Wirtschaft

Erzwungener Egoismus Auf dem Weg zum Währungskrieg

"Jeder denkt an sich, nur ich denke an mich", das ist nicht nur das Motto der Wirtschaftsgiganten China und USA. Immer mehr Regierungen setzen auf Rücksichtslosigkeit - aus guten Gründen.

Der Stein des Anstoßes.

Der Stein des Anstoßes.

(Foto: REUTERS)

Als die Wirtschafts- und Finanzkrise ihren Höhepunkt erreichte, gab es zumindest eine Gewissheit: Keine Volkswirtschaft der Welt kommt heil durch die Krise, sollte sie einen Alleingang starten. Ob man es wollte oder nicht: Die Gefahr war so groß, die Aussichten so düster, man war zur Zusammenarbeit gezwungen.

Daran hat sich im Prinzip nichts geändert, auch wenn immer mehr Regierungen überzeugt sind, das Schlimmste sei überstanden. Doch je weiter Lehman Brothers in die Vergangenheit rückt, desto größer wird der Egoismus. Diese außerordentlich gefährliche Entwicklung hat unter anderem dazu geführt, dass die Welt vor einem Währungskrieg steht. Immer mehr Regierungen setzen Währungen als Waffe ein.

Viele zeigen deshalb mit dem Finger auf China. Es ist außerhalb der Volksrepublik unstreitig, dass China die Währung künstlich niedrig hält, um die Exportwirtschaft zu stützen. Am lautesten schimpfen die USA, denn China liefert nicht nur künstlich verbilligte Produkte in die USA, sondern auch Arbeitslosigkeit. Die chinesische Regierung sieht das aber völlig anders. Der niedrige Yuan sorge für Wachstum in China. Das helfe nicht nur Millionen Chinesen aus der Armut, sondern sei ein Konjunkturprogramm, von dem die ganze Welt profitiere.

An beiden Sichtweisen ist etwas dran, doch das Problem ist allerdings viel komplizierter. Das liegt vor allem daran, dass die USA und China nicht die einzigen Länder auf der Welt sind.

Egoismus statt Konsens

Es gibt noch andere Länder. Und auch diese haben, nachdem der Höhepunkt der Wirtschafts- und Finanzkrise überwunden scheint, mit dem Aufräumen begonnen. Sie versuchen, ihre Wirtschaft wieder zum Laufen zu bekommen. Das ist schon schwierig genug. Doch die Probleme wachsen, wenn andere Länder ihre Währungen künstlich niedrig halten. Dann sinkt die Hemmschwelle, es ihnen gleichzutun.

Wurde gestern noch der Konsens beschworen, lautet die Devise nun: Egoismus. "Es gibt keine inländische Lösung für ein globales Problem", mahnt der Chef des Internationalen Währungsfonds, Dominique Strauss-Kahn. Das ist zweifellos richtig. Doch wer hält sich schon daran, wenn zu Hause die Wirtschaft nicht anspringt, die Arbeitslosigkeit nicht geringer wird und die Bevölkerung die Geduld verliert?

So intervenieren beispielweise Japan und Singapur am Devisenmarkt, um durch schwächere Währungen die Wettbewerbsfähigkeit ihrer Exportindustrien zu stärken. Nicht nur Brasilien und Südkorea mischen im Abwertungswettlauf mit.

Ganz weit vorne bleibt China. Die Volkswirtschaft der Volksrepublik verzeichnet Wachstumsraten, von denen andere Länder nur träumen können - das liegt vor allem an der Exportwirtschaft. Normalerweise müssten die Exporterfolge mit einer Aufwertung der Währung einhergehen. Wenn eine Volkswirtschaft mehr Waren verkauft, wird auch seine Währung gefragter und stärker. Damit würden die Waren im Ausland teurer und nicht mehr ganz so gefragt. Im Gegenzug können die Einwohner des Landes aber mehr Waren aus dem Ausland kaufen.

Doch diese Entwicklung verhindert China, indem der Yuan faktisch an den Dollar gekoppelt ist. Diese Subventionierung von Exporten ist allerdings nicht nur für die USA ein Problem. Chinesische Produkte verdrängen auf dem Weltmarkt die Erzeugnisse vieler Länder. Besonders hart trifft es die Entwicklungsländer, die darunter wohl stärker leiden als die Amerikaner.

Kritik an den USA

Verkompliziert wird die Sache dadurch, dass die USA nicht über Kritik erhaben sind. Für viele gilt die Wall Street als Auslöser der Wirtschafts- und Finanzkrise. Außerdem wird den Amerikanern vorgeworfen, dass die lockere, expansive Geldpolitik der Notenbank Fed nichts anderes ist, als eine Maßnahme, um den Dollar künstlich niedrig zu halten. Zahlreiche Ökonomen argumentieren allerdings, der Fed bleibe nichts anderes übrig, als auf diese Weise eine Deflation zu verhindern.

Egal ob China, USA oder Japan - jedes Land hat also gute Gründe, so zu handeln, wie es handelt. Peking weiß, dass eine Aufwertung des Yuan langfristig im Interesse Chinas ist. Doch die Regierung steht unter großem Druck, das kräftige Wirtschaftswachstum am Laufen zu halten. Wie anderen Regierungen sind auch ihr Arbeitsplätze wichtiger als makroökonomische Ungleichgewichte.

Die USA leiden unter einer hohen Arbeitslosigkeit, die stabil über neun Prozent liegt. Dieses Problem wird zum dominierenden Wahlkampfthema. Die Notenbank Fed versucht mit aller Kraft, die Wirtschaft anzukurbeln, um Rezession oder Deflation zu verhindern.

Und auch alle anderen Länder haben gute Gründe, die ihr Verhalten erklären. Japans Wirtschaft stöhnt unter dem starken Yen, Brasilien leidet unter einem Zustrom von Kapital aus dem Ausland, was den Real stärkt und brasilianische Güter auf dem Weltmarkt verteuert. Ein Gegensteuern ist völlig verständlich. Unterdessen werden in der Eurozone die Klagen über einen viel zu hoch bewerteten Euro lauter.

Das ist alles verständlich. Doch Wirtschaftspolitik auf Kosten anderer funktioniert nicht – zumindest nicht langfristig. So ist es schlicht und ergreifend nicht möglich, dass jede Währung zu jeder anderen Währung abwertet. Stattdessen wächst nun die Gefahr, dass ein Abwertungswettlauf beginnt – zum Schaden aller.

Ein Wettkampf um die billigste Währung ist wirtschaftlich sinnlos. Und wenn jeder versucht auf Kosten des anderen zu leben, dann geht das nicht gut.

Quelle: ntv.de

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