse in die Offensive. Die Rivalen Norma, Edeka und Penny ziehen nach. Die deutschen Milchbauern sehen den Preisrutsch mit Entsetzen. Angesichts dramatisch niedriger Milchpreise fordern sie einschneidende Maßnahmen.

Wenn Milchprodukte immer billiger werden, gibt es in Deutschland irgendwann keine Milchbauern mehr.

Wenn Milchprodukte immer billiger werden, gibt es in Deutschland irgendwann keine Milchbauern mehr.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Der führende deutsche Discounter Aldi löste am Donnerstag die achte Preissenkungswelle des laufenden Jahres in der Branche aus. Die umsatzgewaltige Supermarktkette setzte den Rotstift bei verschiedenen Säften in PET-Flaschen und bei einigen Käsepackungen an, wie aus Werbematerialien des Unternehmens hervorgeht.

Die Konkurrenz reagierte prompt. Der Discounter Norma senkt ab sofort auch bei Säften und Käse Preise. Der größte deutsche Lebensmittelhändler Edeka will bei vergleichbaren Produkten in seinem Preiseinstiegsbereich ebenfalls die Preise anpassen. Das werde zeitnah erfolgen, sagte ein Sprecher von Edeka. Entsprechende Preissenkungen werde es auch bei der Edeka-Discountertochter Netto geben, ergänzte er.

Der zur Rewe-Gruppe gehörende Discounter Penny schloss sich am Donnerstag dem Abwärtstrend ebenfalls an und senkte die Preise für Orangensaft, Käse, Eis, Rasierklingen und Speiseöl in seinen fast 2400 Filialen in Deutschland spürbar.

Die neuerlichen Preissenkungen von Aldi mitten in der Urlaubszeit kämen überraschend, sagte Discount-Experte Matthias Queck vom Handelsforschungsunternehmen Planet Retail. Wenn ein Großteil der Verbraucher verreist ist, könnten die Preissenkungen nicht so stark wahrgenommen werden. Die Aldi-Preissenkungen umfassten diesmal aber nur eine kleine Zahl an Artikeln und hätten damit nicht den Umfang der vergangenen Monate.

Zu viel Milch im Markt

"Es handelt sich auch nicht um historische Tiefstpreise", berichtete der Experte. Der Preis für Orangensaft, der zweistellig gesenkt wird, falle nach Preissteigerungen in der Vergangenheit nun auf ein niedrigeres Niveau. Bei Käseprodukten nutze der Handel das Überangebot auf dem Milchmarkt zu Preissenkungen. Sowohl Säfte als auch Käse seien bedeutende Umsatzträger für Aldi.

Zwischen Kunden, die immer nur nach dem günstigsten Produkt suchen, und Bauern, die die Milchproduktion nach deutschen Hygienestandards aufgeben, besteht ein direkter Zusammenhang.

Zwischen Kunden, die immer nur nach dem günstigsten Produkt suchen, und Bauern, die die Milchproduktion nach deutschen Hygienestandards aufgeben, besteht ein direkter Zusammenhang.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Für Aldi haben sich die Preissenkungen Medienberichten zufolge bislang nicht ausgezahlt. Im ersten Halbjahr 2009 sollen die Aldi- Umsätze um 4,1 Prozent gesunken sein, wie das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" unter Berufung auf die Marktforschungsgesellschaft GfK berichtet hatte. Aldi selbst gibt traditionell keine Zahlen bekannt.

"Es handelt sich auch nicht um historische Tiefstpreise", berichtete der Experte. Der Preis für Orangensaft, der zweistellig gesenkt wird, falle nach Preissteigerungen in der Vergangenheit nun auf ein niedrigeres Niveau. Bei Käseprodukten nutze der Handel das Überangebot auf dem Milchmarkt zu Preissenkungen. Sowohl Säfte als auch Käse seien bedeutende Umsatzträger für Aldi.

Milchbauern in Schwierigkeiten

Angesichts der dramatisch niedrigen Milchpreise fordern die Milchviehhalter unterdessen, einen Teil der Produktion stillzulegen. Die Milcherzeuger seien nicht länger in der finanziellen Lage, auf politische Maßnahmen zu warten, sagte der Chef des Bundesverbands Deutscher Milchviehhalter (BDM), Romuald Schaber, in Freising.

