Wirtschaft

n-tv.de-Interview Autoindustrie verändert sich dramatisch

Das Projekt "Better Place" des ehemaligen SAP-Managers Shai Agassi hat sich nicht weniger vorgenommen als die Welt zu einem lebenswerteren Platz zu machen. Dafür arbeiten die Mitarbeiter, sprechen bei Konzernen und Regierungen vor, um die Mobilität der Zukunft auf elektrische Beine zu stellen. Der Better-Place-Manager Amit Yudan spricht mit n-tv.de über zaghafte Bemühungen der deutschen Regierung, die Trägheit der Konzerne und das Verhältnis zu den Öl-Multis.

n-tv.de: Better Place hat vor Elektroautos für den Massenmarkt zu etablieren und konnte bereits Partner in Israel, Dänemark, Australien und zuletzt Kalifornien finden. Wie stehen die Verhandlungen mit dem Autofahrerland Deutschland?

Amit Yudan: Deutschland ist ein sehr interessantes Land für uns, zum einem wegen der Exporttätigkeit, zum anderen wegen der deutschen Technologien. Wir sehen unsere Rolle darin, das Konzept von Better Place auf einer weltweiten Basis zu implementieren. Daher streben wir Partnerschaften mit deutschen Technologiefirmen an. Für die deutsche Industrie ergibt sich umgekehrt in unseren Märkten in Kalifornien, Australien, Israel und Dänemark ein Exportpotenzial. Wir sind also nicht nur in Deutschland, um Better Place hier zu etablieren, sondern auch um Partnerschaft mit den Zulieferern aufzubauen, die dann wiederum weltweit die Nachfrage befriedigen können.

Erhalten Sie Unterstützung von der deutschen Regierung?

Wir haben vor zwei oder drei Jahren angefangen, über Elektroautos zu sprechen. Damals war das noch ein sehr neues Thema. Es ist sehr spannend zu beobachten, dass heute die führenden Politiker selbst das Konzept und dessen Bedarf erklären und weiter verbreiten. Verglichen mit anderen Ländern beobachten wir in Deutschland jedoch einen anderen Fokus. Die Deutschen verfolgen einen strategischen, nationalen Plan, der sich sehr stark auf die Entwicklung von unterschiedlichen, noch zu implementierende Technologien konzentriert. In anderen Ländern haben sich die Regierungen dafür entschieden, unsere Bemühungen zu unterstützen und unsere Netzwerke basierend auf der existierenden Technologie zu nutzen.

Sie haben Renault Nissan als Kooperationspartner gewinnen können. Bei der Vorstellung von Better Place in Berlin im September 2008 hat Shai Agassi die Autobauer VW, Daimler und BMW gewarnt, dass sie in Gefahr sind, die "Revolution zu verpassen" wenn sie Elektroauto-Projekte weiter als "Experiment" betrachten. Gab es eine Reaktion darauf?

Wir haben damals mit der Industrie gesprochen und ihnen gesagt, dass die Welt sich dramatisch ändern wird. Alles, was wir prophezeit haben, ist eingetreten. Seit September hat sich die Autoindustrie dramatisch verändert. Zum einen sind die Profite der Autobauer eingebrochen, der einst große US-Markt ist stark geschrumpft und auch in Asien fallen die Verkaufszahlen. Die Industrie ist also im Wandel. Zweitens haben auch die Regierungen ihre Einstellung zu Elektro-Autos geändert. In Kalifornien profitieren wir von einem Teil der nationalen Politik in den USA. Die Regierung hat 25 Milliarden Dollar bereitgestellt, um die Industrie zu unterstützen. Ein Teil davon sollen die Abonnenten finanzieren, die sich für ein Elektro-Auto entscheiden. Wenn ein Autofahrer ein elektrobetriebenes Auto kaufen will, soll er von der Regierung einen Bonus bis zu 7.500 Dollar erhalten. Hinzu kommt die Tatsache, dass sobald das Netzwerk in Kalifornien steht, die Autos, die unseren Visionen entsprechen, einen sehr großen Markt vorfinden werden.

Wie haben Daimler und BMW auf Ihr Konzept reagiert? Wollen die Firmen eigene Technologie auf eigenen Wegen einführen? Oder finden Gespräche über eine Kooperation mit Ihnen statt?

