Wirtschaft

Schweizer Franken, Eurokrise Der Fluch des sicheren Hafens

Weißes Kreuz auf rotem Grund: Ein Zeichen für Sicherheit in unsicheren Zeiten.

Weißes Kreuz auf rotem Grund: Ein Zeichen für Sicherheit in unsicheren Zeiten.

(Foto: picture alliance / dpa)

Die Schweizer Geldhüter müssen wieder eingreifen. Zu stark ist die Nachfrage nach dem heimischen Franken derzeit. Aber wer oder was steckt dahinter? Eine konzertierte Aktion von Hedgefonds oder testet der Markt einfach seine Grenzen aus?

Die steigenden Sorgen um die großen Euro-Krisenländer Spanien und Italien halten die Finanzmärkte in Atem: Anleger flüchten wieder in sichere Häfen wie den Schweizer Franken. Die Schweizerische Nationalbank (SNB) hatte zuletzt wiederholt Probleme, den Wechselkurs zu verteidigen. Während Europa wieder im Alltag der Schuldenkrise anzukommen droht, könnte dem Franken sein Status als Fluchtwährung zum Verhängnis werden.

Binnen weniger Tage hat die Schweizer Notenbank es bereits zum zweiten Mal verpasst, ihr Kursziel von 1,20 Franken für einen Euro einzuhalten. Diese Grenze wurde im vergangenen September der heimischen Währung gesetzt, als sie im Vergleich zum Euro immer stärker wurde und Rekordhöhen erklomm. Weniger als 1,20 Franken sollte für den Euro nicht gezahlt werden. Dass man in der Börsenstraße 15 in Zürich seinen Einsatz zuletzt verschlafen hat, gilt als äußerst unwahrscheinlich - die SNB steht im Ruf, verlässlich wie ein Schweizer Uhrwerk zu sein.

Zurück im Krisenmodus

Während am Markt über konzertierte Attacken von Hedgefonds spekuliert wird, halten Analysten eine noch simplere Erklärung für möglich: Europa ist nach einer gefloppten Anleiheauktion in Spanien mit voller Wucht in den Krisenmodus zurückbefördert worden. Die Risikoaufschläge für spanische und italienische Schuldverschreibungen ziehen weiter an. Als besonders sicher geltende Alternativen werden verzweifelt gesucht. Im dünnen Handel vor und während der Osterfeiertage könnte das die Schweizer Währungshüter kalt erwischt haben.

Am Donnerstagmorgen trauten Devisenhändler ihren Augen kaum: Um etwa 11.30 Uhr fiel der Franken wie ein Stein, bis er die Marke von 1,20 Franken je Euro unterschritten hatte, also immer weniger für einen Euro bezahlt werden musste. Am Ostersonntag, als die meisten europäischen Märkte geschlossen waren, war es im frühen asiatischen Handel erneut soweit. Diesmal sank der Kurs sogar noch etwas tiefer. Zwar dauerte es in beiden Fällen nicht lange, bis die SNB gegengesteuerte und Euro kaufte, um den Franken zu schwächen.

Dennoch machten die ersten Ausreißer seit dem 6. September 2011, als die SNB die Untergrenze festgelegt hatte, viele Marktbeobachter stutzig.

"Es war nur ein kurzes Signal, aber es zeigt uns, dass der Markt in Zeiten geringer Liquidität weiter die Grenzen austestet", sagte Sebastien Galy, Devisenexperte der französischen Großbank Societe Generale der Nachrichtenagentur Bloomberg. Hintergrund seien die wieder zunehmenden Sorgen angesichts der Schuldenkrise in der Eurozone.

Beliebtheit als Belastung

Die Schweiz leidet am Kapitalmarkt unter ihrer eigenen Attraktivität. Zehnjährige Anleihen der Alpenrepublik werden aktuell mit Renditen von 0,720 Prozent gehandelt. Anleger sind also bereit, zu Niedrigstrenditen Anleihen zu kaufen, nur um auf Nummer sicher zu gehen. Zum Vergleich: Selbst das als letzter großer Hort der Euro-Stabilität geltende Deutschland muss mit 1,711 Prozent deutlich mehr bieten.

Doch für die Schweizer Wirtschaft, allen voran für die Exporteure, ist die Beliebtheit bei Anlegern eine Belastung: Der starke Franken verteuert die heimischen Waren im Ausland und bremst so den Außenhandel aus. Die SNB hat ihren Instrumentenkasten weit geöffnet, um sich gegen den Auftrieb der Währung zu stemmen. Nach Zinssenkungen und Erhöhung der Franken-Liquidität folgte im September das Kursziel.

Theorie und Praxis

Bis jetzt war der Mindestkurs eine Erfolgs-Story, die zeigte, wie hoch das Vertrauen in die Entschlossenheit der SNB an den Märkten ist. Regelmäßig - so auch nach den jüngsten Attacken - betonen die Notenbanker, die Schwelle von 1,20 Franken je Euro werde um jeden Preis verteidigt. Damit das gelingt, müssen die Notenbanker - wenn es hart auf hart kommt - unbegrenzt Euro kaufen, um den Franken zu schwächen.

Theoretisch hat die Notenbank zwar tiefere Taschen als jeder Investor, denn sie kann ohne Ende Geld drucken. Praktisch kann die Intervention am Devisenmarkt jedoch eine teure Angelegenheit werden, die Inflationsrisiken mit sich bringt. Commerzbank-Expertin You-Na Park sieht indes keine Gefahren für eine ausufernde Teuerung. Sie glaubt auch nicht, dass das Vertrauen in die SNB durch das Unterschreiten des Kursziels angeknackst wurde: Die Notenbank werde ihre Marke weiter verteidigen, "da gibt es keine Zweifel."

Quelle: ntv.de, Hannes Breustedt, dpa

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