Wirtschaft

Guter Riecher abhanden gekommen? Analysten wälzen Facebook-Deal

Daumen hoch? Experten sind sich bei der Bewertung des Deals uneins.

Daumen hoch? Experten sind sich bei der Bewertung des Deals uneins.

(Foto: REUTERS)

Überraschung in der Internetbranche: Das Online-Netzwerk Facebook lässt sich den Messenger-Dienst WhatsApp ordentlich was kosten. Analysten sind sich uneins über bei der Bewertung des Geschäfts - hinsichtlich Kosten und Sinn.

Der Mega-Deal des weltgrößte Online-Netzwerk Facebook stößt bei Analysten auf unterschiedliche Reaktionen. Der Gigant verleibt sich den Messenager-Dienst WhatsApp für insgesamt gut 19 Milliarden Dollar ein. Im Zentrum der Kritik steht vor allem der Kaufpreis.

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WhatsApp habe in nur fünf Jahren mehr als 450 Millionen Nutzer gewonnen, und jeden Tag käme rund eine Million dazu. "So etwas hat zuvor noch niemand anderes in der Weltgeschichte geschafft", sagte Facebook-Gründer Mark Zuckerberg. "Dienste, die eine Milliarde Nutzer haben, sind unglaublich wertvoll."

Damit lässt sich Facebook jeden Nutzer des Dienstes 42 Dollar kosten. Das ist ein Drittel mehr als bei Instagram. Zum Vergleich: Der japanische Internet-Händler Rakuten hat den Messaging-Dienst Viber gerade für 900 Millionen Dollar übernommen, nur drei Dollar pro Nutzer. Und Microsoft hatte 2011 "nur" 8,5 Milliarden Dollar für den Videotelefondienst Skype auf den Tisch gelegt.

Das Investment-Haus Stifel dagegen hat 36 US-Dollar pro WhatsApp-Nutzer errechnet. Damit bewege sich Facebook Niveau des Instagram-Deals. Nach anfänglichen Misstönen werde die Übernahme des Fotodienstes mittlerweile als weitsichtige und finanziell zukunftsträchtige Aktion für Facebook angesehen, gibt Stifel zu bedenken.

Urteilsvermögen verloren?

Einige Analysten monieren dennoch den Kaufpreis als überzogen. Das Facebook-Management habe, was Akquisitionen und Visionen angehe, zwar regelmäßig ein gutes Urteilsvermögen an den Tag gelegt. Bei WhatsApp scheine das Unternehmen aber noch über das hinausgegangen zu sein, was man als typische Überbezahlung für ein begehrtes Objekt bezeichnen würde, sagte Analyst Gene Munster von Piper Jaffray.

"Wir glauben, dass der Preis vom potenziellen Interesse anderer großer Wettbewerber mit nach oben getrieben wurde, vermutlich Google und vielleicht auch Apple. Was das Kerngeschäft von Facebook angeht, dürften die Investoren den Fokus weiter auf die Preise im Anzeigengeschäft legen und die Foto-Plattform Instagram. Wir rechnen nicht damit, dass WhatsApp vor Ende 2015 nennenswerte Umsatzbeiträge leisten wird", sagte der Experte.

Großteil in Aktien

Dagegen verwiesen andere Experten aber darauf, dass Facebook nur vier Milliarden Dollar in bar zahle. Der Rest werde in Aktien beglichen, was das eigene Risiko minimiere. "Es ist der richtige Schritt für Facebook", sagte Analyst Ishaq Siddiqi vom Wertpapierhandelshaus ETX Capital.

WhatsApp gehöre zu den beliebtesten Anwendungen (Apps) der Welt. Es ermöglicht den Nutzern, über eine Internetverbindung Kurznachrichten, Fotos und Audio-Dateien an Freunde und Bekannte zu verschicken - und kostet deshalb fast nichts. Schließlich haben die meisten Handy- oder Tablet-Nutzer eine Internet-Flatrate. WhatsApp habe damit die zuvor dominierende SMS entbehrlich gemacht und Telekom-Firmen Milliarden Dollar weggenommen, sagte Siddiqi weiter.

