Prüfer sehen schwarz Arcandor zittert weiter
29.05.2009, 18:42 UhrArcandor muss weiter um seine Zukunft zittern. Der Bürgschaftsausschuss des Bundes hat noch keine Empfehlung für oder gegen die von der Karstadt-Muttergesellschaft beantragte Staatshilfe ausgesprochen. Unterdessen zweifeln Wirtschaftsprüfer daran, dass Arcandor überhaupt die Bedingungen erfüllt.
Die Mitarbeiter und die Führung von Arcandor müssen weiter um die Zukunft des angeschlagenen Handels- und Touristikkonzerns zittern. Der Bürgschaftsausschuss des Bundes habe noch keine Empfehlung für oder gegen die von der Karstadt-Muttergesellschaft beantragte Staatshilfe ausgesprochen, hieß es aus dem Umfeld der Gesprächsteilnehmer. Nur damit könnte sich Arcandor mit in Deutschland mehr als 50.000 Mitarbeitern nach Angaben von Vorstandschef Karl-Gerhard Eick vor einer Insolvenz retten. Ein weiteres Treffen sei in der nächsten Woche geplant.
Während Eick am Morgen davon sprach, dass die Gespräche gut gelaufen seien, sorgte ein Bericht am Nachmittag für einen Kursrutsch der Arcandor-Aktie von zeitweise 14 Prozent: Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC), die im Auftrag der Bundesregierung tätig geworden sei, sehe die Bedingungen für Staatshilfen nicht erfüllt, berichtete das Manager-Magazin unter Berufung auf Kreise des Essener Konzerns. Die Bürgschaftsübernahme sei mit erheblichen Risiken behaftet. Der Konzern verfüge praktisch über keine freie Substanz mehr, zudem könnten künftige Beteiligungsverkäufe zu erheblichen Buchverlusten führen. Arcandor war für eine Stellungnahme zu dem Bericht nicht erreichbar.
Der Konzern will eine Bürgschaft über 650 Mio. Euro und einen Kredit der staatlichen Förderbank KfW über 200 Mio. Euro. Nur unter dieser Bedingung wollen die Banken - allen voran Commerzbank, RBS und BayernLB - und die Eigner das Gesamtfinanzierungskonzept von Eick mittragen. 960 Mio. Euro müssen refinanziert werden, weitere 900 Mio. Euro will Eick in den Umbau des Konzerns stecken. Die Karstadt-Warenhäuser sollen sich auf Kunden mit mittlerem Einkommen konzentrieren und Kunden von 55 bis 65 Jahren zusätzlich ins Visier nehmen, die Versandhandelstochter Primondo ihr Online-Geschäft forcieren.
In den zusätzlichen Bedarf von 900 Mio. Euro sind nach Aussage eines Sprechers Einsparungen von 345 Mio. Euro bereits eingerechnet, die Arcandor im Rahmen eines Sanierungsvertrags mit den Mitarbeitern erzielt hat. Geld soll auch durch Verkäufe in die Kasse gespült werden. Arcandor hat seine drei Luxuswarenhäuser in Berlin, Hamburg und München, die Quelle-Shops und -Technikcenter sowie acht Karstadt-Filialen zur Disposition gestellt. Die von Eick erhoffte Unterstützung von Vermietern, Zulieferern und Partnern soll das Volumen um 250 auf 650 Mio. Euro reduzieren - die Summe, die über die Bürgschaft abgesichert werden soll.
Eine endgültige Entscheidung trifft der Lenkungsausschuss des Bundes. Die Staatshilfe müsste womöglich auch von der EU-Kommission geprüft werden. Der größte Aktionär, die Privatbank Sal. Oppenheim, signalisierte demonstrativ Unterstützung. Sie will 30 Mio. zu einer Kapitalerhöhung um 100 Mio. Euro beisteuern, die Eick plant. Ein Kredit von bis zu 70 Mio. Euro soll zudem kommen, wenn die Großbanken dem Gesamtkonzept zustimmen. Beschäftigte von Karstadt warben an allen Kaufhaus-Standorten um Unterstützung und sammelten bei Kunden Unterschriften.
40 Kaufhof und Karstadt-Häuser zur Disposition?
Die mit dem Rivalen Metro andiskutierte "Deutsche Warenhaus AG" aus Kaufhof und Karstadt ist nach Aussage des Sprechers nicht Teil des Konzepts, das Eick in Berlin vorgelegt hat. Der Manager hatte betont, die Fusion sei keine Alternative zur Bürgschaft, weil Metro-Chef Eckhard Cordes kein Interesse daran habe, Geld für Karstadt aufzubringen. Metro ist gegen Bürgschaften für den Konkurrenten, weil Arcandor nicht durch die Finanzkrise in Schieflage geraten sei. Mit der Warenhaus AG könnten viele Arbeitsplätze gesichert werden, sagte ein Metro-Sprecher.
In Berlin kursieren bereits Unterlagen mit Vorüberlegungen von Cordes. In damit vertrauten Kreisen hieß es, das Grobkonzept sehe vor, dass bei einer Zusammenlegung von Kaufhof und Karstadt etwa 40 der derzeit zusammen rund 200 Häuser abgestoßen werden könnten. Das würde etwa 5.000 Vollzeitarbeitsplätze kosten. 20 der 40 Filialen könnten von der Metro-Elektronikmarkt-Kette Media Markt/Saturn oder anderen Einzelhändlern weiterbetrieben werden.
Quelle: ntv.de, rts