Wirtschaft

Gaddafis schwarzes Gold Der Glanz verblasst

Bei Geschäften in Libyen spielt auch die Laune des exzentrischen Staatschefs Gaddafi eine Rolle.

Bei Geschäften in Libyen spielt auch die Laune des exzentrischen Staatschefs Gaddafi eine Rolle.

(Foto: dpa)

In Libyen tummeln sich heute - sieben Jahre nachdem die UN-Sanktionen gegen den einstigen "Schurkenstaat" aufgehoben wurden - wieder mehr als 50 internationale Energiekonzerne. Doch in der Branche macht sich Ernüchterung breit. Große Funde blieben bislang aus.

Im Reich von Oberst Muammar al-Gaddafi lagert jede Menge Öl. Doch das Geschäft mit dem schwarzen Gold ist in Libyen besonders zäh und voller politischer Fallstricke. Einige internationale Firmen denken deshalb bereits über einen Rückzug aus dem nordafrikanischen Land nach.

An den letzten vier Ausschreibungen für neue Ölfelder hatten sich noch fast alle Firmen beteiligt, die in der Branche Rang und Namen haben, darunter auch RWE-Dea (Hamburg) und Wintershall (Kassel) sowie mehrere US-Konzerne. Anfangs herrschte noch Euphorie. Einige Unternehmen meldeten schon im ersten Jahr, sie seien fündig geworden. Doch aus Sicht von Branchenkennern sind die bislang bekannten Ergebnisse der Bohrungen in den Gebieten, die von Libyens staatlicher Ölfirma NOC nach 2003 zu relativ harten Bedingungen angeboten worden waren, insgesamt eher enttäuschend.

Erwartungen enttäuscht

"Der Wettbewerb war damals sehr stark", erinnert sich Jan Willem Eggink, Vorsitzender der Shell-Niederlassung in Tripolis. Dies habe dazu geführt, dass die internationalen Ölfirmen die Vertragsbedingungen akzeptiert hätten. Shell sucht derzeit in der Region Marsa al-Brega nach Gas, hat allerdings bisher noch nicht soviel gefunden, dass sich der Export von Flüssiggas lohnen würde. Die Exploration in dem Gebiet soll noch etwa drei weitere Jahre fortgesetzt werden.

"Viele Unternehmen sind mit hohen Erwartungen in diese neuen Gebiete hereinmarschiert, aber die meisten Explorationsvorhaben sind enttäuschend", erklärt ein anderer europäischer Firmenvertreter in Tripolis. Er vermutet, dass einige Konzerne sich gar nicht wegen der kurzfristigen Ausbeute an den Bieterrunden beteiligt hatten, "sondern einfach, um in Libyen einen Fuß in der Tür zu haben". Ihre Hoffnung sei es, dass sie zum Zuge kommen, wenn die Produktion auf den bekannten größeren Ölfeldern der Libyer sinkt. Denn um dort noch eine stabile hohe Ausbeute zu erzielen, sind sogenannte EOR-Technologien erforderlich, über die Libyens staatliche Ölfirma NOC nicht selbst verfügt.

Verhandlungen stocken

Die Erwartungen der Energiekonzerne an Libyen wurden enttäuscht.

Die Erwartungen der Energiekonzerne an Libyen wurden enttäuscht.

(Foto: dpa)

Doch die EOR-Verhandlungen zwischen den Konzernen und der NOC, die vor einigen Wochen ein neues modernes Gebäude im Stadtzentrum bezogen hat, kommen nicht voran. NOC-Chef Schukri Ghanem, der früher einmal Ministerpräsident war, drängt derweil darauf, dass jede ausländische Energiefirma, die in Libyen bohrt, ein Joint-Venture mit einem lokalen Partner eingeht.

Auch gilt der sportliche Grundsatz "Dabeisein ist alles" nicht unbedingt für Geschäfte in Libyen. Denn die Arbeitsbedingungen sind gelegentlich schwierig, für Dienstleistungen wird oft nur mit großer Verspätung bezahlt. "Die Geschäftsmoral ist dürftig", erklärt Gary Bunting, Geschäftsführer der mittelständischen britischen Firma Transweld, die Facharbeiter und Manager für Ölbohrungen vermittelt. Transweld versuche seit Monaten vergeblich, einen libyschen Auftraggeber zum Bezahlen von Rechnungen in Höhe von rund 700 000 US- Dollar (536 000 Euro) zu bewegen, sagt er.

Libyen, das zu den wichtigsten Erdöllieferanten Europas zählt, produziert derzeit rund 1,6 Millionen Barrel (254 Mio Liter) pro Tag und hat Reserven, die auf etwa 44 Milliarden Barrel geschätzt werden. Zum Vergleich: Unter dem Wüstensand von Saudi-Arabien sollen noch etwa 262 Milliarden Barrel des schwarzen Goldes lagern.

Gaddafis Laune zählt

Bei Geschäften in Libyen zählen allerdings nicht nur die beste Technologie und das günstigste Angebot, sondern auch die politische Großwetterlage und die Laune des exzentrischen Staatschefs. Das mag erklären, warum einige europäische Staats- und Regierungschefs Gaddafis Auftritte duldsam über sich ergehen lassen - egal, ob er gerade die Auflösung der Schweiz fordert oder den Übertritt der Europäer zum Islam vorschlägt.

Auch die für diesen Herbst geplante Tiefseebohrung des britischen Ölkonzerns BP vor der libyschen Küste sorgt für politischen Zündstoff: Erstens warnen Umweltschützer nach der Ölkatastrophe im Golf von Mexiko jetzt eindringlich vor dem Risiko eines ähnlichen Szenarios im Mittelmeer. An dieser Stelle im Sirte-Becken liegt das Öl sogar noch rund 200 Meter tiefer als vor der US-Küste. Zweitens hegen einige US-Politiker den Verdacht, britische Regierungsmitglieder hätten die Entlassung des krebskranken libyschen Lockerbie-Attentäters Abdelbaset al-Megrahi aus schottischer Haft im vergangenen Jahr nur befürwortet, um BP nach 30 Jahren Abwesenheit den Weg zurück nach Libyen zu ebnen.

Quelle: ntv.de, Anne-Beatrice Clasmann, dpa

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