Deshalb solle jeder Betrieb bis zu zehn Prozent der vorgesehenen Produktion stilllegen können, so Schaber. Dafür müsse es aber einen Ausgleich von den Molkereien geben. Wenn die Hälfte der Milchbauern mitmache, könne die bundesweite Milchherstellung um bis zu fünf Prozent sinken. Das entspreche der Überschussmenge am Markt.

Neuer Streikaktionen drohen

BDM-Sprecher Hans Foldenauer sagte dagegen, sollten Politik und Molkereien bei der Aktion nicht mitmachen, könne es sein, dass "den Bauern der Geduldsfaden reißt". So sei nicht ausgeschlossen, dass die Milchbauern dann noch vor der Bundestagswahl in den Streik treten oder es zu anderen Formen der "öffentlicher Unruhe" komme. "Bei uns auf den Höfen brennt es lichterloh", sagte Foldenauer. Die Bauern könnten ihre Rechnungen nicht mehr bezahlen.

Der Milchbauern-Verband hatte in den vergangenen Monaten mit Protestaktionen gegen die massiv gesunkenen Milchpreise demonstriert. Der Verband macht die von der EU beschlossene stufenweise Abschaffung der Milchquote für den Preisverfall verantwortlich.

"Bei uns auf den Höfen brennt es lichterloh": Vor der Bundestagswahl bekämen weitere Milchproteste besonderes Brisanz.

"Bei uns auf den Höfen brennt es lichterloh": Vor der Bundestagswahl bekämen weitere Milchproteste besonderes Brisanz.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Die Milchquote hatte die Milchmenge bisher begrenzt, damit auch kleinere Bauernhöfe ein Auskommen haben. Auch Umweltschützer sind für den Erhalt der Milchquote und weisen darauf hin, dass mit dem Erhalt einer kleinteiligen Familienlandwirtschaft auch die Kulturlandschaft erhalten wird.

Aigner schreibt nach Brüssel

Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner fordert von der EU-Kommission angesichts der dramatisch niedrigen Milchpreise mehr Hilfe für die Milchbauern. Gemeinsam mit ihren Kollegen aus sieben europäischen Ländern schrieb sie einen Brief an EU-Agrarkommissarin Mariann Fischer Boel. Die bisherigen Hilfen seien "bei weitem noch nicht ausreichend", heißt es darin. Deshalb solle eine vorübergehende Erhöhung der Interventionspreise für Milch geprüft werden. Dies ist eine von der EU festgelegte Preisgarantie, um den Markt zu stützen.

In dem gemeinsamen Brief sprechen sich Deutschland, Frankreich, Griechenland, Lettland, Litauen, Österreich, Slowakei und Slowenien für mehr Hilfen aus. "Die Kommission darf ihre Ambitionen nicht auf einen Maßnahmenkatalog beschränken, der auf die Verantwortung und die Instrumente der Mitgliedstaaten verweist", heißt es darin. Die acht Agrarminister verlangen neben der Prüfung höherer Stützungspreise, dass die Exporterstattungen für Butter, Milchpulver und Käse steigen. Es dürfe aber keine negativen Auswirkungen auf die Märkte in Entwicklungsländern geben.

Milchkühe notfalls "abwracken"?

Der Deutsche Bauernverband hält die Vorschläge für mutig. Dies sei aber ein dringend notwendiger Schritt zur Entlastung des Milchmarktes. Der Verband hatte sich auch offen für eine Schlachtung von Milchkühen gezeigt, um die Situation auf dem Milchmarkt zu entspannen.

Die europäischen Agrarminister hatten im Juli eine Verlängerung der Interventionskäufe von Butter und Milchpulver beschlossen. Die Bundesregierung hatte von einer "desaströsen Situation auf dem Weltmilchmarkt" gesprochen. Die EU kauft Butter und Magermilch auf, sobald die Preise unter ein gewisses Niveau fallen.

Quelle: ntv.de, mmo/AFP/dpa

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