Erstmals seit Frühjahr 2008 Allianz kauft wieder zu
08.06.2012, 18:26 Uhr
Allianz profitiert von der Schwäche der Konkurrenz.
(Foto: picture alliance / dpa)
In der Schwächephase der Konkurrenz kann die Allianz punkten. Europas größter Versicherer nimmt einen Millionenbetrag in die Hand - erstmals seit mehreren Jahren wieder - und stärkt sein Geschäft in Frankreich.
Der Versicherer Allianz gibt seine jahrelange Zurückhaltung auf und kauft erstmals seit Frühling 2008 wieder zu. Europas größter Versicherungdskonzern teilte mit, die Schaden- und Unfallsparte des französischen Maklers Gan Eurocourtage zu übernehmen und damit die Vertriebskraft in einem seiner Kernmärkte zu stärken. Der recht kleinen Akquisition könnten weitere folgen. Denn die Kasse des Münchner Dax-Konzerns ist prall gefüllt, zahlreiche Firmen sind momentan zu haben und die Konkurrenz kämpft in der Finanz- und Schuldenkrise häufig mit noch viel größeren Problemen.
Gan Eurocourtage bekommt die Allianz für überraschend wenig Geld. Zwar nannte der Versicherer keinen Kaufpreis. Eine mit der Transaktion vertraute Person sagte Reuters aber, es handele sich um gut 100 Mio. Euro. Zuletzt war in Finanzkreisen von mehr als 200 Mio. Euro die Rede gewesen. Übernommen werden nur das Portfolio und rund 600 Mitarbeiter. Weitere ansonsten übliche Bestandteile wie die IT, Gebäude oder Kapital sind nicht inbegriffen, was den Preis am Ende gedrückt haben dürfte.
Insgesamt wechseln Policen mit einem Prämienvolumen von rund 800 Mio. Euro zur Allianz. Das Geschäft, über das seit Ende April exklusiv verhandelt und für das eine bindende Vereinbarung unterzeichnet wurde, soll im 4. Quartal 2012 abgeschlossen werden. Die problembehafteten Transport-Aktivitäten von Gan Eurocourtage waren von Anfang an ausgeklammert worden.
"Nach Abschluss der Transaktion werden rund 2500 Makler zum Allianz-Netz in Frankreich gehören." Damit wird die Vertriebskraft fast verdoppelt. Angaben zu den geplanten Kosteneinsparungen wurden nicht gemacht. Frankreich zählt für die Allianz im Sachversicherungsgeschäft zu den fünf größten Märkten.
Vorstandschef Michael Diekmann hatte zuletzt mehrfach angedeutet, wieder Geld in Zukäufe stecken zu wollen, weil die künftige Regulierung der Branche nun klarer vorherzusagen sei. Im Fokus steht dabei die Kernsparte Schaden/Unfall in Europa. Hier ist der größte Handlungsbedarf. Übernahmen im Lebensversicherungsbereich binden Finanzkreisen zufolge viel mehr Kapital und sind daher unwahrscheinlich. Die Vermögensverwaltung als drittes Standbein wächst auch ohne Zukäufe rasant und macht momentan am wenigsten Probleme.
Weiteres Interesse vorhanden
Keinesfalls will die Allianz alte Fehler wiederholen und zu teuer einkaufen. Das Management hat nach dem Debakel mit der mittlerweile wieder abgestoßenen Dresdner Bank immer wieder betont, strategisch nicht auf Zukäufe angewiesen zu sein und notfalls auf Möglichkeiten verzichten zu wollen. Bei Gan Eurocourtage ist die Allianz dieser Linie treu geblieben. Denn der Verkäufer, der angeschlagene genossenschaftliche Versicherer Groupama aus Frankreich, hatte ursprünglich auf einen Erlös von 500 Mio. bis 700 Mio. Euro gehofft.
Das unter der Finanz- und Schuldenkrise leidende Unternehmen braucht dringend mehr Kapital und ist deswegen dabei, weitere Töchter in Spanien und der Türkei loszuwerden. Auch hier dürfte die Allianz einer der Interessenten sein. Zudem überprüfen die Erzrivalen Axa und Generali ihre Aktivitäten. Viele Großbanken trennen sich ferner von Randgeschäften im Versicherungsbereich. Analysten zufolge dürfte die Allianz bereit sein, bis zu 2 Mrd. oder 3 Mrd. Euro in Deals zu investieren. Solche Größenordnungen seien relativ leicht ohne Kapitalerhöhung zu stemmen, hieß es. Die Allianz hat sich vorgenommen, dieses Jahr operativ 7,7 Mrd. bis 8,7 Mrd. Euro zu verdienen.
Zuletzt hatte der Versicherer im Frühling 2008 in ein Joint Venture in der Türkei investiert. In den Jahren davor wurden die Anteile der Minderheitsaktionäre an Töchtern in Frankreich und Italien sowie bei der Allianz Leben aufgekauft, um diese Firmen komplett unter Kontrolle zu bekommen.
Quelle: ntv.de, rts