Wirtschaft

Nachspiel im Facebook-Debakel Börsenwelt sucht Sündenbock

Klare Prioritäten: Zuckerberg schweigt an der Börse - und heiratet.

Klare Prioritäten: Zuckerberg schweigt an der Börse - und heiratet.

(Foto: REUTERS)

Gierige Banken, nervöse Analysten oder ein allzu lässiger Zuckerberg? Nach dem Kursrutsch der Facebook-Aktie läuft die Jagd nach dem Verantwortlichen auf vollen Touren. Wer trägt die Schuld am Stolperstart? Google-Gründer Page äußert eine ganz eigene Theorie.

Natürlich haben es manche schon vorher gewusst: Der Facebook-Börsengang musste einfach in die Binsen gehen. So wie der US-Komiker Andy Borowitz, der in seinem Blog am Tag vor dem historischen Ereignis einen imaginären "Brief von " abdruckte: "Lieber potenzieller Investor! Seit Jahren hast Du Deine Zeit auf Facebook verschwendet. Jetzt kommt Deine Chance, auch noch Dein Geld darauf zu verschwenden."

Borowitz' Scherze blieben manchem Investor im Halse stecken. Minus 11 Prozent war die Bilanz der Aktie nach gerade mal zwei Handelstagen. Am dritten Tag sackte das Papier noch weiter um knapp sechs Prozent auf 32 Dollar ab. Die anfängliche Euphorie über die Möglichkeit, in das weltgrößte Online-Netzwerk zu investieren, ist bei etlichen Anlegern in Panik umgeschlagen: Nur schnell raus aus Facebook, dürfte sich mancher Marktteilnehmer am Ausgabetag gedacht haben, bevor das Papier noch weiter fällt. Bei 32 Dollar, so denken sich nun einige, ist noch viel Luft nach unten, aber kaum nach oben.

Wut auf Morgan Stanley

Doch wer trägt die Schuld an dem Desaster? Vor allem die Investmentbank Morgan Stanley bekommt es knüppeldick ab. Sie hat als sogenannter "Lead Underwriter" die Gruppe der Finanzfirmen angeführt, die über Monate den Börsengang vorbereiteten und die Aktien an die Anleger verkauften. Kurz vor dem Börsendebüt soll die Bank die Umsatzprognose für den Internetriesen gesenkt und damit für Verwirrung in der Börsenwelt gesorgt haben. Analysten bezeichnet diese Anpassung kurz vor dem Börsengang als sehr ungewöhnlich. Außerdem kritisiert Jack Welch, der legendäre Ex-Chef des US-Konglomerats General Electric: "Morgan Stanley hat zu viele Aktien ausgegeben, und die Preisfindung war unter aller Sau. Sie tragen die Schuld am Facebook-Debakel."

In der Tat wurde der Börsengang gleich mehrfach ausgeweitet: Ursprünglich sollten die Aktienverkäufe 5 Mrd. Dollar einbringen, daraus wurden 12 Mrd. Dollar und am Ende sogar 16 Mrd. Dollar. Für die Schar der Banker war die Verdreifachung des Volumens verlockend: Sie kassierten nach Informationen von US-Medien für ihre Arbeit einen Anteil von rund 1,1 Prozent der Einnahmen - bei der gigantischen Summe immerhin 176 Mio. Dollar.

Hochzeit statt Interviews

Allerdings konnten die Banker den Börsengang nur deshalb so aufblähen, weil die Alteigentümer von Facebook zugestimmt haben. Vor allem Fonds und Finanzinvestoren, mit deren Geld das soziale Netzwerk in den vergangenen Jahren sein rasantes Wachstum finanziert hatte, verkauften am Ende viel mehr Aktien als ursprünglich geplant. Fast schien es, als ob die Devise lautete: Nur schnell raus, bevor der Hype abflaut.

Dies trug nicht gerade dazu bei, das Vertrauen in die Facebook-Aktie zu stärken. Denn üblicherweise verpflichten sich Alteigentümer, länger an Bord zu bleiben. Und auch das Facebook-Management um Mark Zuckerberg tat wenig, um das Vertrauen wieder herzustellen. Der Gründer und seine Mannen schweigen eisern seit dem Börsengang. Keine Interviews, kein öffentlicher Auftritt. All das gehört eigentlich zum Pflichtprogramm für einen Börsen-Neuling - schließlich wollen die Anleger wissen, wohin die Reise geht. Stattdessen .

Anleger erkennen Hype in letzter Minuten

Die Anleger selbst sind allerdings auch nicht ganz schuldlos daran, dass die Aktie derart eingebrochen ist - denn ohne eine entsprechende Nachfrage im Vorfeld hätten Facebook und seine Banker den Börsengang kaum so groß gestaltet. Kurz vor dem Schritt an die Börse kamen so manchem Investor jedoch offenbar Zweifel, ob ein Unternehmen mit zuletzt einer Milliarde Dollar Gewinn tatsächlich insgesamt 104 Mrd. Dollar wert sein sollte.

Es folgte eine Welle an Stornierungen von Kaufaufträgen ganz knapp vor dem Handelsbeginn - was auch der Grund für den zeitweisen Ausfall der Computersysteme beim Börsenbetreiber Nasdaq war. Weil die Anleger teils über Stunden im Blindflug unterwegs waren, griff Panik um sich - und viele versuchten, so schnell wie möglich wieder bei Facebook auszusteigen. Die Aufzeichnungen vom ersten Handelstag zeigen, dass im Schnitt jede Aktie mehr als einmal den Besitzer wechselte.

Dass es auch anders gehen kann, hatte ausgerechnet Facebooks Erzrivale Google bei seinem Börsengang im Jahr 2004 gezeigt. "Wir haben eine Auktion veranstaltet", sagte Gründer und Konzernchef Larry Page in der Talkshow "Charlie Rose". "Wir haben versucht, mehr einfache Leute teilhaben zu lassen". Ob das gelungen ist, sei dahingestellt. Fest steht: Damals war Google 23 Mrd. Dollar wert, zuletzt waren es rund 200 Mrd. Dollar.

Quelle: ntv.de, Daniel Schnettler, Andrej Sokolow, dpa

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen