Juncker verliert die Lust Athen strapaziert die Nerven
27.01.2012, 11:20 Uhr
Die endlos schwelende Schuldenkrise macht den Euro-Rettern offenbar auch persönlich schwer zu schaffen. Besonders die zähen Verhandlungen in Griechenland fordern ihren Tribut: Eurogruppen-Chef Juncker denkt ans Aufhören. Finanzminister Schäuble verliert die Geduld. Bank-Chef Ackermann bringt von Davos aus eine neue Zahl ins Spiel.

Europa muss jemanden finden, der "dieses Amt" übernehmen kann oder will: Jean-Claude Juncker (r.), hier im Gespräch mit Evangelos Venizelos, seines Zeichens griechischer Finanzminister.
(Foto: REUTERS)
In den Verhandlungen um einen Schuldenschnitt für Griechenland ist weiterhin kein Ende abzusehen: Die Gespräche zwischen privaten Gläubigern, der griechischen Regierung sowie der Troika von EU-Kommission, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF) über den Rettungsplan dauern an. Voraussetzung für weitere Kredithilfen ist der Forderungsverzicht. Über dessen Konditionen wird hinter den Kulissen erbittert gerungen.
Nach Darstellung des Internationalen Bankenverbandes IIF sind mittlerweile immerhin Fortschritte erzielt worden. Aus Athener Regierungskreisen hieß es, die Gespräche würden vor dem Wochenende fortgesetzt. Dabei gehe es vor allem um technische und juristische Fragen. Aus dem Umfeld der Bundesregierung verlautete, dass man bei den Gesprächen über ein zweites Hilfspaket nicht mit einer Einigung bis zum EU-Gipfel am kommenden Montag rechne. Ein Bericht dazu werde allerdings erst Ende Januar oder Anfang Februar vorliegen.
Neue Hinweise zum Stand der Verhandlungen lieferte Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann. Er ist Chef des IIF, der im Namen der Branche in Athen verhandelt. Ackermann glaubt an einen positiven Ausgang der Verhandlungen über die Beteiligung der privaten Gläubiger an einem Schuldenschnitt für Griechenland. "Ich bin immer noch zuversichtlich, dass wir eine Lösung finden, weil alle Beteiligten interessiert sind, einen Default zu vermeiden", sagte er im Interview bei n-tv.
"Wir haben sehr viel getan. Das sind immerhin fast 70 Prozent Verlust, die wir in Kauf nehmen." Den bisher bekannten Eckdaten zufolge sollen die privaten Gläubiger auf 50 Prozent des Nennwertes ausstehender Anleihen oder 100 Mrd. Euro verzichten. Sie erhalten im Gegenzug neue Anleihen mit 30 Jahren Laufzeit.
Banken, die ihre griechischen Anleihen bereits mit Marktwerten bilanzierten, müssen damit keine zusätzlichen Belastungen in Kauf nehmen. Der Deutsche-Bank-Chef forderte eine gemeinsame Anstrengung zum Schuldenerlass für Griechenland. "Jeder muss seinen Beitrag leisten. Dann werden wir weitersehen." Der IIF repräsentiert allerdings nur ungefähr 60 Prozent der privaten Gläubiger. Unklar ist, wie viele der griechischen Staatsanleihen sich in den Händen von Hedgefonds befinden. Auch die Europäische Zentralbank (EZB) hält Hellas-Bonds - zuletzt waren Forderungen laut geworden, auch sie solle sich am Schuldenverzicht beteiligen.
"Ein aufreibender Job"
Wie stark die Verhandlungen an den Nerven aller Beteiligten zerren, offenbarte Luxemburgs Regierungschef Jean-Claude Juncker in einer beiläufigen Aussage: Er hat keine Lust mehr auf seinen Job als Chef der Euro-Gruppe. "Es liegt nicht im Spektrum meiner Ambitionen, dieses Amt weiterzuführen", sagte Juncker dem "Handelsblatt". Die Führung der Euro-Gruppe sei "ein aufreibender Job, der aus einer Unmenge von Gesprächen und Telefonanten besteht". Nun komme es also darauf an, jemanden zu finden, der dieses Amt übernehmen könne und wolle.
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble verliert unterdessen in den Gesprächen mit Athen allmählich die Geduld. "Ankündigungen haben wir genug, jetzt muss die Regierung in Athen handeln", sagte Schäuble der "Stuttgarter Zeitung". Nach den Worten des Ministers ist es noch nicht ausgemacht, ob es zu einem zweiten Hilfsprogramm für Griechenland kommt. "Für ein zweites Griechenland-Programm müssen erst die Voraussetzungen erfüllt sein", sagte Schäuble. Die Troika habe den europäischen Finanzministern mitgeteilt, dass Griechenland die Vereinbarungen aus dem ersten Hilfsprogramm von April 2010 noch nicht vollständig umgesetzt habe. "Wir bestehen darauf, dass Griechenland die Auflagen aus dem ersten Hilfsprogramm erfüllt", so Schäuble. Erst dann könnten neue Hilfen fließen.
Auch die EZB soll bluten
Griechenland hatte zuvor erklärt, die Verhandlungen sollten noch in dieser Woche abgeschlossen werden. Laut ursprünglichem Zeitplan hätte das allerdings bereits vor sieben Tagen geschehen sollen. Der Schuldenerlass ist eine zentrale Voraussetzung für weitere Hilfskredite der Euro-Staaten und des Internationalen Währungsfonds (IWF) über 130 Mrd. Euro. Juncker forderte die Euro-Staaten auf, auf einen Teil ihrer Forderungen an Griechenland zu verzichten. Bei den Verhandlungen mit den Banken sei das angestrebte Ziel nicht "ganz zu erreichen", sagte Juncker der österreichischen Zeitung "Der Standard". Eine Summe für einen Verzicht der Gläubigerstaaten nannte der Eurogruppenchef nicht.
Neben den privaten Gläubigern müsste laut Juncker auch die EZB Griechenland einen Teil seiner Schulden erlassen. Solche Lösungsvorschläge halte er "nicht für völlig absurd", sagte Juncker dem "Handelsblatt". Das Ziel sei eine Reduzierung der griechischen Schulden auf 120 Prozent des Bruttoinlandsproduktes bis zum Jahr 2020.
Quelle: ntv.de, mmo/DJ/rts