Sternstunden waren gestern Daimler-Anleger wollen Antworten
09.04.2013, 18:35 Uhr
(Foto: dapd)
Daimler kennt seine Luxusrivalen derzeit nur von hinten - ganz zum Ärger der Anleger. Ob Absatz, Rendite oder Kursentwicklung, die Konkurrenten BMW und Audi übertrumpfen Daimler teils um Längen. Konzernchef Zetsche will zwar wieder auf die Überholspur kommen, sitzt aber selbst nicht fest im Sattel. Stoff für eine spannende Hauptversammlung.
Bei Daimler läuft es nicht rund. Das wissen Aktionäre nicht erst seit der aufsehenerregendenden Kurzverlängerung des Vertrags von Konzernchef Zetsche. Während bei der Konkurrenz im Premiumsegment die Kassen klingeln und die Aktienkurse kräftig anziehen, schauen die Stuttgarter auf eine teure Produktion und Lücken in der Modellpalette - vom Aktienkurs ganz zu schweigen.
Daimler-Chef Dieter Zetsche und Aufsichtschef Manfred Bischoff müssen sich bei der Hauptversammlung auf scharfe Kritik einstellen. Neben Kleinaktionären werden auch Fonds wie DWS, Union Investment und Deka dem Management wegen der unterdurchschnittlichen Entwicklung des Aktienkurses sowie dem Eklat um Zetsches Wiederbestellung die Leviten lesen. Um ihre Entlastung müssen Vorstand und Aufsichtsrat dennoch nicht bangen, da die von Kleinaktionären eingereichten Anträge kaum Aussicht auf eine Mehrheit haben. Die wesentlichen Punkte, an der sich die Kritik der Anteilseigner entzünden dürfte:
Größtes Sorgenkind ist die Pkw-Sparte Mercedes-Benz, die weniger Autos als BMW und Audi verkauft und auch dem Massenhersteller Hyundai bei der Rendite hinterher zuckelt. Die Schwaben haben durch die Eigenfertigung von Getrieben oder Sitzen deutlich mehr Personal an Bord und brauchen länger als Wettbewerber, um ein Fahrzeug vom Band rollen zu lassen. Die Produktionskosten liegen weit höher als bei den bayerischen Wettbewerbern, die im Boomland China immer weiter davoneilen. Für die Aufholjagd in China stockte Daimler den Vorstand auf, zwei konkurrierende Vertriebstöchter müssen auf Linie gebracht werden. Mit einer deutlichen Verbesserung der Ertragskraft rechnet Finanzchef Bodo Uebber frühestens 2015.
Vorstandschef auf Abruf
Das von Konzernchef Zetsche nach einer Gewinnwarnung im Herbst trotz Rekordverkaufszahlen verkündete Mercedes-Sparprogramm "Fit for Leadership" hätte den 59-jährigen Manager Ende Februar beinahe den Job gekostet. Denn die Arbeitnehmerbank verweigerte ihm zur Überraschung von Chefaufseher Bischoff im Aufsichtsrat die Gefolgschaft und stimmt Zetsches erneuten Bestellung bis Ende 2016 nur unter einer Bedingung zu: Sein bei der Arbeitnehmerbank unbeliebter Kompagnon und Mercedes-Produktionschef Wolfgang Bernhard musste zu Monatsbeginn mit Truck-Chef Andreas Renschler den Posten tauschen. Damit bleiben Bischoff noch gut drei Jahre, um in den eigenen Reihen einen neuen Vorstandschef aufzubauen oder von außen anzuheuern: Eine nochmalige Bestellung Zetsches werde es mit der Arbeitnehmerbank nicht geben, sagte jüngst ein Aufsichtsrat.
Den Rückgang des Betriebsgewinns aus dem laufenden Geschäft im vergangenen Jahr bekam das Management im eigenen Geldbeutel zu spüren: Zetsches Salär schrumpfte 2012 auf 8,15 von zuvor 8,65 Mio. Euro. Dennoch kassierte der seit 2006 an der Daimler-Spitze stehende Top-Manager einen Jahresbonus von 142 Prozent seines Grundgehalts. Seine Pensionsansprüche kletterten um knapp zehn auf mittlerweile fast 40 Mio. Euro.
EADS-Verkauf sichert Dividende
Nach viel Kritik von Aktionären trennt sich Daimler von seiner Beteiligung an EADS - und sichert damit nach mageren Kapitalzuflüssen die Dividendenzahlungen ab. 2013 soll der Verkauf der restlichen 7,5 Prozent an dem Luftfahrt- und Rüstungskonzern voraussichtlich 1,35 Mrd. Euro in die Kasse spülen, die durch hohe Investitionen in neue, verbrauchsärmere Autos strapaziert wird. Mit 13 Pkw-Modellen, die Mercedes-Benz bisher nicht im Angebot hat, soll der einst unangefochtene Marktführer in der Oberklasse bis 2020 BMW und Audi überholen. Analysten und Marktforscher ziehen bisher in Zweifel, dass diese Kalkulation aufgeht.
Der seit Monaten tobende Streit mit der EU über das als Klimakiller geltende Kältemittel R134a für Pkw-Klimaanlagen könnte viel Geld kosten: Entgegen der Betriebserlaubnis befüllt Mercedes seine Kompaktwagen und das neue Modell des Flaggschiffs S-Klasse nicht mit dem klimafreundlicheren Kältemittel R1234yf. Denn Daimler hält den neuen US-Chemiecocktail inzwischen - wie zahlreiche Umweltschutzexperten - für brandgefährlich. Die Behörden könnten Daimler zur Nachrüstung von Feuerlöschanlagen zwingen oder die Verkaufserlaubnis für Baureihen entziehen.
Die Erhöhung der Frauenquote in Spitzenpositionen stößt nicht bei allen Aktionären auf Beifall. Das Geschlecht dürfe nicht zum dominierenden Auswahlfaktor werden, kritisierte der Pensionsfonds Hermes die Nominierung der früheren Avon-Chefin Andrea Jung als fünfter Frau für den Aufsichtsrat in der "FAS". Der Nominierungsausschuss des Daimler-Aufsichtsrats hatte bisher um Kandidaten aus der Autobranche einen Bogen gemacht: Um Loyalitätskonflikten aus dem Weg zu gehen, die bei der Berufung von Manager von Zulieferern oder ehemaligen Führungskräften der Konkurrenz auftreten könnten.
Quelle: ntv.de, nne/rts