Mehr Integration statt Spaltung Berlin will den Euro retten
02.12.2010, 15:32 UhrIn Deutschland gibt es in der Euro-Debatte zwei Welten, die immer weniger miteinander zu tun haben. In der einen zieht der frühere BDI-Vorsitzende Hans-Olaf Henkel mit der These eines "Nord-Euro" durch die Talkshows. In der anderen stellen sich Bundesregierung und Parlament in erstaunlicher Geschwindigkeit auf immer weitergehende Integrationsschritte in der EU ein.
Warum dies so ist, hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel vergangene Woche in mehreren Reden betont: "Scheitert der Euro, scheitert Europa", mahnte sie. Damit war klar, dass das Auseinanderbrechen der europäischen Gemeinschaftswährung für die Kanzlerin nie in Frage kommen wird. Wichtige Wirtschaftsverbände wie der BDI oder der BGA haben das ebenfalls mit Blick auf die Nachteile für die Exportnation ebenfalls betont. Und das gleiche gilt - bis auf einige Hinterbänkler - für die Fraktionen von Union, FDP, SPD und Grünen. Am Donnerstag stellten sich alle vier - wenn auch nicht gemeinsam - hinter das Hilfspaket für Irland.
Die damit verbundene politische Botschaft: Deutschland ist bereit, für die Stabilität des Euro selbst dann höhere Kosten in Kauf zu nehmen, wenn sich EU-Staaten über Jahre ökonomisch unverantwortlich verhalten. "Deutschlands Antwort auf die Probleme heißt mehr und nicht weniger Integration in Europa", sagt der europapolitische Sprecher der Unions-Fraktion, Michael Stübgen.
Große Integrationsschritte
Tatsächlich ist nicht nur die Krise der Euro-Staaten atemberaubend, sondern auch die Schnelligkeit, mit der innerhalb weniger Monate etliche deutsche Tabus geschleift wurden. Hatten viele Medien im Frühjahr noch gegen die Griechenland-Hilfe gewettert, einige sogar in regelrechten Kampagnen gehetzt, so wird in immer mehr deutschen Medien heute die Unterstützung angeschlagener Schuldenstaaten als richtig gesehen. Mit bemerkenswerter Gelassenheit haben sich die Unions- und FDP-Fraktion selbst dazu bereit erklärt, einen permanenten Euro-Krisenmechanismus und damit eine dauerhafte deutsche Mithaftung für die Probleme der Euro-Partner mitzutragen. "Die nachhaltige Stabilisierung der Euro-Zone ist im Interesse Deutschlands und seiner europäischen Partner", heißt es zur Begründung in dem Antrag der Regierungsfraktionen.
Ausgerechnet im Euro-Krisenjahr ist die größte EU-Volkswirtschaft damit zwei riesige Integrationsschritte gegangen. Anfang des Jahres trat der von Deutschland maßgeblich beförderte neue EU-Vertrag in Kraft, der das Veto-Recht der Nationalstaaten in der Innen- und Justizpolitik kippte. Am 11. Februar nahm Merkel dann erstmals den Begriff "Wirtschaftsregierung" in den Mund.
Mittlerweile ist beschlossen, dass die Nationalstaaten ihre Haushalte nicht nur vor der Verabschiedung zur Begutachtung in Brüssel vorlegen müssen. Erstmals werden zudem die makroökonomischen Daten der EU-Staaten überprüft. Im Klartext: Künftig redet jeder bei der Politik des anderen mit. Sehr deutlich hat dies die "Zeit" mit Hinweis auf eine Rede von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble an der Pariser Universität Sorbonne beschrieben: "Es ist nicht weniger als eine Revolution. Ein deutscher Minister kippt die deutsche Position, wonach nationale Politik die Sache der Nationalstaaten ist."
Weiterentwicklung der EU
Ein anderes Indiz für das Umdenken auf breiter Front hat Thomas Straubhaar geliefert, der Direktor des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts. Er stellte fest, dass jetzt nur die "Geburtsfehler" des Euro beseitigt würden. "Es gilt, die Währungsunion ganz ruhig weiterzuentwickeln und erst durch eine Fiskal- sowie später wohl durch eine politische Union zu ergänzen." Früher hätten solche Ansichten eine Welle der Empörung ausgelöst. Heute sekundiert CDU-Politiker Stübgen: "Wir müssen die Angleichung der Wirtschaftspolitiken jetzt nachholen."
In der Union wird daran erinnert, dass dies im Grunde nur eine Rückbesinnung auf die Position von Altkanzler und "Euro-Vater" Helmut Kohl sei: Auch dieser habe erst die Politische Union und dann den Euro gewollt. Diese Reihenfolge scheiterte damals am Widerstand etwa Frankreichs und Großbritanniens, die als UNO-Vetomächte nationale Souveränität in wesentlich größeren Maß behalten wollten.
Allerdings gibt es rote Linien bei der weiteren Integration. Solidarität ja, aber nur, wenn Deutschland ein Vetorecht bei der Hilfe für andere Euro-Staten behält, heißt eine. Zudem werden gemeinsame Eurobonds kategorisch abgelehnt, weil die Angleichung der nationalen Zinssätze bei der Kreditaufnahme als eigentliche Grenze beim Eintritt in eine wirkliche "Transferunion" angesehen wird. Dies sei nicht verhandelbar, betont Stübgen mit dezentem Hinweis auf die vom Bundesverfassungsgericht gesetzten Grenzen. "Wir entwickeln die EU auf der Basis des Grundgesetzes."
Quelle: ntv.de, rts/dpa