Dicke Luft in Aylesbury Cameron strapaziert die Nerven
12.05.2013, 12:06 Uhr
Gruppenbild in Aylesbury: Hier sitzt billionenschwere Wirtschaftsmacht.
(Foto: dpa)
Es wirkt wie eine haarfein abgezirkelte Choreografie der Harmonie: Beim Treffen der sieben G7-Staaten in Aylesbury herrscht an der Oberfläche nichts als Einverständnis. Doch darunter brodelt der Zorn: "Ich bin ziemlich sauer, dafür ein Wochenende dranzugeben."
Eigentlich ist das altehrwürdige Hartwell House mit seiner Jahrhunderte währenden Geschichte der ideale Ort, um die Seele baumeln zu lassen. Genau diese Atmosphäre ruhiger Gelassenheit und Harmonie war einer der Gründe, warum sich am Wochenende eine illustre Reisegruppe aus Finanzministern und Notebankchefs auf den Weg in die sanfte Hügellandschaft der südenglischen Grafschaft Buckinghamshire machte.
"Die großen und historischen Räumlichkeiten bieten hohen Komfort, um mit Freunden einmal in Ruhe zusammenzukommen", wirbt das Herrenhaus, heute ein Hotel, um Gäste. Den britischen Finanzminister George Osborne, dem Gastgeber des Treffens von Vertretern der sieben führenden westlichen Industrieländer (G7), scheint das überzeugt zu haben.
"Ich will die G7 zu ihren Wurzeln zurückführen", begründete Osborne seinen Vorstoß, erstmals seit drei Jahren wieder zu einem gesonderten Treffen der Finanzminister der Gruppe einzuladen. Ganz informell, locker, ohne viel Tamtam wollte er mit seinen Kollegen einmal über alles reden, was derzeit in der Wirtschafts- und Finanzpolitik weltweit Thema ist. Und an heiklen Themen, die das ökonomische Schicksal von Milliarden Menschen berühren, herrscht derzeit wahrlich kein Mangel.
"Ich bin ziemlich sauer"
Immerhin: Der britische Notenbankchef Mervyn King, der nach einigen Dutzend G7- und G20-Treffen aus dem Amt scheidet, schwärmte nach dem Treffen von einem "bemerkenswerten Erfolg". Das Fehlen jeglichen Drucks, sich auf ein Kommunique einigen oder etwas entscheiden zu müssen, habe das Treffen zu einem der produktivsten dieser Art gemacht.
Andere Teilnehmer sehen es nüchterner. Historisches war von der Konferenz der Mächtigen in der G7 an dem Ort, in dem der französische König Ludwig XVIII. Anfang des 19. Jahrhunderts fünf Jahre Exil-Leben verbrachte, von Anfang an nicht erwartet worden. Doch mancher zweifelte am Sinn des Treffens. "Ich bin ziemlich sauer, dafür ein Wochenende dranzugeben", sagte einer der Teilnehmer hinter vorgehaltener Hand. Und ein Kollege pflichtete bei: "Nichts Halbes und nichts Ganzes." Schließlich gab es in allerjüngster Zeit genug Gelegenheiten, sich in ähnlicher Runde auszutauschen.
Hochbrisante Währungsfragen
Und in der Tat, die Positionen der einzelnen Mitgliedsländer der Gruppe zu den großen Themen - Wachstum und Konsolidierung, Kampf gegen Steuerbetrug und Steueroasen, Bankenunion und Finanzregulierung - sind hinlänglich bekannt. Große Änderungen gab es in Hartwell House keine. Von vielen Übereinstimmungen sprachen Osborne und sein deutscher Kollege Wolfgang Schäuble. Viel mehr, als manche glauben würden, versicherten sie.
Zumindest für etwas Aufregung sorgten pünktlich kurz vor Beginn der Zusammenkunft die Devisenmärkte. Dort setzte der japanische Yen zu einer rasanten Talfahrt an, die ihn gegenüber Dollar und Euro auf Mehrjahrestiefs fallen ließ. Der Yen und die Folgen der ultra-lockeren Geld- und Finanzpolitik Japans waren allerdings auch schon Thema vor drei Wochen in Washington, als die G7-Minister und Zentralbanker mit anderen Kollegen aus der Welt bei der IWF-Frühjahreskonferenz zusammenkamen.
Damals versuchten die Ressortchefs, die Befürchtungen über einen Abwertungswettlauf oder gar Währungskrieg mit der Zusicherung zu entkräften, dass keines der Partnerländer mit gezielten Wechselkursmanipulationen versucht, Wettbewerbsvorteile zu erschleichen.
Treuherzige Versicherungen
Dass der Yen nun weiter auf Tiefflug ist, sorgte bei großen Konkurrenten Japans, wie den USA und Deutschland, für Unruhe. Japans Finanzminister Taro Aso sicherte aber seinen Kollegen treuherzig zu, sein Land stehe zu den Absprachen von Washington. Und da in Hartwell House Streit gar nicht auf der Tagesordnung stand, gaben sich die Partner damit zufrieden. Weiter aufpassen wollen sie aber schon, versicherte Schäuble. Manch einer meinte allerdings in den Mahnungen des deutschen Ministers und seines US-Kollegen Jack Lew an Japan einen drohenden Unterton zu hören.
Für Kontroversen in der sanften britischen Provinz war die Choreographie der britischen G7-Präsidentschaft offensichtlich nicht ausgelegt. Pflichtschuldig versicherte denn auch ein G7-Vertreter: "Mein Eindruck war: es war friedlicher, als man es nach manchen Medienberichten vielleicht erwarten konnte". Andere formulierten anders, kurz und bündig: "Ziemlich langweilig".
Dem, der es wollte, blieb in Hartwell House zumindest die Möglichkeit, unter unheilvoll drohenden Regenwolken ein paar Schritte durch den riesigen, saftig grünen Park von Hartwell House zu gehen. Vielleicht konnte dabei mancher Akteur, der sonst oft von der Nervosität der Finanzmärkte angesteckt wird, ein Stück selbstbewusste Gelassenheit zurückgewinnen. Denn für eines steht dieses trutzige jahrhundertealte Gemäuer und seine satt-grüne Umgebung: für Beständigkeit und Harmonie.
Quelle: ntv.de, Gernot Heller, rts