Bücherladen geplant Amazon setzt auf Offline
04.11.2015, 12:58 Uhr
(Foto: picture alliance / dpa)
Amazon hat dazu beigetragen, dass der US-amerikanische Einzelhandel verschwindet. Kurioserweise entsteht in den USA nun der erste Amazon-Laden - dort gibt es bald Bücher.
Ein Spaziergang durch New York ist ganz schön langweilig. Straße für Straße, Block für Block reihen sich die immer gleichen Geschäfte aneinander: Banken, Mobilfunkläden und die omnipräsente Drogeriekette Duane Reade. Egal welche Avenue man abwandert, ob Broadway oder Querstraße, über den Eingängen der Läden steht immer das gleiche: Citibank, Sprint, Duane Reade, Bank of America, Verizon, Duane Reade, JP Morgan, AT&T, Duane Reade ... Hier und da kann man sich bei einem Fastfood-Riesen stärken. Für viele kleinere Unternehmen sind die Ladenmieten in Manhattan längst zu hoch – und die Umsätze zu niedrig.
Meine Frau bat mich jüngst, für unseren Sohn ein paar Bücher zu kaufen. Doch wo? Direkt an der Wall Street war einst ein Borders-Buchladen, der ist jetzt – na, was wohl? – ein Duane Reade. Der Borders-Ableger am Columbus Circle ist heute ein H&M und ein paar Blocks weiter nördlich saß einst der Marktführer Barnes & Noble, heute stöbert man da bei der Schnäppchenkette Century 21 nach Billig-Jeans.
Billiger als im Einzelhandel
In den letzten 20 Jahren hat ein Unternehmen den Buchläden den Garaus gemacht: Amazon. Der Online-Riese aus Seattle verkaufte alle Bücher – und zwar wirklich alle, im Gegensatz zum eingeschränkten Sortiment in den Läden – billiger als der traditionelle Einzelhandel. Kein Wunder: Man hatte ja nur ein paar gewaltige Lager zu finanzieren und nicht hunderte von Filialen. Das spart Geld.
Umso überraschender kommt nun die Meldung: Amazon macht einen klassischen Laden auf. Mit Eingangstüre und Tischen und Regalen ... ganz altmodisch. In Seattle sollen die Pforten öffnen, am Sitz des Unternehmens. Glück für Seattle, wo man künftig wieder spontan schmökern und dann zum Online-Preis kaufen kann. Denn das verspricht Amazon: Die Bücher kosten im Laden nicht mehr als im Internet.
Nicht alle komplett online
Ganz neu ist Amazon übrigens nicht im klassischen Einzelhandel: An verschiedenen Colleges verkauft man schon persönlich und nimmt Retouren an. Die Schuhtochter Zappos hat einen eigenen Laden irgendwo in Kentucky. Sie verkauft dort auch ganz gut, ebenso übrigens wie Wal-Mart und Target und zahlreiche andere Einzelhändler, die bis heute Millionen von Büchern absetzen. Und die beweisen: Die USA leben eben nicht komplett online. Aktuelle Berechnungen zeigen, dass 90 Prozent des US-amerikanischen Einzelhandels noch immer im traditionellen Umfeld stattfinden. Amazon will da nun auch mitspielen.
Für den Verbraucher ist das nett. Ich vermisse die Zeiten, da man noch in Buchhandlungen Kapitel anlesen und durch Fotobände blättern konnte. Natürlich bin ich mit Schuld am Untergang der alten Läden, schließlich kaufe ich selbst ständig bei Amazon ein. Wenn der Online-Riese eines Tages auch in New York Gestalt annimmt, dann werde ich sicher einmal vorbeischauen. Seattle ist mir zu weit weg ... Da gehe ich dann doch lieber auf die Webseite – oder zu einem der verbliebenen Händler in Manhattan. Einige gibt es ja noch, man muss sie nur suchen.
Quelle: ntv.de