Zweifel an sicheren Häfen Anleihemarkt spielt verrückt
15.06.2012, 16:13 Uhr
Dunkle Zeiten auch auf dem Anleihemarkt.
(Foto: dpa)
Spanische Rekordrendite, Investoren auf dem Rückzug aus der Eurozone, Bundesanleihen auf den Verkaufslisten: Vor der Wahl in Griechenland herrscht Ausnahmezustand an den Anleihemärkten, Experten sehen nur noch "großes Kino". Wie geht es weiter?
Eigentlich sollte es die Woche werden, in der die Ankündigung der 100 Mrd. Euro schweren Bankenhilfen für Spanien die Märkte beruhigt. Doch der Befreiungsschlag ist komplett misslungen. Was Experten erstaunt: Zuletzt gerieten nicht nur die Papiere der Krisenländer massiv unter Druck - auch um viele der bislang als sicher geltenden Häfen machten Anleger einen Bogen.
Bundesanleihen, deren Kurse sich normalerweise entgegengesetzt zu denen beispielsweise aus Spanien oder Italien entwickeln, notieren auf Wochensicht deutlich im Minus. Dasselbe Bild zeigt sich bei britischen Gilts und sogar bei US-Treasuries, die in der Regel ebenfalls gefragt sind, wenn die Finanzmärkte in die Defensive umschalten. Werden nun auch die letzten Felsen in der Brandung von der Krise weggespült?
"Großes Kino" auf dem Parkett
Als "großes Kino" bezeichnete Eugen Keller die jüngsten Verwerfungen an den Bondmärkten. Bis Mitte der Woche hätten Investoren staatliche Gläubiger aus der Eurozone erstmals seit langer Zeit "auf breiter Front verprügelt", sagt der Experte vom Bankhaus Metzler. Händler berichteten, dass Großanleger ihre Mittel in großem Stil aus der Eurozone abziehen.
Zu groß scheint die Ernüchterung über die halbgaren Pläne für die spanische Bankenrettung. Zu ungewiss, ob auch Italien unter dem Rettungsschirm landet - und vor allem: Der Wahlausgang in Griechenland. Sollte am Sonntag ein Regierungsbündnis die Macht ergreifen, dass die vereinbarte Sparpolitik ablehnt, würde die Zukunft im Währungsraum schlagartig aufs Spiel gesetzt.
Für den Rest der Euroländer könnte ein griechischer Euro-Ausstieg verheerende Folgen haben. Zahlreiche Analysten warnen vor Ansteckungsgefahren, die zu systemischen und konjunkturellen Risiken werden könnten. An den Finanzmärkten werden deshalb bereits verschiedene Eskalations-Szenarien durchgespielt.
Stunde der Wahrheit
Top-Anleger wie der weltgrößte Anleiheinvestor Pimco warnen angesichts des monatelangen Sturms auf deutsche Staatspapiere schon länger vor einer "Bund-Blase". Nun könnte die Stunde der Wahrheit immer näher rücken. Momentan gebe es wenig positive Szenarien für Bundesanleihen, so Pimco-Manager Bill Gross. "Nur ein deutscher Euro-Exit würde sie begünstigen."
Was nach einer krassen Außenseiterposition klingt, könnte genau dem entsprechen, worauf auch andere Profis wetten, die sich in den letzten Wochen mit deutschen Staatstiteln eingedeckt haben. "Offenbar setzen viele US-Spekulanten auf ein Auseinanderbrechen der Eurozone", sagt Peter Merk, Chefökonom der Landesbank Baden-Württemberg. Sie hofften auf Währungsgewinne, wenn der Euro einer neuen deutschen Devise weichen würde.
Doch es könnte auch ganz anders kommen, wie Merk ausführt. Ein Teil der Investoren geht bei einem Zerfall der Eurozone von einer Kernschmelze aus: Dabei würde mit Deutschland auch die letzte Bastion der Stabilität im Abwärtsstrudel versinken. Sollten tatsächlich die Schwergewichte Spanien und Italien in den Teufelskreis geraten, dürften die Folgen auch hierzulande fatal sein. Als triftiger Grund für die jüngsten Kursverluste bei deutschen Anleihen taugen aber sowohl das Horrorszenario als auch die Spekulation auf die Rückkehr der D-Mark nur begrenzt.
Denn zum einen fallen die Kurse von historischen Höchstständen und von einem massiven Abverkauf kann auch keine Rede sein. Die Rückgänge könnten also durchaus auch als Korrektur vorheriger Übertreibungen gesehen werden. Zum anderen sind nicht nur Bundesanleihen betroffen, sondern zum Beispiel auch Gilts und Treasuries. Worauf ist diese Bewegung dann zurückzuführen?
Nach Einschätzung von Sintje Boie, Expertin der HSH-Nordbank, dürfte sie wenig mit der Schwächung der sicheren Häfen zu tun haben. "Wahrscheinlicher ist, dass die Investoren angesichts der erreichten Rekordtiefs bei den Renditen nun zum Teil Gewinne mitgenommen haben." Zudem könne die hohe Unsicherheit Anleger dazu verleiten, mehr Liquidität zu halten und entsprechend Staatsanleihebestände abzubauen. "Doch mangels Alternativen ist zumindest auf kurze Sicht nicht mit einer Abkehr der Anleger von Bunds zu rechnen."
Quelle: ntv.de, Hannes Breustedt, dpa-AFX