Wir sprechen mit allen Beteiligten. Jedes Land, das wir gewinnen können, eröffnet neues Potenzial für die Autokonzerne. Je weiter wir unsere Netzwerke aufspannen, desto interessanter wird es für die Länder. Denken Sie an Dänemark. Sobald das Netzwerk steht, werden für ein Elektroauto 0 Prozent Importsteuern anfallen. Ein nichtelektrisches Auto dagegen wird mit 118 Prozent belegt sein. Also wird der Preis von jedem deutschen exportierten Auto doppelt so hoch sein. Was wird der Konsument tun, wenn er die Wahl hat, zwischen einem Auto, das Null-Emissionen aufweist und deutlich günstiger ist und einem herkömmlichen Auto? Die ökonomischen Vorteile werden sich ändern, sobald das Netzwerk im Betrieb ist.

Israel, Dänemark, Australien oder die US-Staaten Kalifornien und Hawaii sind sehr unterschiedliche Länder mit sehr unterschiedlichen Ansprüchen an die Infrastruktur. Wo sehen Sie die größten Herausforderungen, wo gibt es die größten Fortschritte?

Die größten Fortschritte wird es in den kleinen Ländern geben, die als "Mobilitäts-Inseln" gesehen werden können, dort können wir das gesamte Mobilitätskonzept aufbauen. Damit das Modell funktioniert, konzentrieren wir uns auf die städtischen Zentren, dort implementieren wir eine umfassende Infrastruktur. In Australien werden wir beispielsweise ein Netzwerk im Wert von einer Milliarde australischer Dollar aufbauen. Zwischen den verschiedenen Zentren bauen wir die Ladestationen für die Elektro-Autos auf, damit wir die einzelnen Regionen verbinden können. Der Druck von Seiten der Konsumenten ist hoch. Wenn wir ankündigen, dass wir in ein Land kommen, geht es auch schnell um Skaleneffekte. Wir hoffen, dass wir die Erfahrungen eines Landes in vielen verschiedenen Ländern anwenden können.

Sind die geplanten Vertriebsmodelle überall gleich? Zu lesen war, dass in Israel die Autos kostenlos an die Kunden abgegeben werden sollen, die einen Vier-Jahres-Vertrag zur Abnahme einer bestimmten Strommenge unterschreiben.

Es gibt spezifische Unterschiede in jedem Land. In Deutschland ist es für die Kunden zum Beispiel enorm wichtig, eine enge Beziehung zum Autobauer zu haben. Unser Modell sieht vor, dass ein Kunde beispielsweise zu seinem BMW-Händler gehen kann, sich dort das Auto kauft und einen 'Better Place'- Standort vorfindet, wo er das Strom-Abonnement erwerben kann. Er kann sich also wie gewohnt das Auto, die Farbe der Sitzbezüge und alle Extras aussuchen und später auch den Garagenservice nutzen. Gleichzeitig wird alles was mit dem Thema Strom und Mobilität zu tun hat, von 'Better Place' bereitgestellt. Das ist zum Beispiel in Israel ganz anders, wo 70 Prozent der Autofahrer Firmenwagen nutzen.

Wie war die Reaktion der deutschen Automobilindustrie auf das Projekt "Better Place"? Auch hierzulande wird ja die Entwicklung von alternativen Antrieben vom Staat gesponsert. Die Bundesregierung spendiert etwa 2,2 Millionen Euro für das Hydrogen-Projekt von Opel und 500 Millionen Euro insgesamt für alle Hersteller.

Zunächst: In anderen Ländern werden Summen in ganz anderen Größenordnungen bereitgestellt. In den USA die besagten 25 Milliarden. Dort lenkt die Regierung auch das Geld gezielt hin zu der Elektrifizierung der Auto-Industrie. Auch in Frankreich stellt Präsident Sarkozy 500 Millionen Euro bereit. Andere Regierungen nehmen also eine weitaus aktivere Rolle bei dem Thema ein. Aber es geht nicht nur um den deutschen Markt. Die deutsche Autoindustrie verkauft mittlerweile weitaus mehr Autos im Ausland, beispielsweise auch in Kalifornien, Fernost oder Russland. Daher ist es ebenso wichtig, was in anderen Ländern passiert. Je mehr die Zeit vergeht, desto mehr sehen wir eine Adaption unserer Vision in allen möglichen Ländern. Die Elektrifizierung des Autos ist die Zukunft. Einige Leute sehen in der Wasserstoff-Technik eine Möglichkeit die Reichweite von Elektro-Autos signifikant zu erhöhen, aber nur für Highend-Anwendungen. Die Elektrotechnik ist eher für die Masse kompatibel. Die deutsche Autoindustrie ist sehr stolz und sehr erfolgreich im Bau von Diesel-Motoren. Daher versuchen sie eine Balance zu finden zwischen den Trends unter den Verbrauchern, dem Druck der EU und dem Willen ihre Dieseltechnik weiter zu bauen. Sie sind dennoch mehr und mehr im Bau von Elektro-Autos aktiv. Einige Demonstrationen konnte man bereits sehen. Aber andere Länder sind schneller bei der Übernahme des Elektrotrends.

