"Regulatorischer Blindflug"? "Basel III"-Regeln polarisieren
13.09.2010, 13:16 UhrEine bessere Ausstattung der Banken mit Eigenkapital soll künftige Liquiditätsengpässe und somit auch Finanzkrisen verhindern. "Basel III" nennt sich das Reformwerk, auf das sich Bankenaufseher nun verständigt haben. Doch es regt sich Unmut unter Deutschlands Banken. China will dagegen mitziehen.
Aus Deutschland kommt schwere Kritik an dem von Bankenaufsehern auf den Weg gebrachten Reformpaket "Basel III“ - dennoch will auch China schärfere Regeln für seinen Finanzbranche. Nach "Basel III" sollen Banken riskante Geschäfte künftig mit deutlich mehr Eigenkapital unterlegen. Im Fall einer Krise sollen sie aus eigener Kraft überleben können. Der Bundesverband Öffentlicher Banken (VÖB), der auch die Landesbanken vertritt, spricht von einem "regulatorischen Blindflug".
Nach den Erfahrungen nach der Lehman-Pleite vor zwei Jahren, die die Finanzmärkte ins Wanken brachte und Staaten zwang, Institute mit Milliarden-Steuergeldern vor dem Kollaps zu retten, sollen die Vorgaben von 2013 an greifen und bis Anfang 2019 komplett umgesetzt werden. Damit es dazu kommt, müssen die Staats- und Regierungschefs der wichtigsten Wirtschaftsnationen (G20) das Reformpaket bei einem Treffen im November in Südkorea absegnen.
Die verschärften Eigenkapital- und Liquiditätsregeln sollen stufenweise und mit längeren Übergangsfristen eingeführt werden. So soll verhindert werden, dass auf die Banken auf einen Schlag zu hohe Belastungen zukommen und etwa die Kreditvergabe an Unternehmen eingeschränkt wird.
Knackpunkt Kernkapitalquote
Tritt die Regelung in Kraft, müssen sich die Banken weltweit dennoch in den kommenden Jahren frisches Geld in Milliardenhöhe besorgen, etwa über Kapitalerhöhungen oder die Nichtausschüttung von Gewinnen. Von 2013 an soll die Kernkapitalquote stufenweise von derzeit vier auf sechs Prozent steigen, zuzüglich eines Krisen- Puffers von 2,5 Prozent. Diese Quote sagt aus, inwieweit ein Institut seine Risiken wie Kredite oder Wertpapiere durch eigene Mittel unterlegt hat.
Zudem gelten künftig strengere Auflagen, was als sogenanntes hartes Kernkapital gilt. Die deutschen Aufseher hatten sich dagegen zunächst gestemmt. Sie beharrten darauf, Finanzierungsinstrumente wie stille Einlagen - etwa bei Landesbanken und Sparkassen - als hartes Kernkapital anerkennen zu lassen, lenkten aber später ein.
Pro und Contra
VÖB-Hauptgeschäftsführer Karl-Heinz Boos sagte: "Der deutschen Delegation ist es offensichtlich nicht gelungen, die Besonderheiten des deutschen Bankensystems, insbesondere bei den stillen Einlagen, erfolgreich zu vertreten." Es sei besonders bedauerlich, dass die in der Europäischen Union vereinbarten Übergangsfristen für stille Einlagen bis 2040 nicht übernommen worden seien. Bundesbank-Präsident Axel Weber hatte hingegen schon am Sonntag erklärt: "Auch die Besonderheiten der deutschen Finanzinstitute, die keine Aktiengesellschaften sind, wurden (...) angemessen berücksichtigt."
Zudem soll nach Basel III von 2016 an ein Kapitalpuffer für Krisen eingeführt werden, der bis 2019 schrittweise auf 2,5 Prozent ansteigt. Einen weiteren Puffer von 0 bis 2,5 Prozent können einzelne Länder abhängig von der jeweiligen nationalen Situation einfordern. Er soll den nationalen Bankensektor vor exzessivem Kreditwachstum schützen.
China zieht mit

Shanghais Finanzzentrum Lujiazui: Auch China will die Zügel für seine Banken anziehen.
(Foto: REUTERS)
Einem Zeitungsbericht zufolge plant Chinas nationale Bankenaufsicht (CBRC) für das nächste Jahr neue verschärfte Regeln für seine Bankenbranche. Damit solle sichergestellt werden, dass die Kreditinstitute ausreichend mit Kapital, Rückstellungen und Liquidität gegen mögliche Risiken gewappnet seien, berichtete die Zeitung "China Business News" unter Berufung auf nicht näher bezeichnete Kreise.
Systemrelevante Banken sollen demnach künftig ihr Geschäft mit einer angemessenen Eigenkapitalausstattung (CAR) von mindestens elf Prozent absichern, die übrigen Institute mit zehn Prozent. Zusätzlich könnten die Aufseher eine weitere Erhöhung um fünf Prozentpunkte anordnen. Bislang liegen die Anforderungen bei acht Prozent. Börsennotierte Banken müssen sich in der Realität allerdings schon jetzt härteren Bedingungen stellen. Bei der Verschuldungsgrenze soll ab 2011 eine Kernkapitalquote von vier Prozent der gesamten Vermögenswerte zugrunde gelegt werden. Auch sollen die Banken ihre Rücklagen für Risiko-Kredite erhöhen müssen.
Reserven für offene Kredite
Insgesamt sollen die Banken des Landes im kommenden Jahr für 2,5 Prozent ihrer offenen Kredite Reserven bilden Die fünf größten chinesischen Banken verfügten Ende Juni zwar bereits über Kreditreservequoten zwischen 1,97 Prozent und 3,15 Prozent. Bei kleineren Instituten habe die Quote allerdings unter 2 Prozent gelegen, wie die Zeitung weiter berichtet.
Die chinesische Finanzbranche ist in den vergangenen Jahren zu einer der größten und einflussreichsten der Welt geworden. Allein die im Juli an die Börsen Shanghai und Hongkong gegangene AgBank verfügt über Vermögenswerte in Höhe von 1,4 Billionen Dollar. Sie hat 350 Millionen Kunden - und damit mehr als die USA Einwohner hat. In den vergangenen Wochen hatten zudem bereits mehrere Institute Kapitalerhöhungen angekündigt - wie beispielsweise die China Construction Bank.
Quelle: ntv.de, bad/DJ/dpa/rts