Wirtschaft

"Bitte den Euro nicht totreden" Dax-Riesen ohne Krisenpläne

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(Foto: picture alliance / dpa)

Hektischer Euro-Countdown? Ohne die Dax-30-Konzerne, bitte. Die deutschen Unternehmen behalten zwar die Märkte im Blick, Krisenpläne hängen aber nicht am Reißbrett. Dennoch wird der EU-Gipfel am Freitag angespannt erwartet. Eine Umfrage.

"Es ist seit Monaten das bestgehütete Geheimnis in der europäischen Unternehmenslandschaft", schrieb die "Financial Times" Ende November. Trotz aller Beteuerungen aus der Politik, dass es eine Lösung für die Schuldenkrise geben wird, würden sich immer mehr Unternehmen im Stillen auf ein mögliches Auseinanderbrechen der Euro-Zone vorbereiten. Nur die Daumen zu drücken und auf das Beste zu hoffen, sei keine Option mehr, so das alarmierende Fazit der Zeitung, die zum Beweis Tui heranzieht. Der Touristik-Konzern hatte Medienberichten zufolge griechische Hoteliers aufgefordert, einen Vertrag zur Absicherung gegen Währungsrisiken zu unterzeichnen, um sich damit auf eine mögliche Rückkehr Griechenlands zur Drachme vorzubereiten.

Zu diesen Untergangsszenarien passte die Bemerkung von EU-Wirtschaftskommissar Olli Rehn, der im Vorfeld des EU-Gipfels am 8./9. Dezember von "zehn kritischen Tagen" sprach, während derer eine umfassende Krisenantwort gefunden werden müsse. Flugs wurde ein Euro-Countdown für die finalen Tage der Gemeinschaftswährung angezählt, der vage an die Jahr-2000-Aufregung erinnert. Dabei klang schon das ebenfalls von der "Financial Times" eingeholte Statement von Volkswagen wenig apokalyptisch: Man sei sich bewusst, dass einige Unternehmen Pläne für einen Zusammenbruch des Euros hätten, hieß es. Daher habe man eine erste grobe Analyse über die Konsequenzen eines Ende der Währung gemacht, etwa im Hinblick auf die portugiesische Währung, erklärte der Autobauer, der zu Portugals größten Exporteuren gehört.

Panik oder normale Vorsorge?

Insgesamt scheint die Deutschland AG für "Schicksalstage" noch relativ entspannt zu sein. Gegenüber n-tv.de räumen die meisten Pressesprecher bei einer Umfrage unter den 30 Dax-Unternehmen zwar ein, die Märkte derzeit noch genauer als sonst zu beobachten. Von eilig in dieser Woche zusammengestellten Krisenplänen will allerdings kein Konzern etwas wissen. "Wir stellen uns grundsätzlich auf alle denkbare Szenarien ein, das gehört zu einem guten Risiko-Management dazu", heißt es nicht nur bei Eon. Die Deutsche Lufthansa überwache kontinuierlich die Finanzrisiken und steuere aktiv gegen mögliche negative Effekte von Wechselkursveränderungen, erklärt etwa der Flugkonzern. Andere wie RWE, weisen für den Fall der Fälle auf ausreichende Liquiditätspolster und einen guten Zugang zu den Finanzmärkten hin.

Von Krisenangst will RWE nichts wissen.

Von Krisenangst will RWE nichts wissen.

(Foto: dpa)

Gerade in Unternehmen, die nicht unmittelbar mit der Finanzbranche verflochten sind, kommt zudem die Frage auf, worauf genau man sich eigentlich vorbereiten sollte. "Das ist doch alles sehr hypothetisch", heißt es etwa bei HeidelbergCement. "Angesichts der Vielzahl an denkbaren Szenarien ist es nicht praktikabel, für jedes einzelne davon detaillierte Pläne vorzuhalten", glaubt auch der Pressesprecher der Fresenius Gruppe, Martin Kunze. Der Daimler-Konzern sieht wiederum keinen Anlass, überhaupt von einem Krisenszenario auszugehen.

Bekenntnisse zum Euro

"Wir haben noch keine Verträge an unsere Händler geschickt, dass wir künftig in Drachmen oder Lira abrechnen", lachte unlängst Adidas-Chef Herbert Hainer. Er glaube nicht, dass der Euro verschwindet und die Euro-Zone sich auflöst, betonte Hainer in einem Interview mit der "Welt am Sonntag".

Auch andere Unternehmen bekennen sich zur Gemeinschaftswährung: "Die Allianz war und ist ein großer Verfechter des Euro. Wir gehen nicht davon aus, dass die Euro-Zone auseinanderbricht und deshalb beteiligt sich der Konzern auch nicht an dieser Diskussion", erklärt Pressesprecherin Stefanie Rupp-Menedetter.

Krise nicht herbeireden

"Ob das jetzt die Entscheidungswoche ist, wage ich zu bezweifeln", meint Linde-Sprecher Matthias Dachwald und spricht damit vielen seiner Branchenkollegen aus der Seele. "Grundsätzlich sollten wir eine Krise nicht herbeireden", betont BMW-Sprecher Alexander Bilgeri. Die Krise finde in der Finanzwirtschaft statt, in der Realwirtschaft sei das Thema nicht angekommen. "Stellen Sie sich ein Europa mit vielen unterschiedlichen Währungen vor, was für Kosten das verursachen würde! Der Euro sollte nicht totgeredet werden, sondern man sollte versuchen, eine Lösung zu finden", so Bilgeri.

Genau aus diesem Grund verweigerten mehrere Dax-Riesen auf Anfrage den Einstieg in die Diskussion. "Das verursacht mehr Schaden als Nutzen, wenn sich große Unternehmen an einer solchen Debatte beteiligen", hieß es wiederholt.

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(Foto: dpa)

Wird der Freitag also ein Tag wie jeder andere? Mitnichten. So erhofft sich nicht nur die Deutsche Telekom vom EU-Gipfel ein konkretes Ergebnis, das die Unsicherheit aus dem Markt nimmt und damit Planbarkeit vermittelt. Und auch wenn gerade ein "Kein Kommentar" nicht bedeuten muss, dass in der einen oder anderen Vorstandsschublade nicht doch noch ein Krisenplan schlummert, den man vielleicht vor den Wettbewerbern verbergen will, machen die Dax-Unternehmen nicht den Eindruck, dass die kommende Woche den Beginn der Post-Euro-Ära einläuten wird. Ein Sprecher verabschiedet sich stellvertretend für manche Dax-Größen mit den Worten: "Bestimmt zieht auch das ausgerufene Ende des Euro einfach vorüber wie einst der Jahr-2000-Supergau".

Quelle: ntv.de

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