Ölpest im Golf von Mexiko BP fürchtet die Rechnung
03.08.2010, 22:26 UhrDas Bohrloch vor der Südküste der USA ist noch nicht endgültig dicht, doch Zeit zum Durchatmen gibt es für BP nicht. Der britische Energiekonzern verkauft Förderrechte in Kolumbien. Das Geld wird dringend benötigt: Die US-Regierung verfügt über neue Grundlagen zur Berechnung des Gesamtschadens.

Gewaltiger Aufwand: Mit einer ganzen Flotte versucht BP den Schaden im Golf von Mexico zu beheben.
(Foto: REUTERS)
Der britische Energiekonzern BP setzt den Verkauf von Unternehmensbestandteilen fort. Um Rücklagen für die Kosten zur Bekämpfung der Ölkatastrophe im Golf von Mexiko zu bilden, verkauft das britische Unternehmen seine Ölgeschäft in Kolumbien. Der Bereich geht für 1,9 Mrd. Dollar an ein Konsortium aus dem kanadischen Konzern Talisman Energy und dem kolumbianischen Staatsunternehmen Ecopetrol, teilte BP mit. Talisman werde 49 Prozent halten, Ecopetrol den Rest, hieß es.
Mit dem Verkauf setzt BP das geplante Verkaufsprogramm fort. In den kommenden 18 Monaten will BP früheren Planungen zufolge Vermögenswerte in Höhe von 30 Mrd. Dollar an neue Besitzer bringen. Die bisher größte Trennung war der Verkauf von Geschäftsteilen an das US-Unternehmen Apache für sieben Milliarden Dollar.
Nach mehr als drei Monaten bekommt BP auch eine amtliche Bestätigung für eine Einschätzung, die unter Beobachtern schon lange als gesichert gilt: Die Katastrophe im Golf von Mexiko ist nicht nur flächenmäßig und bezogen auf den Gesamtschaden der größte Ölunfall aller Zeiten. Regierungsangaben zufolge übertrifft die Ölpest mit rund 780 Mio. Liter (4,9 Mio. Barrel) ausgelaufenem Rohöl auch bezogen auf das ausgetretene Volumen alle bisherigen Unfälle. Derzeit laufen die Vorarbeiten an dem Versuch, das provisorisch abgedichtete Bohrloch endgültig zu versiegeln.
Am oberen Rand der Schätzungen
"Insgesamt schätzen die Wissenschaftler-Teams, dass rund 4,9 Mio. Barrel Öl aus dem Bohrloch geflossen sind", erklärte der Krisenstab aus Vertretern der US-Regierung und des britischen BP-Konzerns. Immerhin ein kleiner Teil von 127 Mio. Liter (800.000 Barrel) Öl konnte demnach mit Hilfe von Absaugkuppeln bis zur Verschließung des Lecks am 15. Juli aufgefangen werden. Das Rohöl war nach der Explosion der BP-Ölbohrplattform "Deepwater Horizon" am 20. April ausgetreten und bedroht seitdem nicht nur Fische, Krabben, Schildkröten oder Meeressäuger, sondern auch die empfindliche Marschlandschaft an der Südküste der USA inklusive unzähliger Arbeitsplätze in den betroffenen Bundesstaaten.
Bisherige Schätzungen waren von 3,0 bis 5,3 Mio. Barrel ausgelaufenen Öls ausgegangen. Beim bisher größten Ölunfall waren 1979 - ebenfalls im Golf von Mexiko - nach einer Explosion auf der mexikanischen Ölförderanlage Ixtoc Uno 3,3 Mio. Barrel ins Meer geströmt. Bei der Ölkatastrophe vor Alaska, die 1989 durch den Untergang des Tankers "Exxon Valdez" verursacht worden war, waren 41 Mio. Liter ausgelaufen. Ein noch größeres Ausmaß hatten nur die Kriegsschäden in den Ölfeldern am Persischen Golf in Folge des irakischen Überfalls auf Kuwait im Jahr 1991.
Zu Wochenbeginn hatte BP mit den letzten Vorbereitungen für die endgültige Versiegelung des mit einer Verschlusskappe abgedichteten Bohrlochs begonnen. Ziel war es, zunächst Schlamm und dann Zement unter hohem Druck durch die Verschlusskappe in die defekte Leitung zu pressen, um das Leck so zu verschließen.
Am Ende wird abgerechnet
Der "static kill" genannte Einsatz könnte bis zur Wochenmitte andauern, sagte BP-Vizepräsident Kent Wells in New Orleans. Danach soll zusätzlich die Versiegelungsmethode "bottom kill" angewendet werden: Dabei wird durch eine Entlastungbohrung auch am unteren Ende der Bohrleitung Schlamm und Zement eingefüllt.
Gemessen an den neuen Schätzungen über die ausgelaufenen Ölmenge droht BP eine Entschädigungsforderung der US-Regierung in Höhe von 17,6 Mrd. Dollar (gut 13 Mrd. Euro). Pro Barrel ausgelaufenen Rohöls kann laut US-Recht eine Strafe von bis zu 4300 Dollar berechnet werden. Bislang bildete BP Rücklagen zum in Höhe von 32,2 Mrd Dollar. Einen Teil der Kosten will BP offenbar auf Subunternehmer abwälzen. Nach eigenen Angaben stellte BP den Partnerfirmen Mitsui und Anadarko Rechnungen in Höhe von insgesamt knapp 1,3 Mrd. Dollar.
Bei den Entschädigungsforderungen aus Washington dürfte es nicht bleiben. Denn abgesehen von weiteren möglichen Schadenersatzklagen, pochen auch zahlreiche Anrainer auf Entschädigungen. Und auch die meldete bereits Forderungen an.
Quelle: ntv.de, AFP/rts