Wirtschaft

Draghi übernimmt Ruder bei der EZB Das muss Super-Mario anpacken

Adieu, Trichet - benvenuto, Draghi!

Adieu, Trichet - benvenuto, Draghi!

(Foto: dapd)

Wechsel in stürmischen Zeiten: Heute übernimmt Mario Draghi die Aufgabe als Europas oberster Währungshüter. Die Erwartungen an den Italiener sind angesichts der ungelösten Schuldenkrise und eines schwächelnden Wirtschaftswachstums hoch. In der Krise hat sich die EZB als einzige handlungsfähige Institution Europas erwiesen. Viele Fehler darf sich der neue Mann an der Spitze auch deshalb nicht erlauben.

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(Foto: dapd)

Er ist der neue "Mr. Euro", und den Spitznamen "Super-Mario" hat er schon vor seinem Amtsantritt verpasst bekommen: Vom 1. November an ist der Italiener Mario Draghi Europas oberster Währungshüter. Die Erwartungen an den neuen Präsidenten der Europäischen Zentralbank sind angesichts der Euro-Schuldenkrise und eines sich abschwächenden Wirtschaftswachstums hoch.

Draghi ist in der EZB kein Unbekannter. Er sitzt seit vielen Jahren als Vertreter seines Landes im EZB-Rat und entscheidet in dieser Funktion mit über die Geldpolitik für die 17 Euro-Länder. Der aus Rom stammende 64 Jahre alte Ökonomieprofessor und Finanzexperte war nach dem völlig überraschenden Rückzug von Ex-Bundesbankchef Axel Weber im Frühjahr einziger ernstzunehmender Kandidat für die Nachfolge Trichets geblieben. Er hatte in den vergangenen Jahren als Chef des Finanzstabilitätsrats FSB maßgeblich an der Reform des globalen Finanzsystems nach der Krise mitgearbeitet.

Draghis Amtszeit, die nicht verlängerbar ist, dauert bis zum 31. Oktober 2019. In diesen acht Jahren wartet ein ganzes Bündel schwieriger Herausforderungen auf ihn.

Preisstabilität bewahren

Das oberste Ziel der EZB ist die Wahrung stabiler Preise. Die Notenbanker selbst definierten vor einigen Jahren einen Anstieg der Verbraucherpreise um "knapp unter zwei Prozent" im Jahresvergleich als ihr Inflationsziel - sozusagen das Maß aller Dinge. Bislang kann die EZB hier eine sehr gute Bilanz vorweisen - besser als die meisten anderen Notenbanken. Seit der Einführung des Euro als Währung 1999 lag die Teuerungsrate fast genau auf dem anvisierten Zielwert. Die Sicherung stabiler Preise für die mehr als 330 Millionen Bürger der Euro-Zone bleibt jedoch die wichtigste und zugleich schwierigste Aufgabe der Frankfurter Währungshüter - auch unter ihrem neuen Chef Mario Draghi. Besonders wichtig sind hierbei die Erwartungen von Anlegern, Sparern und Unternehmen an die künftige Entwicklung der Preise: Trichet konnte zuletzt verkünden, dass diese in den kommenden zehn Jahren keinen nennenswerten Inflationsanstieg erwarten.

Ausstieg aus unkonventionellen Maßnahmen

Die EZB hat im Laufe der Krise seit dem Sommer 2007 eine Vielzahl so genannter unkonventioneller geldpolitischer Maßnahmen eingeführt. Dazu gehören beispielsweise zahlreiche Liquiditätsoperationen über diverse Laufzeiten. Deren Ziel war und ist es zu verhindern, dass die Banken aufhören, Unternehmen Geld zu leihen und es damit zu einem Infarkt der Volkswirtschaft kommt, wenn der Geldkreislauf endet. Zudem hat die Notenbank für viele Milliarden Euro Pfandbriefe und Staatsanleihen gekauft. Nach dem Ende der Krise - wann auch immer es sein wird - wird die EZB den großen Teil dieser Instrumente wieder einpacken müssen und wollen, damit es nicht zu neuen Verwerfungen an den Märkten kommt.

Neudefinition der Rolle der EZB

Die EZB ist mit der Krise immer "politischer" geworden; will sagen: die Notenbank hat im Umgang mit der globalen Finanz- und der europäischen Schuldenkrise viele Maßnahmen ergriffen, die eigentlich die Finanzpolitik hätte ergreifen sollen. Da die EZB zeitweise die einzige wirklich handlungsfähige Institution in Europa war, konnte sie über weite Strecken der Krise auch kaum anders. Allerdings wird es in den kommenden Jahren für Mario Draghi und sein Führungsteam darauf ankommen, das "politische" Engagement der Zentralbank immer mehr zurückzufahren, damit er bei den eigentlichen geldpolitischen Entscheidungen wieder die nötige Unabhängigkeit und Ferne von der Finanzpolitik hat, die eine Notenbank nach Auffassung der modernen Wissenschaft haben muss, um ihre Aufgaben unabhängig vom politischen Tagesgetümmel erfüllen zu können.

Lösen des Streits im EZB-Rat

Spätestens mit dem Beginn der Staatsanleihekäufe im Mai 2010 wurde der Riss durch den EZB-Rat für alle Welt sichtbar. Als der damalige Bundesbank-Chef Axel Weber offen den Aufstand probte und genauso offen von Trichet gerüffelt wurde, war spätestens für jeden Beobachter klar, dass ein massiver Streit vorausgegangen war. Es folgten die Rücktritte Webers und des deutschen EZB-Chefvolkswirts Jürgen Stark und damit eine Zerreißprobe des EZB-Rats: die Deutschen samt einiger weniger Anhänger gegen den Rest der Euro-Notenbanker. Eine der wichtigsten Aufgaben des neuen Chefs Mario Draghi wird und muss es sein, diesen Zwist zu beenden, damit der EZB-Rat irgendwann wieder mit einer Stimme sprechen kann und ihm die Öffentlichkeit dies auch abnimmt.

Vertrauen zurückgewinnen

Stichwort: Öffentlichkeit. In der deutschen öffentlichen und veröffentlichten Meinung hat die EZB unter der Ägide Trichets massiv gelitten. Das belegen viele Umfragen jüngeren Datums. Aber auch in anderen Euro-Ländern steht es nach mehr als vier Jahren Krise schlecht um das Vertrauen in die Politik, die EZB und die gemeinsame Währung. Je geringer das Vertrauen in die Geldpolitik jedoch ist, umso schwerer kann die Notenbank auf der anderen Seite glaubhaft und nachhaltig für stabile Preise sorgen - ein Teufelskreis. Mario Draghi wird nicht zuletzt daran gemessen werden, ob er es schafft, als neuer "Signore Euro" für einen stabilen Euro nach außen und innen und für neues Vertrauen in die EZB zu sorgen. Er hat dafür deutlich weniger Zeit als die acht Jahre, die seine Amtszeit dauert.

Quelle: ntv.de, nne/rts/dpa

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