Wirtschaft

WM-Halbfinale gegen Spanien Autobauer geben fußballfrei

Wenn der Ball rollt, stehen die Räder still: Zwei große deutsche Autobauer geben ihren Mitarbeitern am Mittwoch zum Fußball-Gucken frei. Ausnahmen gibt es allerdings nicht überall. Doch weil das große Spiel diesmal erst am Abend beginnt, muss immerhin nicht jeder Arbeitnehmer auch am Arbeitsplatz in die Röhre schauen.

Begeistert bis in die Fingerspitzen: Wie kann Deutschland arbeiten, wenn Deutschland spielt?

Begeistert bis in die Fingerspitzen: Wie kann Deutschland arbeiten, wenn Deutschland spielt?

(Foto: REUTERS)

Das Halbfinalspiel der deutschen Nationalmannschaft im Rahmen der Fußball-WM 2010 wirft auch im Autobau seine Schatten voraus. Die beiden baden-württembergischen Hersteller Daimler und Porsche lassen aus fußballerischer Fürsorge die Spätschicht jeweils früher enden. Die übrigen deutschen Hersteller hielten sich mit etwaigen internen Sonderregelungen zunächst noch bedeckt.

Im Gegensatz zu den früheren WM-Spielen mit deutscher Beteiligung stellt das Halbfinale nur Unternehmen mit langen Arbeitszeiten oder Schichtbetrieb vor die Fußball-Frage. Weil der Anpfiff zum Spiel Deutschland gegen Spanien für 20.30 Uhr angesetzt ist, legen die beiden Autobauer Daimler und Porsche ihre Schichten so, dass möglichst viele Mitarbeiter das Spiel sehen können.

Bei Daimler sehen die Regelungen im Detail so aus: In allen deutschen Werken würden die Spät- und Nachtschichten verschoben, teilte das Unternehmen mit. In der Belegschaft sei die Begeisterung riesig und deshalb sollten alle mit der Nationalmannschaft mitfiebern können, erklärte Vorstandschef Dieter Zetsche. Daher endet zum Beispiel im größten Werk in Sindelfingen die Spätschicht bereits um 19.30 Uhr statt um 22.00 Uhr. Die Nachtschicht beginnt erst um ein Uhr statt um 22.00 Uhr - und damit weit nach dem WM-Halbfinale Deutschland gegen Spanien. Bis also am Fließband wieder gearbeitet werden muss, sollten Freude oder Frust abgeebbt sein. Die Regelung bei Porsche sehen ähnlich aus.

Außerhalb der Branche kündigte der Industriekonzern Siemens eine Ausnahmeregelung an. "Wir machen alles möglich", sagte ein Siemens-Sprecher dem "Tagesspiegel". "Jeder, der Fußball schauen will, wird auch Fußball schauen können." In vielen Unternehmen hätten die Mitarbeiter schon vor einiger Zeit begonnen, ihre Schichten nach WM-Plan zu tauschen, berichtete der "Tagesspiegel" weiter. "Wir beschäftigen so viele Mitarbeiter aus anderen Nationen, da finden sich auch immer welche, denen die Deutschlandspiele nicht so wichtig sind", zitierte die Zeitung einen Siemens-Sprecher.

Konsumforscher in heller Aufregung

Die um sich greifende Fiußballbegeisterung könnte auch an ganz anderer Stelle für historische Ausnahmen sorgen: Angesichts des weitgehend unerwarteten Erfolgs der deutschen Auswahl halten Beobachter einen neuen Einschaltquoten-Rekord für möglich. Zum Spiel um den Einzug ins WM-Finale könnten damit so viele TV-Zuschauer wie nie zuvor gemessen werden.

Die Übertragung des Sieges gegen Argentinien hatte am vergangenen Wochenende den außergewöhnlich hohen Marktanteil von 89,2 Prozent erreicht. Neun von zehn Fernsehzuschauern, die am Nachmittag ihr Gerät eingeschaltet hatten, feierten vor dem heimischen Bildschirm den Einzug der Löw-Truppe ins Halbfinale. Mit 25,95 Millionen Zusehern verfehlte die Live-Übertragung Deutschland-Argentinien den bisherigen Zuschauerrekord der WM 2010, den das Spiel Deutschland-Ghana (23. Juni, 20.30 Uhr) mit 29,19 Millionen holte. Vor allem die Uhrzeit 16.00 Uhr dürfte das bewirkt haben - nachmittags wird generell weniger ferngesehen. Eine durchschnittliche Zuschauerzahl von 30 Millionen findet sich bislang nicht in den Archiven der Quotenmesser.

Das Spiel Deutschland-Australien (13.Juni, 20.30 Uhr) verfolgten 28,03 Millionen, das Match Deutschland-England (27. Juni., 16.00 Uhr) 25,57 Millionen. Und Deutschland-Serbien (18. Juni, 13.30 Uhr) hatte 22,11 Millionen Zuschauer.

Mit Regen in den Allzeit-Rekord

Einen wichtigen Faktor sehen die Fachleute in der Witterung: Das Sommerwetter treibe die Leute zum Public Viewing. Sie liegen damit außerhalb der messbaren Publikumsbereiche. Denn die Zuschauermassen vor Großleinwänden werden von den Fernsehforschern der GfK in Nürnberg nicht erfasst. Da der Trend zum Freiluftgucken offensichtlich Millionen Menschen bewegt, gehen Experten davon aus, dass man bei den deutschen Spielen eigentlich 40, wenn nicht sogar mehr als 50 Millionen Fans vor den Fernsehern zählen würde.

"Wenn das Wetter in Deutschland etwas schlechter ist, wäre das gut für die Quote", sagt ARD-Fernsehprogrammchef Thomas Wehrle. "Aber egal, ob es 28, 29 oder 30 Millionen werden, ich sehe das ganz entspannt. Die WM ist durch das erfolgreiche Abschneiden der deutschen Mannschaft schon viel besser als erwartet für uns gelaufen.“

Den bisherigen Allzeitrekord hält übrigens laut GfK/Media Control das WM-Halbfinale Deutschland-Italien 2006. Damals schauten durchschnittlich 29,66 Millionen Menschen zu. Das EM-Halbfinale Deutschland-Türkei 2008 liegt nur wenige hunderttausend Zuschauer darunter. Die gemessenen Spitzenwerte bei all den Spielen mit durchschnittlich 28 oder 29 Millionen Zuschauern wiesen stellenweise mehr als 30 Millionen Menschen aus. Die eigentliche Frage an diesem Mittwoch zum Halbfinalspiel lautet deshalb - zumindest für Quotenforscher: Erreicht der Durchschnittswert erstmals mehr als 30 Millionen?

Da es sich diesmal um ein Abendspiel handelt und das Fußballfieber in Deutschland neue Höhen erreicht hat, gelten die Chancen zumindest als hoch. Allerdings sagen die Meteorologen bestes Wetter voraus. Das dürfte zahlreiche Fußballfans mit ihrer Begeisterung ins Freie treiben.

Quelle: ntv.de, mmo/AFP/dpa

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