Wirtschaft

Ohne Dreamliner bis zum Sommer? Boeing-Kunden steuern um

Nase am Heck: In Reihen stauen sich fertig produzierte 787 vor der Werkshalle am "Paine Field" in Everett im US-Bundesstaat Washington.

Nase am Heck: In Reihen stauen sich fertig produzierte 787 vor der Werkshalle am "Paine Field" in Everett im US-Bundesstaat Washington.

(Foto: AP/dpa)

Das Dreamliner-Debakel wirft die Betriebsabläufe einzelner Boeing-Kunden gründlich durcheinander: Weil immer noch nicht abzusehen ist, wann die Maschinen wieder abheben dürfen, dehnen Airlines in Japan und den USA ihre Sicherheitspuffer in der Planung immer weiter aus.

John DeLisi weiß, wo die Probleme liegen: Er ist der zuständige Flugsicherheitsdirektor bei der National Transportation Safety Board (NTSB).

John DeLisi weiß, wo die Probleme liegen: Er ist der zuständige Flugsicherheitsdirektor bei der National Transportation Safety Board (NTSB).

(Foto: REUTERS)

Die japanische Fluglinie All Nippon Airways (ANA) hat alle Flüge des Prestige-Modells Boeing 787 "Dreamliner" bis Ende Mai gestrichen. Nach Zwischenfällen mit starker Rauchentwicklung an Bord verhängten Luftfahrtaufseher Mitte Januar ein weltweites Flugverbot für Maschinen des Typs Boeing 787, das bis heute gilt.

Anfang Januar war bei einem Dreamliner der Fluggesellschaft Japan Airlines nach der Landung in Boston im US-Bundesstaat Massachusetts ein Feuer ausgebrochen. Eine Woche später musste eine weitere 787 der Gesellschaft ANA wegen eines Brands einen japanischen Inlandsflug abbrechen und auf einem Provinzflughafen notlanden.

Zunächst konnten Hersteller und Kunden noch auf eine schnelle Lösung hoffen. Die betroffenen Fluggesellschaften stellten ihre Flugpläne deshalb nur für wenige Wochen auf einen vorübergehenden Ausfall ihrer 787 ein. Jetzt ist klar, dass diese erste Einschätzung zu optimistisch war. Allein bei der japanischen ANA - ein Großabnehmer der 787 - fallen im Zeitraum von 31. März bis 31. Mai weitere 1714 "Dreamliner"-Flüge aus. Insgesamt hatte ANA seit Januar bereits 3600 Flüge gestrichen.

Mit 17 der bislang ausgelieferten 50 Maschinen des Typs ist ANA der größte Dreamliner-Kunde. Boeing stoppte in der Folge der Sicherheitsprobleme auch die Auslieferung neuer Maschinen dieses Typs. Wenn die Schwierigkeiten anhalten, könnte der Rückstau der am Hauptwerk in Everett geparkten 787 dazu führen, dass der Hersteller die Produktion drosseln oder gar ganz einstellen muss.

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Boeing 229,61

Auch die US-Fluggesellschaft United Continental stellt ihren Betrieb auf einen monatelangen Ausfall des Dreamliner ein. Bis zum 5. Juni taucht der Langstreckenjet 787 nicht in den Flugplänen auf, wie das Unternehmen mitteilte. Einzige Ausnahme ist demnach eine neue Verbindung zwischen dem United-Drehkreuz Denver und Tokio, die nun ab Mai statt ab März vorgesehen ist. Voraussetzung sei allerdings, dass die Dreamliner bis dahin wieder abheben dürften. Insgesamt hat Boeing bislang 50 der weltweit bestellten Maschinen ausgeliefert, etwa die Hälfte davon nach Japan. United hat bislang sechs der 787 in die eigene Flotte übernommen.

Kerosinverlust geklärt

Bei einem weiteren Dreamliner-Problem zeichnet sich unterdessen eine schnellere Lösung ab: Japanische Flugaufseher teilten vor dem Wochenende mit, dass unbeabsichtigt geöffnete Ventile dazu geführt hatten, dass bei einem "Dreamliner" von Japan Airlines zweimal kurz hintereinander Sprit ausgelaufen war. Am 8. Januar hatte die Maschine auf dem Flughafen von Boston kurz vor dem Start etwa 150 Liter Kerosin verloren - ein Vorfall, der mit erheblicher Feuergefahr für Passagiere und Besatzung verbunden war. Da der Auslöser dieser Panne nun identifiziert ist, dürfte der Fehler vergleichsweise leicht zu beheben sein.

Im Fall der Brandgefahr der an Bord mitgeführten Lithium-Ionen-Batterien tappen die Unfallforscher dagegen noch im Dunkeln. Derzeit nimmt der US-Konzern Testflüge vor, bei denen Daten zu den problematischen Lithium-Ionen-Batterien gesammelt werden sollen.

Ende vergangener Woche hieß es, Boeing stehe kurz davor, konkrete Vorschläge zur Behebung der Sicherheitsprobleme vorzulegen. Bei einem Spitzentreffen mit der Luftverkehrsbehörde FAA wolle das Unternehmen Lösungen für die Schwierigkeiten mit den Lithium-Ionen-Batterien vorstellen, sagte eine mit den Plänen vertraute Person. Geplant seien Gespräche des Boeing-Verkehrsflugzeug-Chefs Ray Conner mit FAA-Leiter Michael Huerta. Die Vorschläge seien bereits auf Arbeitsebene von Regierungsvertretern geprüft worden. Sollten Huerta und Verkehrsminister Ray LaHood sich auf sie verständigen, wäre damit eine Grundlage geschaffen, dass die Dreamliner im April wieder starten dürfen, sagte der Insider.

 Akkus zu dicht gepackt?

Angesetzt war das Spitzengespräch angeblich für Freitag. Ob Conner mit Huerta tatsächlich zusammentrafen, blieb auch nach dem Wochenende noch offen. Auch zu etwaigen Fortschritte lagen keine Angaben vor. Bereits zuvor war aus Branchenkreisen zu erfahren, wie Boeing im Fall der problematischen Batterien nun angeblich vorgehen will. Boeing beabsichtigt demnach, die Lücken zwischen den einzelnen Zellen in den Batterien einfach zu vergrößern. Der Platzmangel sei wohl der Grund für die Überhitzung gewesen, heißt es.

Für Boeing wachsen sich die Dreamliner-Probleme zu einem enorm kostspieligen Debakel aus. Die Erfahrungen des US-Herstellers fließen unterdessen auch in die Planungen der Konkurrenz ein. Als Konsequenz aus den Pannen verzichtet der europäische Boeing-Konkurrent Airbus bei seinem neuen Modell A350 zum Beispiel komplett auf den Einsatz der modernen Lithium-Ionen-Technologie, die als besonders platzsparend und effizient gilt.

Quelle: ntv.de, mmo/AFP/dpa/rts

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