Zwischen Hoffen und Bangen Das Dilemma der Marke Opel
10.06.2011, 15:17 UhrVom einstigen Premiumhersteller entwickelt sich Opel zum Sorgenkind unter den deutschen Autobauern. Die Rüsselsheimer wähnen sich gerade im Aufwind, als wieder einmal der Mutterkonzern GM dazwischenfunkt. Eine Analyse zur Entwicklung des Traditionsunternehmens.
"Opel - der Zuverlässige." So lautete einst der Werbespruch aus Rüsselsheim. Bieder, aber treu. Von diesem Image ist heute kaum noch etwas übrig. Der Grund liegt in der Geschichte und zieht sich bis heute durch wie ein roter Faden: "Die Konzernmutter General Motors hat den europäischen Markt nur nebenbei geführt und die Marke Opel links liegen lassen", beschreibt Helmut Becker das Rüsselsheimer Dilemma. Der Leiter des Münchner Instituts für Wirtschaftsanalyse und Kommunikation sieht darin einen Grund, warum Opel kein eigenes Profil entwickeln konnte, um sich von der Konkurrenz abzuheben. Heute ist niemandem mehr klar, wofür Opel eigentlich steht. Das Tohuwabohu um den von GM vor zwei Jahren in letzter Minute abgesagten Verkauf hinterließ dann tiefe Kratzer im Image.
Davon hat sich Opel immer noch nicht erholt. Und als ob das nicht reichte, sorgt die Konzernzentrale in Detroit nun erneut für Verunsicherung. Aus Gesprächen mit GM-Chef Dan Akerson sickerte durch, dass dem Konzernchef die Sanierung des Europageschäfts nicht schnell genug geht. Der ehemalige Investmentbanker spiele alle Möglichkeiten durch, um die Schlagkraft von Opel zu erhöhen. "Aber ein Verkauf ist Wunschdenken", sagte ein Person mit Kenntnis von Akersons Überlegungen. Ein klares Dementi hört sich anders an.
Keine dauerhaften Gewinne für Opel
Damit steckt Opel in der Klemme: Der Traditionsautobauer hat gerade erst seine Sanierung abgeschlossen und könnte nun eigentlich zuversichtlich in die Zukunft blicken. Doch bis die Einsparungen wirken und das angekratzte Image wiederhergestellt ist, dauert es nach Überzeugung von Experten noch mehrere Jahre. Diese Zeit aber will GM der europäischen Tochter nicht lassen.
Dabei verkaufen sich Modelle wie der Golf-Konkurrent Astra, der Kleinwagen Corsa und das Mittelklasseauto Insignia gut. Opel gewinnt Marktanteile und will die Produktionsbänder wegen der hohen Nachfrage sogar in den Werksferien weiterlaufen lassen. Damit rückt nach Überzeugung des Vorstands das Ziel näher, nach langer Durststrecke in diesem Jahr an der Gewinnzone zu kratzen. Zu Jahresbeginn war das bereits gelungen.
Die Chancen, dass Opel dauerhaft Gewinne abwirft, werden von Experten jedoch als gering eingeschätzt. Zu groß ist die Konkurrenz im Segment der Autos für den Massengeschmack inzwischen geworden, das Opel bedient. Volkswagen dominiert den Markt mit seinen Klein- und Kompaktwagen. Hinzu kommt, dass Fiat wiedererstarkt ist und mit erschwinglichen Kleinwagen ebenfalls punktet. Die Rückkehr in die Oberklasse, in der Opel mit Kapitän, Admiral und Diplomat einst glänzen konnte, ist verbaut. Dort haben die Platzhirschen BMW und Daimler die Herrschaft.
"Zusammengehen mit BMW würde Sinn machen"
Droht Opel also ein langsames Dahinsiechen, wie es einige Analysten für möglich halten? "Ein Ende kann sich lange hinziehen", sagt Jürgen Pieper vom Bankhaus Metzler. Er verweist auf die "kranken Patienten Rover und Saab, die wie Zombies durch den Markt laufen". Ein Ausweg für Opel aus dieser Lage könnte ein Verkauf sein, glaubt der renommierte Autoanalyst. Dafür kämen asiatische Hersteller ebenso infrage wie Fiat. Der italienische Autobauer hatte bereits vor zwei Jahren Interesse an Opel gezeigt. Auch der Zulieferer Magna, mit dem GM damals eigentlich schon handelseinig war, bevor die Konzernleitung eine überraschende Wende vollzog, könnte wieder aus der Deckung kommen.

Know-How aus Rüsselsheim: Die Kompaktwagen von GM werden allesamt von Opel entwickelt.
(Foto: picture-alliance/ dpa)
Gegen einen Verkauf spricht nach Meinung einiger Experten die enge Verflechtung mit GM. Opel entwickelt weltweit für GM die Kompaktwagen im Konzern. Der Chevrolet Cruze ist nahezu baugleich mit dem Astra. Auch der Kleinwagen Corsa stammt aus Rüsselsheim. Allerdings hat sich GM nach der Beinahepleite vor zwei Jahren auch selbst fortentwickelt. "GM ist bei der Entwicklung nicht mehr von Opel abhängig", sagt Becker. Er hält die Verkaufsgerüchte aus Detroit daher für glaubhaft. "Wo Rauch ist, da ist auch Feuer."
Einen Zusammenschluss mit einem anderen Massenhersteller halten Experten für nicht sehr erfolgsversprechend, da sich die Angebote zu sehr überlappen. Von Opel würde in diesem Fall nicht viel übrig bleiben. Ein erneuter - und dann womöglich noch massiverer - Personalabbau wäre die Folge. Eine Alternative könnte nach Meinung eines Brancheninsiders die Übernahme durch einen Oberklassehersteller sein. BMW und Daimler wollen beide bei Kleinwagen Fuß fassen, um die ab nächstem Jahr geltenden EU-Klimavorgaben zu erfüllen. "Ein Zusammengehen mit BMW würde also Sinn machen", meint der Insider, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte.
Quelle: ntv.de, Jan Schwartz, dpa