Markus Zschaber zieht Bilanz Davos - Ein Freiraum für Denker?
27.01.2013, 17:25 Uhr
WEF-Gründer Klaus Schwab spricht bei der letzten Diskussionsrunde der diesjährigen Veranstaltung.
(Foto: picture alliance / dpa)
Die globale Finanzkrise stellt Wirtschaft und Politik immer noch vor große Aufgaben. Die Politik tut sich deshalb mit zu positiven Aussagen keinen Gefallen, meint Vermögensverwalter Markus Zschaber. Er vermisst klare Ansagen an Wirtschaft und Gesellschaft.
Jedes Jahr aufs Neue vereint sich die Elite und führende Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft und diskutiert die Lage der Welt. In vielen Diskussionen wird ersichtlich, dass das Vertrauen in die Wirtschaft und Politik sich noch in sehr "tiefen Gewässern" befindet, zu tiefgreifend war die globale Finanzkrise, aber ganz deutlich ersichtlich ist, der Hoffnungsschimmer scheint auf - die Grundstimmung ist wesentlich positiver als noch vor 12 Monaten. Der Glaube allerdings, dass sehr zeitnah nachhaltige Lösungswege gefunden werden, um beispielsweise gerade der Krise in Südeuropa "Herr" zu werden ist etwas gedämpft, so unser Eindruck.
Auf der anderen Seite steht die Politik, die sich mit positiven Zureden und populistischen Aussagen wie "das schlimmste haben wir hinter uns" oder "es geht jetzt wieder aufwärts" versucht im ökonomischen Kontext zu positionieren. Auch Klaus Schwab der Präsident des WEF verkündete in seiner Eröffnungsrede, dass das Krisengerede ein Ende haben muss und forderte anschließend mehr konstruktive Denkweise. (In diesem Zusammenhang erinnern wir uns an die Aussagen des Davos-Begründers Schwab im vergangenen Jahr, der das Wirtschaftsmodell des Kapitalismus als überfordert betrachtete.)
Grundsätzlich stimmen wir Herrn Schwab sicherlich zu, dass konstruktive Lösungen der einzige Weg für eine strukturelle Heilung der Ungleichgewichte sind, welche zu den Verwerfungen in vielen Teilen Europas geführt haben, aber wer die Kausalkette der Krise verstanden hat, wird auch einen Blick in Richtung des Bank- und Finanzsektors werfen und an neue Regeln oder gar Regulierung denken. Noch wichtiger ist aber, dass sich vor allem die Politik mit zu positiven Aussagen keinen Gefallen tun wird, denn die Reformhürden die noch umgesetzt werden müssen, sind sehr sehr groß. Die Lernkurve aus der Vergangenheit zeigt eindeutig, dass bei zu positiver Stimmungslage der Ehrgeiz, die notwendigen Reformen zügig umzusetzen, konterkariert wird.
Wir persönlich sind der Überzeugung, dass eines der wichtigsten Themen diesbezüglich die Erhöhung des Produktions- bzw. Industrialisierungsniveaus in Europa ist. Fakt ist, wir haben in Europa und ganz explizit in der Eurozone nach wie vor ein absinkendes Produktionsniveau. Dies muss ein Ende haben. Hier steht die Politik in der Verantwortung.
Schmerzhafte Reformen sind nötig
Der Hintergrund dieser Entwicklung liegt natürlich an der fehlenden Wettbewerbsfähigkeit vieler Volkswirtschaften, aufgrund eines inflationären Konjunkturaufschwungs der durch zu günstige Refinanzierungszinsen in vielen Teilen Europas seit der Euroeinführung stattgefunden hat. Im Umkehrschluss bedeutet dies aber auch eindeutig, dass im realwirtschaftlichen Kontext noch wichtige Reformen umgesetzt werden müssen. Exakt hier fehlten uns die klare Ansage bzw. die Marschroute der Politik an die Wirtschaft und an die Gesellschaft, dass die Wettbewerbsfähigkeit das Fundament für eine Reindustrialisierung ist. Die Reindustrialisierung ist das Fundament für Arbeitsplätze. Noch mal, weitere Reformen werden unbedingt benötigt und der Weg dorthin wird noch lange anhalten und die Anpassungsprozesse werden "schmerzhaft" bleiben. Das ist die Wahrheit und diese Aussage hätte ich mir von der Politik gewünscht.
Vergleichen wir die Reindustrialisierung der USA mit der in Europa (ausgenommen Deutschland) kann eindeutig eine vollständig konträre Entwicklung seit einiger Zeit beobachtet werden. Die USA haben verstanden ein Umfeld zu schaffen, Unternehmen wieder anzusiedeln und die wichtigen Produktionsstätten in die USA zu holen. Deutschland zeigt eindeutig wie wichtig es ist, einen hohen Industrieanteil am BIP mit unterschiedlichen Sektoren zu haben, um durch Krisenzeiten eine gesunde gesamtwirtschaftliche Entwicklung zu erzielen.
Die Konsolidierung in Südeuropa darf noch kein Ende haben, allerdings muss die Politik gleichzeitig ein Umfeld für Investitionsströme schaffen. Dies kann nicht durch positives Zureden gelingen sondern nur durch strukturökonomische Veränderungen. Wie gesagt, wir haben noch einen langen Weg vor uns.
Viele Grüße aus Davos
Quelle: ntv.de, Dr. Markus C. Zschaber Vermögensverwaltungsgesellschaft mbH