Wirtschaft

BoJ wirft Geld auf den Markt Beben trifft Wirtschaft hart

Japans Notenbank versucht mit massiven Geldspritzen die wirtschaftlichen und finanziellen Folgen des Jahrhundertbebens abzumildern. Um die Märkte zu stabilisieren, pumpen die Währungshüter die Rekordsumme in das Finanzsystem. Zudem kauft die Bank in großem Umfang Wertpapiere.

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(Foto: REUTERS)

Die japanische Notenbank weitet wegen der Erdbebenkatastrophe ihr Programm zum Wertpapierkauf aus. Der Umfang werde auf 40 Billionen Yen (knapp 350 Mrd. Euro) von zuvor 35 Billionen Yen erhöht, teilte die Bank of Japan (BoJ) in Tokio mit. Mit der weiteren Lockerung der Geldpolitik solle verhindert werden, dass die Wirtschaftsstimmung sich verschlechtere. Die Notenbank hielt an ihrem Wirtschaftsausblick fest. Die Industrieproduktion werde wegen der Erdbebenkatastrophe aber wahrscheinlich bis auf Weiteres zurückgehen. "Wir sind auch besorgt, dass sich die Stimmung in der Geschäftswelt und bei den Verbrauchern vershclechtern könnte", sagte Notenbankgouverneur Masaaki Shirakawa.

Die Aktion der Zentralbank bremste den Anstieg des Yen an den Währungsmärkten. Fachleute halten in den kommenden Tagen Eingriffe in den Devisenhandel durch die Japaner für denkbar. Finanzminister Yoshihiko Noda begrüßte die "angemessene und rasche Entscheidung" der Bank von Japan. Ihren Leitzins beließen die Währungshüter bei nahe null Prozent.

Notenbankgouverneur Shirakawa sagte, die Zentralbank werde die Entwicklung an den Märkten in den nächsten Wochen eng beobachten; gegebenenfalls könnten die Maßnahmen angepasst werden, wenn mehr Klarheit über das ökonomische Ausmaß der Verwüstungen bestehe. Shirakawa hatte bereits zuvor angekündigt, die Zentralbank wolle die Märkte stabilisieren.

Die Notenbank will zudem sicherstellen, dass den Geschäftsbanken das Geld nicht ausgeht, wenn viele Sparer Beträge abheben.

Hoffen auf den "Kobe-Effekt"

Premierminister Naoto Kan erwartet, dass Japan bald einen wirtschaftlichen Aufschwung erleben werde wie die Vereinigten Staaten unter dem "New Deal" von Präsident Franklin Delano Roosevelt in den dreißiger Jahren. Das Erdbeben werde schon bald durch den Wiederaufbau in den betroffenen Regionen große Nachfrage schaffen. 

Kans Prognose ist nach Einschätzung von Volkswirten nicht aus der Luft gegriffen. Sie verweisen auf den so genannten "Kobe-Effekt". 1995 hatte ein Erdbeben in der japanischen Stadt Kobe große Schäden angerichtet, der Ökonomie kurzfristig einen Dämpfer versetzt, dann aber mit der zusätzlichen Wiederaufbau-Nachfrage die Wirtschaft angekurbelt.

Wie hoch die kurzfristigen und langfristigen ökonomischen Schäden sein werden, ist noch völlig unklar. Sorgen vor einer neuen weltweiten Rezession nach dem verheerenden Erdbeben in Japan sind nach Einschätzung von Allianz-Chefvolkswirt Michael Heise unbegründet. Die größte Sorge gelte dem Verlust von Menschenleben und dem Vermögen der Menschen in Japan. "Das sind die wirklich wichtigen Themen", sagte er.

Die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt dürfte Heise zufolge die Katastrophe längerfristig ohne größeren Dämpfer überstehen. Das Ausmaß der wirtschaftlichen Folgen hänge allerdings stark von der Entwicklung um das beschädigte Atomkraftwerk Fukushima ab. "Dass das Japan die Initialzündung für eine große Rezession bringt, ist nicht zu erwarten", sagte Heise. Wenn es zu einer Atomkatastrophe komme, werde das allerdings "schon nachhaltige Folgen für die japanische Ökonomie haben".

Japan war von der weltweiten Wirtschaftskrise 2009 unter den großen Volkswirtschaften mit am schlimmsten erwischt worden, hatte sich aber 2010 überraschend schnell erholt. Für 2011 und 2012 rechneten Volkswirte schon vor dem Erdbeben aber wieder mit deutlich geringeren Wachstumsraten. Größtes Problem der Japaner ist allerdings die gigantische Staatsverschuldung, die mit rund 200 Prozent der Wirtschaftsleistung deutlich größer ist als in allen anderen Industriestaaten.

Vor diesem Hintergrund ist Japans Wirtschaft zur Unzeit von dem Erdbeben erwischt worden. Heise erwartet allerdings, dass die kurzfristigen Produktionsausfälle rasch wieder aufgeholt werden - zumal die meisten Sachwerte dort versichert seien. Wie andere Ökonomen verweist auch Heise auf den sogenannten "Kobe-Effekt". Außerdem befänden sich vor allem die asiatischen Handelspartner der Exportnation Japan in einem starken und selbsttragenden Aufschwung. "Das hilft natürlich auch Japan", sagte Heise.

"Japan wird durch diese Naturkatastrophe sicherlich einen Rückgang der Wirtschaftsaktivität verkraften müssen", sagte der Wirtschaftsweise Lars Feld dem Berliner "Tagesspiegel". Inwieweit sich dies auch auf andere Länder auswirken werde, sei aber noch offen. Möglich seien hier sogar positive Wirkungen aufgrund des in Japan anstehenden Wiederaufbaus.