Strategisch mache der Deal Sinn, ergänzte Jonathan Teo, ein Investor des konkurrierenden Kurznachrichtendienstes Snapchat. Facebook sei stark bei Inhalten, hinke bei der Kommunikation seiner Nutzer aber hinterher. Und er beschaut das Thema auch von der anderen Seite: "Grundgütiger, das ist ein guter Deal für WhatsApp."

Nullsummenspiel für Facebook

Mark Mahaney von RBC Capital befürwortet die Übernahme, die er zumindest unter strategischen Aspekten für sinnvoll hält. Schließlich erlebten Kurznachrichtendienste ein rasantes Wachstum und seien bei jüngeren Menschen sehr beliebt. Facebook als führendes soziales Netzwerk habe nun die Chance, zum weltweit führenden Kommunikationsanbieter aufzusteigen, sagte Mahaney. Akquisitionen sollten nach Meinung des Analysten zur langfristigen Wachstumsstrategie von Facebook gehören. Mahaney erinnert daran, dass Google ebenso vorging.

Was die finanzielle Seite der Transaktion angeht, spricht der Analyst von einer Art Nullsummenspiel. Zwar entgingen Facebook ab 2015 Zinseinnahmen auf die Barmittel von 4 Milliarden Dollar, die zum Kauf eingesetzt würden. Dadurch verringere sich seine Schätzung des Gewinns je Aktie im kommenden Jahr um 8 Prozent von 1,73 auf 1,59 Dollar.

Letztlich sei das aber wenig bedeutsam. Unter der Annahme, dass künftig rund eine Milliarde Menschen Whatsapp nutzten und dafür weiterhin nur jeweils einen Dollar pro Jahr zahlen, ergäbe sich daraus ein Umsatz von einer Milliarde Dollar und wahrscheinlich ein operatives Ergebnis von deutlich über 600 Millionen Dollar - sofern sich die Kosten vor allem auf die 30 Prozent App-Gebühren an Apple und Google beschränken. Facebooks Ergebnis je Aktie würde das laut Mahaney um 0,12 Dollar je Aktie erhöhen, und gleichen damit die entgangenen Zinseinnahmen fast aus.

Moden als Gefahr

Bereits beim Instagram-Kauf im Frühjahr 2012 für eine Milliarde Dollar hatte es Kritik gegeben, Facebook würde zu viel bezahlen. Einige Analysten sehen im neuerlichen Deal vor allem das Bemühen des sozialen Netzwerks, eine jüngere Zielgruppe wieder an sich zu binden.

Doch darin liegt auch ein großes Risiko: "In den sozialen Netzwerken gibt es immer wieder den Geschmack des Monats, und im nächsten Jahr haben wir vielleicht wieder eine andere App mit einem extrem schnellen Wachstum", sagt Analyst Greg Sterling von Opus Research. Konkurrenten mit quasi gleichen Funktionen wie WhatsApp  gibt es auf dem Markt genug.

Sterling sieht auch noch einen anderen Grund für den Kauf: Frustration, weil Facebook es nicht geschafft hat, den Messengerdienst Snapchat zu kaufen. Zuletzt zum zehnten Geburtstag von Facebook sagten viele Experten, dass Facebook besonders für Teenager nicht mehr sonderlich attraktiv sei. Snapchat dagegen, bei dem Fotos nach einigen Sekunden automatisch gelöscht werden, ist gerade bei Teenagern sehr beliebt.

Die Nutzungsgebühr für WhatsApp beträgt bislang nur einen Dollar pro Jahr, wobei das erste Jahr kostenlos ist. 70 Prozent der Nutzer sind täglich aktiv. Zehn Milliarden Nachrichten und 600 Millionen Fotos werden jeden Tag verschickt. Die geld verdienen soll, blieb bislang offen.

"Man muss schon extrem naiv sein, um zu glauben, dass WhatsApp langfristig das heutige Preismodell von 0,99 Dollar pro Jahr bestehen lassen wird", sagte Ekkehard Stadie von der Strategieberatung Simon-Kucher & Partners. Eine Möglichkeit: "Warum sollte man nicht einen Dollar pro Monat zahlen?"

Quelle: ntv.de, jwu/rts/dpa/DJ

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