Sie haben auch von neuen Jobs durch den Trend zum Elektro-Auto gesprochen. Ist die derzeitige Finanzkrise dabei hilfreich? Der stark gefallene Ölpreis hat Ihnen doch ein wichtiges Argument geraubt.

Wir sehen das als Chance. Viele Analysten, Banker und Experten, mit denen wir gesprochen haben, haben klar gemacht, dass der Ölpreis heute mehr denn je direkt mit der weltweiten ökonomischen Situation verbunden ist. Was wird passieren, wenn sich die wirtschaftliche Situation weltweit wieder entspannt? Die Ölkonzerne haben kostspielige Erschließungs-Projekte wegen der Wirtschaftskrise erst mal auf Eis gelegt. Wenn die Wirtschaft wieder anspringt werden zwei Dinge passieren: Erstens werden Projekte zur Erschließung alternativer Ölquellen brach liegen und zweitens wird der Ölpreis noch höher steigen, als wir es erst vor kurzem gesehen haben. Jeden, der darauf nicht vorbereitet ist, wird es umso härter treffen. Das wird sich zu einem echten Wachstumsproblem entwickeln.

Wie grün sind Elektro-Autos wirklich? Wenn der Strom zum Beispiel aus Kohlekraftwerken kommt, ist der Umweltnutzen durchaus fraglich.

Das Elektro-Auto ist die einzige wirklich CO2-freie Plattform für Autos. Dazu gibt es keine Alternative. Wir sind keine Stromerzeuger. Wir haben keine Kohlekraftwerke. Daher haben wir aber die Wahl, welche Energie wir kaufen. Wir sind bereit einen Premiumpreis für erneuerbare Energie zu zahlen. In Deutschland beispielsweise haben wir ausreichend erneuerbare Energie um unsere Flotte zu betreiben. Da wir keine Stromerzeuger sind haben wir kein Interesse an der Förderung bestimmter Stromarten wie Kohle. Vielmehr können wir uns auf erneuerbare Energien fixieren und dort eine Nachfrage schaffen.

Angenommen, ihr Projekt wächst schnell und Sie sind nicht mehr in der Lage den Energiebedarf der Fahrzeuge ausschließlich mit erneuerbarer Energie zu decken. Was machen Sie?

Wenn ungefähr 25 Prozent der Fahrzeuge in Deutschland innerhalb der nächsten acht Jahre mit Elektrizität fahren, dann würde der zusätzliche Energiebedarf lediglich fünf Prozent des jetzigen Stromkonsums betragen. Über zehn Jahre gedacht ist es ein halbes Prozent mehr an benötigtem Strom. Die Bundesregierung hat das Ziel ausgegeben zu einem Anteil von 30 Prozent an erneuerbaren Energien zu kommen. Daher sind auch die Erzeuger alternativer Energien schon mehrfach zu uns gekommen und haben uns ermutigt. Sie sagen, das was wir tun schafft mehr Nachfrage. Und die Kunden sind bereit mehr für diese zusätzliche Nachfrage zu zahlen. Der Preis für Mobilität auf Basis von Öl wird langfristig viel höher sein als der für Mobilität auf Basis von erneuerbaren Energien.

Wie ist ihr Verhältnis zu den Öl-Multis? Werden Sie da gefürchtet?

Nein, das Gegenteil ist der Fall. Einer unserer größten Investoren ist die Israel Corporation. Das ist die größte Ölgesellschaft in Israel und das größte Unternehmen dort überhaupt. Sie haben eigene Raffinerien, produzieren Strom aus Öl und haben Chemieunternehmen. In Dänemark sieht es fast genauso aus. Dort haben wir mit Dong einen ähnlichen Partner als Investor. Viele dieser Unternehmen haben verstanden, dass es nicht für immer Öl geben wird. Solche Firmen müssen darüber nachdenken, was nach dem Öl kommen soll. Deshalb sehen sie Projekte wie Better Place als eine Chance.

Wir danken für das Gespräch.

Sehr gerne.

Quelle: ntv.de, Mit Amit Yudan sprachen Samira Lazarovic und Markus Mechnich

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