Gemeinschaftswährung am Golf Der Charme des Euros verblasst
26.05.2010, 14:31 Uhr
Immer wieder muss Kanzlerin Angela Merkel (hier mit dem Außenminister aus Saudi-Arabien Prinz Saud Al Faisal bin Abdulaziz Al Saud) Vorbehalte ausräumen.
(Foto: dpa)
Eigentlich sollte der Euro ihr Vorbild sein, denn auch die Golfstaaten bemühen sich um einen gemeinsame Währung. Die Euro-Krise aber lässt die Scheichs an dem Konzept zweifeln.
Wenn deutsche Regierungsmitglieder früher in die Golfregion reisten, konnten sie dies meist in der komfortablen Rolle als Vorbilder tun. Deutsches Bildungssystem, industrielle Stärke, europäische Einigung und natürlich der Euro - in vielem versuchten die Scheichs ihren Gästen nachzueifern.
Jetzt aber macht Bundeskanzlerin Angela Merkel auf ihrer Golfreise eine andere Erfahrung. Auf die Frage, ob der Euro weiter Vorbild bei den Bemühungen der Golfstaaten um eine eigene Gemeinschaftswährung sein könne, antwortete die Kanzlerin zwar: "Ja, natürlich." Zuvor musste sie in ihren Gesprächen mit den Regierungen aber das für europäische Ohren absurde Gerücht dementieren, Deutschland wolle aus dem Euro austreten. Längst sind nämlich auch den sechs Mitgliedsstaaten des Golf-Kooperationsrates (GCC) gerade wegen der Europäer Zweifel an dem eigenen Projekt gekommen. Auf dem GCC-Außenministertreffen im saudischen Dschiddah gab man das Projekt zwar nicht ganz auf. Weil man jedoch auch am Golf geschockt von der Griechenland-Krise war, treten die sechs GCC-Regierungen nun auf die Bremse.
Scheichs wollen abwarten
"Es gibt eine Menge Lehren aus der Griechenland-Krise zu ziehen", sagte der stellvertretende Außenminister Kuwaits, Scheich Mohammed Sabah al Salim al Sabah, nach dem Treffen. "Wir sollten ein bisschen warten und sehen was mit der Europäischen Währungsunion passiert." Sprich: In die Bewunderung für das Modell Euro haben sich bei den Scheichs, Emiren und Königen auf der arabischen Halbinsel nun Zweifel eingeschlichen.
Das sieht mittlerweile auch die deutsche Industrie so, die früher fast automatisch für Gemeinschaftswährungen weltweit eintrat, weil diese die Export- und Importrisiken mindern würden: Jetzt jedoch warnt BDI-Chef Hans-Peter Keitel die GCC-Staaten ausdrücklich, die Fehler der Euro-Einführung zu wiederholen. "Wir haben beim Euro gerade gelernt, dass es auf die Reihenfolge der Schritte ankommt", sagte Keitel zu Reuters. "Politische und reale Konvergenz müssen eine Währungsunion begleiten." Sonst büße man später für die Fehler bei der Konstruktion der Gemeinschaftswährung.
Delegation trifft auf Vorbehalte
Und die deutsche Delegation hört auf der bisherigen Reise durch die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), Saudi-Arabien und Katar bei aller Freundlichkeit der Gespräche mehr als einmal die neuen Vorbehalte. Ohne eigene Währung sei auch keine Abwertung mehr möglich, das habe Griechenland gezeigt, heißt es da. Und zur nötigen Aufgabe nationaler Souveränität etwa zur Koordinierung der Fiskalpolitik sind die Regierungen am Golf offenbar doch nicht noch wirklich bereit.
Tatsächlich hat sich der Zeitplan für ein Euro-Nachfolgemodell in der Golfregion bereits drastisch geändert. Bisher hatten die GCC-Staaten nach dem Vorbild der EU erst 2003 die Zollunion zwischen den sechs Mitgliedern geschaffen, dann folgte 2008 der Binnenmarkt. Doch das eigentlich anvisierte Ziel, eine gemeinsame Währung zum 1. Januar 2010 einzuführen, hat man bereits verpasst. 2007 meldete zunächst Oman Bedenken an, im vergangenen Jahr zogen sich dann auch die VAE aus dem Projekt zurück. Heute sagt GCC-Generalsekretär Abdulrahman al-Attija, dass sich die Einführung einer Gemeinschaftswährung bis 2015 verzögern könnte - wenn denn die ehemaligen Vorbilder in Europa den Euro stabilisieren können und das Projekt nicht für potenzielle Nachahmer diskreditieren.
Quelle: ntv.de, Andreas Rinke, rts