Die Naturkatastrophe und die atomaren Störfälle seien ein schwerer Schlag für die Menschen in Japan, sagte auch der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Hans Heinrich Driftmann. Er äußerte aber die Hoffnung, dass die Folgen auch für die japanische Wirtschaft überschaubar bleiben würden. "Ein hochtechnologisch aufgestelltes Land wie Japan wird in der Lage sein, den Schock zumindest wirtschaftlich wieder schnell zu verdauen", sagte Driftmann.

Entwarnung für die deutsche sowie die globale Wirtschaft gab der deutsche Wirtschaftsweise Wolfgang Franz. "Eine erneute globale Rezession befürchte ich nicht, auch nicht eine hiesige deutliche Konjunkturabschwächung", sagte der Chef des Sachverständigenrats dem "Handelsblatt". Allerdings könne die Katastrophe einige deutsche Unternehmen temporär hart treffen, wenn sie stark in Japan engagiert seien. Der japanischen Regierung riet Franz zu Steuererhöhungen, um einer Staatspleite in dem ohnehin stark verschuldeten Land vorzubeugen.

Moody's hält still

Die Ratingagentur Moody's versicherte, das verheerende Erdbeben werde die Wahrscheinlichkeit einer schlechteren Bonitätsnote nicht erhöhen. Japan droht angesichts der hohen Schulden eine Herabstufung der Kreditwürdigkeit durch Moody's. Die Agentur hatte ihren Ausblick für das Land zuletzt auf "negativ" gesenkt. Schlechtere Bonitätsnoten haben in der Regel höhere Finanzierungskosten für Schuldner zur Folge.

Um die drohende Herabstufung zu verhindern, komme es vielmehr auf eine Reduzierung des Haushaltsdefizits und eine Ankurbelung des Wirtschaftswachstums auf mittlere Sicht an, betonte Moody's."Die Regierung eines großen und reichen Landes sollte in der Lage sein, örtlich begrenzte Naturkatastrophen zu bewältigen", meinte Moody's-Japanexperte Tom Byrne. Die Rettungs- und Aufbaukosten dürften den Haushalt nur vorübergehend belasten.

Toyota stoppt Produktion

Die unmittelbaren Auswirkungen der Naturkatastrophe auf die Wirtschaft sind nicht zu übersehen. Etliche japanische Unternehmen stoppten am Montag ihre Produktion. Viele Fabriken waren zerstört worden, in vielen Regionen fiel der Strom aus. In der Millionenmetropole Tokio wird der Strom rationiert.

Auch viele Einzelhandelsgeschäfte waren im Zentrum der japanischen Hauptstadt geschlossen Zehntausende Menschen gelten nach dem Erdbeben und Tsunami vergangene Woche als tot, viele werden vermisst.

Der Autobauer Toyota kündigte einen Produktionsstopp von Montag bis Mittwoch in all seinen inländischen Fabriken an. Nach Angaben von Kyodo News seien dies Sicherheitsvorkehrungen für die Arbeiter und deren Familien in den vom Erdbeben erschütterten Regionen. Die dreitägige Betriebspause komme einem Verlust von 40.000 produzierten Autos gleich.

Auch die Toyota-Töchter Daihatsu Motor und Hino Motors wollten dem Beispiel folgen. Die Firma Isuzu Motors wollte ihre Produktion sogar von Montag bis Freitag lahmlegen.

Weil zu wenig Autoteile geliefert wurden, musste auch Honda Motor seine Produktion in der Erdbeben betroffenen Region einstellen.

Sony setzte den Betrieb in der Fabrik für Klebebänder bei Kanuma, nördlich von Tokio, aus. Auch der Elektronikriese Toshiba kündigte an, dass in Fukaya, bei Tokio, die Produktion von Flachbildschirmen eingestellt werde.

Häfen zerstört

In Japan wurden wegen des schweren Erdbebens und des anschließenden Tsunamis mindestens sechs Häfen schwer beschädigt. Die nordöstlichen Häfen Hachinohe, Sendai, Ishinomaki und Onahama sind so stark verwüstet worden, dass sie für Monate, wenn nicht sogar Jahre außer Betrieb bleiben dürften. Japans neuntgrößter Container-Hafen Kashima und der kleinere Hafen Hitachinaka seien weniger stark beschädigt, würden aber voraussichtlich erst in einigen Wochen wieder in Betrieb gehen, hieß es. Dutzende Container-Schiffe seien außerdem zerstört worden.

Die Hafenausfälle dürften nicht nur die Hilfs- und Aufräumarbeiten in dem Katastrophengebiet nordöstlich der Hauptstadt Tokio erschweren, sondern könnten auch zu erheblichen Störungen der internationalen Handelsströme führen. Die Schließung der Häfen wird die japanische Volkswirtschaft voraussichtlich 3,4 Mrd. Dollar täglich kosten, wie aus Daten des Schifffahrtsmagazins Lloyd's List Intelligence hervorgeht. Der maritime Handel der weltweit drittgrößten Volkswirtschaft hatte im vergangenen Jahr ein Volumen von 1,5 Billionen Dollar.

Nach Einschätzung von Analysten dürfte es Monate dauern, bis die japanische Frachtschifffahrt wieder ihr normales Niveau erreicht hat. "Die kurzfristigen Auswirkungen auf die Wirtschaft könnten größer sein als nach dem Kobe-Erdbeben", sagte Analyst Jiyun Konomi von Nomura Securities. Nach dem Erdbeben in Kobe 1995 hätte die japanische Speditionsbranche drei Monate benötigt, um wieder ihr normales Niveau zu erreichen.

Quelle: ntv.de, rts

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