Staatspleite abgewendet - vorerst Athen erhält frisches Geld
02.07.2011, 20:33 Uhr
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Erst mal ist Griechenland aus dem Gröbsten raus. Mit dem nächsten 12-Milliarden-Euro-Kredit ist die Pleite bis Herbst abgewendet. Ein neuer Rettungsplan soll folgen. Was fehlt, sind nach Meinung der Industrie Ideen, wie das Land langfristig auf die Beine kommt.
Die Finanzminister der Euro-Zone haben die nächste Kredittranche für Griechenland freigeben. Die Rate über 12 Milliarden Euro werde vorbehaltlich der endgültigen Zustimmung des Internationalen Währungsfonds zum 15. Juli nach Athen überwiesen, teilten die Ressortchefs nach einer Telefonkonferenz mit. Die konkreten Einzelheiten und der Umfang der Beteiligung privater Gläubiger an einem zweiten Hilfspaket für Griechenland würden in den kommenden Wochen festgelegt. Das Programm soll die mittelfristige Finanzierung des Euro-Partners bis zum Jahr 2014 sichern.

Computerfachmann Mammas Pashalis verkauft Schwämme, die er als Taucher aus dem Mittelmeer geholt hat. So wie dem 22-Jährigen geht es vielen jungen Griechen: Sie haben keine Arbeit - und keine Perspektive.
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Mit der neuen Kredittranche wird Griechenland vorerst vor der Zahlungsunfähigkeit bewahrt. Das Euro-Land hat im Gegenzug für weitere Hilfen von EU und Internationalem Währungsfonds in der vergangenen Woche ein Sparpaket verabschiedet, das in den kommenden Jahren 28 Milliarden Euro in die leeren Staatskassen spülen soll.
Ursprünglich wollten die Euro-Chefs auf einem Sondertreffen am Sonntag in Brüssel auch über ein neues Rettungspaket für Griechenland von bis zu 120 Milliarden Euro beraten. Dafür wird auch eine Einbindung privater Geldgeber angestrebt. Eine europaweite Lösung für die freiwillige Gläubigerbeteiligung zieht sich aber hin. Das Treffen wurde vorgezogen und nun durch eine Telefonkonferenz ersetzt.
Deutschland ist gewappnet - für alle Fälle
Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) bekräftigte vor der Telefonkonferenz in einem Interview, dass Deutschland auch Vorsorge für eine eventuelle Staatspleite Griechenlands getroffen habe.
"Natürlich bereiten wir uns als verantwortungsvolle Regierung für den unwahrscheinlichen Fall vor, dass es entgegen aller Erwartungen doch zu einem Ausfall griechischer Zahlungen kommt", sagte er dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel". "Dann werden wir dafür sorgen, dass es zu keiner unkontrollierten Entwicklung kommt."
Schäuble räumte ein, dass er der Finanzbranche in Verhandlungen über eine Gläubigerbeteiligung an einem zweiten Hilfspaket entgegengekommen sei. "Die deutschen Banken und Versicherungen haben mir sehr deutlich gemacht, dass ihre Beteiligung nicht zu einer Benachteiligung gegenüber europäischen Wettbewerbern führen darf."

Die Beteiligung privater Gläubiger wie Banken und Versicherungen ist noch nicht endgültig geklärt.
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Die privaten Banken und Versicherer aus Deutschland wollen sich mit 2 Milliarden Euro an weiteren Hilfen beteiligen. Bis 2014 fällige Anleihen sollen erneut in Griechenland investiert werden. Die staatlichen Abwicklungsbanken der HRE und WestLB sollen nach Schäubles Angaben weitere 1,2 Milliarden Euro beisteuern. Der Beitrag anderer europäischer Banken und Versicherer ist dagegen noch offen.
Die Juli-Tranche von 12 Milliarden Euro ist die inzwischen fünfte Hilfszahlung aus dem im Mai 2010 geschnürten Rettungspaket. 8,7 Milliarden Euro entfallen auf die Europäer, 3,3 Milliarden Euro auf den IWF. Der IWF will nach laut Medienberichten voraussichtlich am 8. Juli bei einer Verwaltungsratssitzung über seinen Anteil an der Tranche entscheiden. Die nächste Hilfszahlung ist im September fällig. Insgesamt summieren sich die Notkredite für Athen damit auf bisher 65 Milliarden Euro.
Debatte über neues Hilfspaket Mitte Juli
Der Vorsitzende der Eurogruppe, Luxemburgs Premier Jean-Claude Juncker, hatte die Vorverlegung entschieden. "Mir war es lieber, eine undramatische Konferenz zur Auszahlung der fünften Tranche aus dem Hilfsprogramm zu haben, als eine dramatische Sitzung, wo man den Eindruck gehabt hätte, dass man sich erst einer Entscheidung annähert", sagte Juncker.
Die Debatte über das neue Paket soll jetzt am 11. Juli beim nächsten regulären Treffen der Euro-Minister geführt werden, sagte Juncker. Es stehe aber noch nicht fest, ob es zu diesem Termin schon eine endgültige Einigung geben werde. "Es wird ein neues Griechenland-Programm geben - in enger Abstimmung mit dem Internationalen Währungsfonds." Der Interimschef des IWF, John Lipsky, werde an der Telefonkonferenz teilnehmen.
Schäuble forderte zur Stärkung der griechischen Wirtschaft eine Art europäischen Marshallplan. "Wie Sie das nennen, ist nicht so wichtig", sagte Schäuble dem "Spiegel". "Entscheidend ist, dass Europa stärker als bisher bereit sein muss, Griechenland dabei zu unterstützen, Wachstum zu generieren." Hier lägen auch "beträchtliche Aufgaben und Chancen für die deutsche Wirtschaft."
Deutsche Wirtschaft fordert "Businessplan"
Nach Überzeugung der deutschen Industrie benötigt das Land dringend ein langfristiges Investitionsprogramm. "Wir brauchen einen Businessplan", sagte der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Hans-Peter Keitel. "Jetzt müssen Wege gefunden werden, um den Griechen Zeit zu verschaffen, damit sie wirtschaftlich wieder auf die Beine kommen."
Nötig sei ein auf mehrere Jahre angelegtes Paket, um das Land für Investoren attraktiver zu machen, sagte Keitel. "Griechenland benötigt ein Programm, mit dem nicht nur Ausgaben gekürzt, sondern auch Einnahmen generiert werden, die das Land heute nicht hat." Dies sei aber nicht kurzfristig machbar. "Das dauert nicht zwei, drei Monate, sondern mindestens fünf Jahre, wenn nicht gar zehn Jahre."
Quelle: ntv.de, dpa/rts