"Das Spiel ist noch nicht zu Ende" Braucht Hellas eine Revolution, Herr Otte?
01.07.2015, 14:45 Uhr
(Foto: dpa)
Das schöne Griechenland ist faktisch pleite. Doch trotz dieser Tatsache wird weiterhin um neue Kredite und einen Verbleib in der Eurozone gepokert. Ob dies tatsächlich das bittere Ende einer einmaligen Tragödie ist und was passieren sollte, verrät der Ökonom, Buchautor und Fondsmanager Max Otte.
n-tv.de: War es das jetzt mit Griechenland in der Eurozone?
Max Otte: Ich glaube das erst, wenn es offiziell ist. Wir haben immer noch ein paar Tage. Immer wenn man geglaubt hat, das war es jetzt, kommt immer noch ein neues Spiel. Die meisten politischen Akteure wollen ja Griechenland in der Eurozone halten. Von daher sehe ich den Grexit noch nicht. Noch nicht einmal mit großer Wahrscheinlichkeit. Vor allem jetzt, da Tsipras sich ja wohl doch bereiterklärt hat, das Angebot der Troika vom Wochenende mit kleinen Änderungen zu akzeptieren.
Was glauben Sie denn was jetzt passiert – eigentlich ist Griechenland doch pleite?
Ich denke, man wird jetzt mit diesem Notprogramm ein paar Tage weiterfahren, dann gibt es am Sonntag das Referendum. Je nachdem wie die Frage jetzt auch immer formuliert wird. Sollte tatsächlich eine Mehrheit gegen das Reformprogramm stimmen, besteht wirklich die Wahrscheinlichkeit eines Grexits.
Ansonsten Neuwahlen?
Ich denke, ja. Wie schon so oft der Eurokrise in den letzten fünf Jahren. Es sind ja über ein Dutzend Regierungen ausgewechselt worden, ganz unabhängig davon ob rechts oder links. Letztendlich wurde immer auf die politische Richtung gewechselt, die pro Euro war.
Sollte es diesmal doch anders kommen – Sie sind nach wie vor der Meinung, dass ein Ausscheiden Griechenlands zu verkraften wäre?
Das wäre zumindest das einzig Gesunde und Richtige für Europa, wenn diese wahnsinnige Politik gestoppt werden würde. Diese nützt Europa nichts, sorgt für Unfrieden und dividiert die Völker auseinander. Und eben ökonomisch auch unsinnig ist.
Also raus aus dem Euro, Schuldenschnitt und gezielte Hilfsmaßnahmen in Form eines Marshallplans?
Ja. Wobei Griechenland ja schon dreißig bis vierzig Marshallpläne erhalten hat. Die ursprüngliche Förderung des Marshallplans betrug fünf Prozent der deutschen Wirtschaftsleistung. Griechenland hat ein Viel-, Viel-, Vielfaches davon erhalten.
Die bisherigen Reformbemühungen sind also vollkommen gescheitert?
Ja. Tsipras spielt ein absolut populistisches Doppelspiel. Griechenland geht es dreckig. Die Reformen der Troika waren verheerend. Insofern als die Troika nicht in innerstaatliche Dinge eingreift. Sie verhandelt ein Paket mit der Regierung und diese setzt es um. Nur wenn ich eine funktionsunfähige Regierung habe, die, selbst wenn sie sich sozialistisch nennt, die Reichen schützt, die Reeder nicht mit ihren Privilegien angeht, die Kapitalflucht der Reichen ins Ausland begünstigt, dann gibt es natürlich nicht viel zu reformieren. Und so war es auch schon unter den Vorgänger-Regierungen. Griechenland ist kein funktionierender Staat. Deswegen hat diese Troika-Politik in einem kaputten System nicht funktioniert. Letztendlich musste das die griechische Mittelschicht ausbaden, während der Staat sich nicht an die Eliten herangetraut hat. Tsipras gibt dafür aber der Troika die Schuld und putscht die Unzufriedenen weiter hoch, schont aber eben auch weiterhin seine eigenen Eliten.
Demnach bräuchte Griechenland keine Reformen, sondern eine Revolution?
Revolutionen hatten wir ja schon öfter. Ich meine, eine Zwangsverwaltung wäre sinnvoll, aber das ginge natürlich schlecht (lacht). Wenn aber jetzt keine Euros mehr fließen und Griechenland eine Parallelwährung einführt, dann wird ja das Land nicht völlig abgeschnitten von internationalen Zahlungen, es würden ja weiterhin Kredite fließen, aber eben zweckgebunden. Zum Beispiel für den Import von Medikamenten. Bei der bisherigen Troika-Politik bekam Griechenland das Geld pauschal gegen einige Versprechungen überwiesen. Insofern hätten wir bei zweckgebundenen Zahlungen eine Form der Zwangsverwaltung.
Wie sollten sich Anleger anlässlich der drohenden Geschehnisse positionieren?
Ich glaube, dass ein Grexit vielleicht eine Schrecksekunde für die Kapitalmärkte bedeuten würde. Hier könnte es kurzfristig zu einigen Turbulenzen kommen. Aber dann werden die Marktteilnehmer merken, dass dies eine Rückkehr zu einer vernünftigen Politik der Europäischen Union ist, die wieder eine differenzierte Politik macht und ein Ende der Erpressbarkeit bedeutet. Spätestens nach einer Woche würde ein Ausscheiden Griechenlands zu sehr positiven Entwicklungen auf den Kapitalmärkten führen.
Ich halte Aktieninvestments generell nach wie vor für alternativlos. In meinen von mir betreuten Fonds halten wir auch griechische Aktien. Hier sind sicherlich ein wenig Nerven gefragt. Ganz auszuschließen ist ja eine marxistische, leninistische, stalinistische Politik nicht, die ja mit Verstaatlichung einhergehen würde. Ich schätze das Risiko aber auf deutlich unter fünf Prozent.
Mit Max Otte sprach Axel Witte
Quelle: ntv.de, awi