Schäuble nennt Zahlen Athen hat "akuten Finanzbedarf"
08.06.2011, 21:30 UhrDie griechische Schulden-Tragödie spitzt sich zu: Während die "Troika" aus IWF, EZB und EU-Kommission dem Land eine katastrophale Finanzlage bescheinigen, warnt Bundesfinanzminister Schäuble vor einem "Bankrott" Athens. Seine Forderung ist unmissverständlich.

"Griechenland wird wahrscheinlich nicht in der Lage sein, 2012 auf die Märkte zurückzukehren", soll es im "Troika"-Bericht heißen.
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Griechenland kommt nicht zur Ruhe und über die Rettung des schuldengeplagten Landes wird in Politik- und Wirtschaftskreisen immer heftiger gestritten. Die Lage ist mehr als ernst, wie Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) mit neuen Zahlen und der Bericht der "Troika" beweisen. Internationaler Währungsfonds, Europäische Zentralbank und EU-Kommission bescheinigen Griechenland einen akuten Finanzhilfebedarf. "Griechenland wird wahrscheinlich nicht in der Lage sein, 2012 auf die Märkte zurückzukehren", zitierte Reuters aus einer Zusammenfassung des Berichts der Troika.
Die derzeitigen Kosten einer Finanzierung des Landes über die Finanzmärkte seien "weiterhin nicht tragbar". Es sei auch unwahrscheinlich, dass sie demnächst auf ein tragbares Niveau fielen. Angesichts dessen sei das laufende Anpassungsprogramm, das Griechenland wieder in solidere finanzielle Bahnen leiten soll, unterfinanziert. "Die nächste Auszahlung (aus dem laufenden Griechenland-Hilfspaket) kann nicht stattfinden, bevor das Problem dieser Unterfinanzierung gelöst ist", machte die Troika deutlich.
Konkrete Zahlen fehlen
IWF, EZB und EU-Kommission forderten daher, die Finanzierungsstrategie für die eingeleiteten Anpassungen in Griechenland zu überprüfen. Konkrete Zahlenangaben zum griechischen Hilfebedarf enthält die Reuters vorliegende Zusammenfassung des Berichts aber nicht.
Schäuble soll da aussagefreudiger gewesen sein, berichten Kreise: Er bezifferte den zusätzlichen Finanzbedarf Griechenlands bis 2014 auf rund 90 Mrd. Euro. Diese Zahl habe Schäuble in der FDP-Fraktion genannt, erfuhr Reuters von einem Teilnehmer des Treffens.
"Rezession tiefer und länger"

Griechenland - ein Land, bald im Ausnahmezustand? Die Rezession scheint sich als tiefer und länger zu erweisen als anfangs angenommen.
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Die Troika bescheinigte Griechenland indes "Fortschritte bei der Beseitigung seiner makroökonomischen und fiskalischen Ungleichgewichte". Das wirtschaftspolitische Anpassungsprogramm habe sich als angemessen erwiesen. Allerdings sei die Umsetzung notwendiger Reformen in den letzten Quartalen zum Stillstand gekommen. "Neue Impulse sind erforderlich, um zu verhindern, dass sich das Haushaltsdefizit auf einem nicht nachhaltigen Niveau festfährt, aber auch, um eine kritische Masse an Strukturreformen zu erreichen, die die wirtschaftliche Erholung unterstützt", folgerten die drei Institutionen.
Die Rezession in Griechenland scheine sich als etwas tiefer und länger zu erweisen als anfangs angenommen. Die zahlenmäßigen Ziele des Anpassungsprogramms für den Haushalt seien im ersten Quartal 2011 erreicht worden. Allerdings sei die Steuererhebung geringer als angestrebt. Inzwischen sei eine mittelfristige Haushaltsstrategie erarbeitet worden, um die Einhaltung der Obergrenze beim Haushaltsdefizit abzusichern. Würden keine Maßnahmen ergriffen, würde das Staatsdefizit 2011 nahe dem von 2010 bei über zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts bleiben.
Angestrebt werde nun eine massive Absenkung der Defizitquote auf 2,5 Prozent in 2014. Auch die Schuldenquote solle sinken. Dieses Programm könne nur bei Unterstützung aller Ressorts der Regierung erfolgreich sein.
Zusätzliche Kapitalspritzen nötig
Zur beschleunigten Privatisierung von Staatsbesitz seien wichtige Schritte unternommen worden. Geplant sei nunmehr die Schaffung einer Privatisierungsstelle unter der Leitung eines unabhängigen und professionellen Ausschusses. Die EU-Kommission und die Euro-Mitgliedsländer könnten Beobachter in diesen Ausschuss berufen. Geplant sei, konkrete Quartalsziele in Hinblick auf die Privatisierungserlöse zu benennen. "Das Festhalten an den Haushaltskonsolidierungs- und Privatisierungsplänen wird dazu beitragen, die staatliche Schuldenstandsquote auf einen nachhaltigen Kurs zu bringen", äußerte die Troika Zuversicht.
Angespannt bleibe die Lage im Finanzsektor des Landes. Die griechische Zentralbank wird laut Troika daher zusätzliche Kapitalspritzen benötigen, um sich gegen Verschlechterungen der Rahmenbedingungen zu wappnen.
"Ungeordneter Bankrott" droht

Wolfgang Schäuble befürchtet den "ersten ungeordneten Bankrott in der Euro-Zone".
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Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Finanzminister Schäuble sprachen sich nach Angaben von Teilnehmern in den Fraktionen von Union und FDP zudem für ein neues Hilfspaket für Griechenland geworben. Einzelheiten habe die Kanzlerin jedoch nicht genannt, hieß es. Stattdessen habe Merkel betont, dass das Parlament sehr grundsätzlich an der Debatte beteiligt werden solle, welche Elemente das Hilfspaket umfasse.
Zugleich stellte sich Merkel hinter den Vorstoß von Schäuble, die privaten Gläubigern im Rahmen eines neuen Rettungspakets zu beteiligen. Auch der Finanzminister habe nach Angaben von Teilnehmern in der FDP-Fraktion unter diesen Bedingungen für eine erneute Unterstützung Griechenlands geworben, hieß es.
In einem eindringlichen Appell an die Euro-Partner, die EZB, IWF und EU-Kommission hatte Schäuble die Einbindung privater Geldgeber bei weiteren Hilfen verlangt. Er warnte, ohne ein weiteres Hilfsprogramm drohe "der erste ungeordnete Bankrott in der Euro-Zone". Unklar blieb, ob die Europäische Zentralbank (EZB) ihre Ablehnung auch gegen eine "weiche" Umschuldung aufgibt und eine Laufzeitverlängerung für griechische Anleihen mitträgt.
Finanzminister am Zug
In dem Brief Schäubles heißt es: "Jede zusätzliche finanzielle Hilfe für Griechenland muss eine faire Lastenteilung zwischen Steuerzahlern und privaten Investoren einschließen."
Beim Treffen der Finanzminister am 20. Juni müsse es einen klaren Auftrag an die griechische Regierung - möglicherweise mit dem IWF - geben, die Einbindung privater Geldgeber anzugehen.
Es müsse einen "messbaren und substanziellen Beitrag" privater Anleihegläubiger geben, forderte Schäuble. Dies könnte am besten über einen Umtausch von Anleihen erreicht werden, der zu einer Verlängerung ausstehender Forderungen um sieben Jahre führen sollte. In dieser Zeit erhalte Griechenland die nötige Zeit, um Reformen voll umzusetzen und Vertrauen der Märkte zurückzugewinnen.
Droht eine Kettenreaktion?
Jegliche Schuldenerleichterung für Griechenland würde die EZB treffen. Sie ist seit ihrem Ankaufprogramm für Staatsanleihen von Pleitekandidaten einer der wichtigsten Gläubiger Athens. Bis Ende Mai häufte die EZB Anleihen von 75 Mrd. Euro an. Die EZB lehnte einen Kommentar ab.
Die deutschen Banken reagierten zurückhaltend, schlossen eine freiwillige Beteiligung an einer "sanften" Umschuldung aber nicht aus. Nach Aussagen von Andreas Schmitz, Präsident des Bundesverbandes deutscher Banken, darf eine Beteiligung privater Gläubiger nur am Ende einer für alle tragfähigen Lösung stehen. "Dieser Punkt ist aber noch nicht erreicht."
Er warnte vor Kettenreaktion. Eine Umschuldung dürfe nur freiwillig erfolgen. "Eine Verlängerung der Laufzeiten griechischer Bonds könnte dabei eine mögliche Lösung darstellen."
Quelle: ntv.de, bad/rts/dpa