Wirtschaft

Probleme mit Tiger-Innereien Bundeswehr muss warten

Der europäische Luft- und Raumfahrtkonzern EADS bekommt Ärger mit einem seiner wichtigsten Kunden: Weil bei dem neuen Kampfhubschrauber Tiger die Kabel scheuern, darf die Bundeswehr bis auf weiters keine Testmaschinen mehr in Empfang nehmen.

Auf Flugschauen und in Kinofilmen war der EC665 "Tiger" bereits in Aktion zu sehen.

Auf Flugschauen und in Kinofilmen war der EC665 "Tiger" bereits in Aktion zu sehen.

Das Verteidigungsministerium in Berlin hat die Abnahme des EADS-Kampfhubschraubers Tiger wegen schwerer technischer Mängel gestoppt. Neue Maschinen würden erst abgenommen, wenn der Hersteller Eurocopter die Probleme mit aufgescheuerten Kabeln gelöst habe, heißt es in einem internen Bericht des Ministeriums über das Drei-Milliarden-Euro-Projekt. Für den Mutterkonzern EADS wachsen sich die Probleme zu einem neuerlichen Technik-Debakel aus - nach der Kostenexplosion beim Militärtransporter A400M und den Problemen beim Transporthubschrauber NH-90. Mit jedem nicht gelieferten Tiger muss der Konzern auf etwa 40 Mio. Euro Einnahmen warten, da erst bei Lieferung gezahlt wird. Die Kabelprobleme bei dem Riesenairbus A380 hatten dem Konzern Kosten in Milliardenhöhe aufgebürdet.

In dem aktuellen Tiger-Bericht des Ministeriums heißt es weiter, die Probleme mit der Verkabelung träten auch bei Hubschraubern mit nur sehr wenigen Flugstunden auf. Die Abnahme werde ausgesetzt, bis die Mängel wirksam beseitigt seien. Damit verschiebe sich die Auslieferung der ersten einsatzfähigen Tiger um mindestens sieben Monate auf November 2011. Eurocopter erklärte, in Abstimmung mit den Abnehmern würden derzeit Korrekturen an der Verkabelung vorgenommen. Die ersten beiden so ausgestatteten Hubschrauber sollten im Juni und Juli für intensive Tests an die Deutschen übergeben werden. Weitere Lieferungen seien ab dem vierten Quartal 2010 geplant.

Probleme mit den Kabeln haben schon ganz andere EADS-Projekte gebremst.

Probleme mit den Kabeln haben schon ganz andere EADS-Projekte gebremst.

(Foto: Bundeswehr)

Die Bundeswehr benötigt den Tiger zur Luftunterstützung in Afghanistan. Gerade in unübersichtlichem Gelände können Kampfhubschrauber den Truppen am Boden ein besseres Lagebild liefern und Gegner direkt unter Beschuss nehmen. Bisher sind die Deutschen auf Kampfflugzeuge und Hubschrauber der US-Armee angewiesen.

Mit der Auslieferung des Tiger liegt Eurocopter inzwischen fünf Jahre hinter Zeitplan: Laut Vertrag sollte die Truppe bis Ende 2009 über 67 Kampfhubschrauber verfügen, tatsächlich ausgeliefert sind bisher elf Exemplare - und die taugen dem internen Bericht zufolge weder für den Kampfeinsatz noch für die operative Ausbildung.

"Gravierende Beanstandungen"

Ausschlaggebend für die Entscheidung des Ministeriums war, dass Eurocopter offenbar die seit März 2009 bekannten Probleme nicht in den Griff bekommt. "Die durchgeführten Inspektionen haben gezeigt, dass trotz einer punktuellen Beseitigung von Mängeln nach wie vor gravierende Beanstandungen im Bereich der Verkabelung bestehen", heißt es in dem Bericht. "Bis zur wirksamen und systematischen Beseitigung der Mängel plant das Bundesverteidigungsministerium derzeit, die Abnahme von Serienhubschraubern auszusetzen". Die ursprünglich bis April 2011 geplante Auslieferung der ersten sechs einsatzfähigen Tiger verschiebt sich damit immer weiter nach hinten.

Die Bundeswehr hat insgesamt 80 Tiger bestellt, weitere Käufer sind Frankreich, Spanien und Australien. Wegen der Mängel in der Verkabelung ist der Flugbetrieb mit dem Tiger in Deutschland nur unter erheblichen Auflagen und mit sehr häufigen Inspektionen zugelassen. Die Industrie macht allerdings auch die schleppende Zulassung durch die deutschen Behörden wesentlich für die Verzögerung verantwortlich. Sie verweist darauf, dass die französische Armee den Tiger seit Sommer 2009 in Afghanistan im Einsatz hat.

So nah lässt die Kampfmaschine nicht jeden ran.

So nah lässt die Kampfmaschine nicht jeden ran.

(Foto: Bundeswehr)

Das Bundesverteidigungsministerium widerspricht diesen Angaben zum Teil. Zum einen hätten die bisher ausgelieferten Hubschrauber durch zahlreiche Mängel einen deutlich erhöhten Aufwand bei der Abnahme verursacht, schreiben die Beamten in dem internen Bericht. Abgesehen davon seien selbst die begrenzten Abnahme-Kapazitäten der Bundeswehr bisher nicht ausgeschöpft worden, da die Industrie so schleppend liefere. Berichte über den Wartungsaufwand französischer Tiger in Afghanistan liegen der Bundeswehr offenbar nicht vor.

"Hohe Überlebensfähigkeit"

Die von EADS entworfene Maschine ist als Kampf- und Unterstützungshubschrauber der mittleren Gewichtsklasse bis sechs Tonnen konzipiert. Angetrieben wird der auf den Flug bei Tag und Nacht ausgelegte Hubschraubers durch je zwei MTR-390-Triebwerke. Die MTR-390 baut der deutsche Hersteller MTU Aero Engine in Kooperation mit der französischen Turbomeca und dem britischen Triebwerksspezialisten Rolls-Royce.

"Seit Beginn der Entwicklungsphase orientierte sich die Konstruktion des Kampfhubschraubers an drei Hauptzielen", heißt es bei EADS: "niedrige optische, Radar- und Infrarot-Signatur für eine hohe Überlebensfähigkeit auf dem Gefechtsfeld; maximale Wirkung der Waffen- und Feuerleitsysteme ohne zusätzliche Arbeitsbelastung für die Besatzung; optimiertes Logistikkonzept zur Minimierung der Betriebskosten."

Die Maschine soll auch unter den extremen Bedingungen der sogenannten "ABC-Umwelt" - also atomarer, biologischer oder chemischer Kontamination - voll einsatzfähig bleiben.

In der Standardbewaffnung verfügt der Tiger über eine richtbare 30-mm-Kanone, ungelenkte 68-mm-Raketen sowie der Luft-Luft-Lenkflugkörper Mistral. Ähnlich wie bei vergleichbaren Kampfhubschraubern der US-Streitkräfte, kann der Borschütze das Einsatzgebiet über ein spezielles Schützenvisier unter anderem auch mit Infrarotsensoren überwachen.

Quelle: ntv.de, mmo/rts

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