Wirtschaft

Juncker gibt Eurogruppen-Führung ab Der amtsmüde Vermittler

Nun soll es ein Anderer machen: 
Jean-Claude Juncker will der Eurogruppe nicht mehr vorstehen.

Nun soll es ein Anderer machen: Jean-Claude Juncker will der Eurogruppe nicht mehr vorstehen.

(Foto: dpa)

Luxemburg ist ein sehr kleines Land, sein Premierminister aber allgegenwärtig. Das wird sich nun ändern, denn Jean-Claude Juncker gibt den Vorsitz der Eurogruppe ab. Jahrelang hat er zwischen den Großen Europas vermittelt - dabei auch immer das Wohl des Großherzogtums im Blick. Sein Nachfolger wird es nicht leicht haben.

Er tut es, er tut es nicht, er tut es. Lange wurde herumgerätselt, ob Jean-Claude Juncker seine Ankündigung wahr macht und den Vorsitz der Eurogruppe abgibt. Seit nunmehr fast 18 Jahren ist der fast 58-Jährige auf der europäischen Bühne präsent. Als Juncker am 20. Januar 1995 luxemburgischer Premierminister wurde, regierten in Deutschland Helmut Kohl und in Großbritannien John Major. Frankreich erlebte die Endphase der Präsidentschaft des Sozialisten Francois Mitterrand.

Verhandeln, überreden, überzeugen: Juncker mit dem portugiesischen Finanzminister Vitor Gaspar.

Verhandeln, überreden, überzeugen: Juncker mit dem portugiesischen Finanzminister Vitor Gaspar.

(Foto: dpa)

Doch nun soll endgültig Schluss sein. Obwohl die Euro-Krise mitnichten ausgestanden ist, macht sich Juncker zu seinem Ge burtstag am 9. Dezember selbst ein Geschenk und verordnet sich weniger Stress. Er tritt freiwillig in die zweite Reihe zurück. Diesmal siegt die eigene Amtsmüdigkeit über das Pflichtbewusstsein. Das jahrelange Vermitteln und das ständige Suchen nach Kompromissen haben bei Jean-Claude Juncker deutliche Spuren hinterlassen, er ist in den letzten Jahren sichtbar gealtert. Auch ein gewisses Maß an Dünnhäutigkeit kann der Konservative aus dem beschaulichen Großherzogtum nicht mehr verbergen. Er will es wohl auch nicht mehr.

Griechen, Spanier, Briten, Deutsche, Franzosen und die anderen: Junckers Nervenkostüm wurde arg beansprucht. Mit einem ordentlichen Maß an Humor ausgestattet, umschiffte er so manche diplomatische Klippe. "Man kann dich auch in Auseinandersetzungen ertragen", sagte Helmut Kohl einmal an die Adresse des Luxemburgers gerichtet.

Zwischen dem Luxemburger und Tony Blair gab es Krach.

Zwischen dem Luxemburger und Tony Blair gab es Krach.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Aber der konnte auch anders: Im Streit um die EU-Finanze n legte sich Juncker Ende 2005 mit dem britischen Premierminister Tony Blair an. Dabei war es ihm egal, dass der Mann von der Insel gerade die EU-Ratspräsidentschaft inne hatte. Wie heute ging es um den Britenrabatt, um Subventionen für ärmere Mitgliedstaaten und um das leidige EU-Thema Agrarpolitik. Der Labour-Politiker, der unter enormem innenpolitischen Druck stand, wollte mit der Heckenschere ran: 14 Milliarden Euro weniger für die bedürftigen Länder und Streichung von fünf Milliarden Euro bei EU-Zahlungen für den ländlichen Raum. Wenn am Britenrabatt herumgestrichen werde, dann sollten die anderen kräftig bluten, so Blairs Plan. Juncker ging auf die Palme und zeigte seinen Ärger über den renitenten Kollegen aus London auch in der Öffentlichkeit.

Rastloser Vermittler

Dabei war ihm durchaus bewusst, dass sich seine Partner zuhause mit vielen Problemen herumzuschlagen hatten. So sprang er den Deutschen bei, indem er erklärte, dass ein Ende des Streits in der EU als Folge deutscher Zahlungsbereitschaft nicht mehr zu erwarten sei. Ein langes Lamentieren am Verhandlungstisch, bis der deutsche Kanzler das Scheckbuch rausholt - diese Zeiten waren vorbei. Berlin hatte Mitte der vergangenen Dekade mit sich selbst zu tun. Juncker verstand die entsprechenden Signale, die Gerhard Schröder und Angela Merkel nach Brüssel beziehungsweise Luxemburg funkten. Er pochte aber im Gegenzug darauf, dass das wirtschaftlich stärkste EU- und Euro-Land seiner politischen Verantwortung für Europa gerecht wird. Bei Gesprächen in Berlin oder Paris redete er schon einmal Klartext.    

Juncker war schon lange nicht mehr "nur" der Regierungschef eines kleinen europäischen Landes. Als es 2004 darum ging, die Arbeit innerhalb der Eurozone stärker zu koordinieren, war der gebürtige Redinger erste Wahl: Er wurde Chef der sogenannten Eurogruppe. Seine beiden Luxemburger Ämter - Premierminister und (bis 2009)  Finanzministers - füllten ihn scheinbar nicht aus. Juncker drehte nun mit entsprechenden Vollmachten am großen europäischen Rad.

Die Griechen strapazierten Junckers Nervenkostüm. Ex-Finanzminister Evangelos Venizelos bekam nicht nur Angenehmes zu hören.

Die Griechen strapazierten Junckers Nervenkostüm. Ex-Finanzminister Evangelos Venizelos bekam nicht nur Angenehmes zu hören.

(Foto: picture alliance / dpa)

Ein zusätzlicher Posten sorgt allerdings auch für zusätzlichen Ärger. Der Ausbruch der Finanzkrise und die sich danach entfaltende e uropäische Schuldenkrise ließen Juncker zu einem Rastlosen werden. Manchmal wirkte er auch ratlos: So trieben ihn die lange Zeit reformunwilligen Griechen zur Weißglut. Die großen Ankündigungen aus Athen, die dann nicht umgesetzt wurden, ließen den Vermittler schier verzweifeln. Aber nicht nur Griechenland erregte seinen Groll: Auch die deutsch-französischen Auseinandersetzungen um den richtigen Weg aus der Schuldenkrise machten seine Arbeit nicht leichter - von Großbritannien ganz zu schweigen. "Regierungschefs kommen nach Brüssel und vertreten nationale Positionen", seufzte Juncker am Rande des jüngsten EU-Gipfels verbittert: "Einige, fast alle, haben Zahlen im Kopf. Und selten sind die geworden, die Überzeugungen im Herzen haben (...)".              

Herz für Finanzplatz Luxemburg

Dabei ist auch der Luxemburger durchaus empfänglich für Zahlen - im Interesse seines Großherzogtums. Lange wehrte er sich gegen eine europäische Finanzregulierung, erst die Finanzkrise sorgte für ein Umdenken seinerseits. Die Regierung Juncker lockt Finanzdienstleister mit relativ niedrigen Steuersätzen ins Land - "Nischenstrategie" nennt man das dort. Der Finanzsektor mutierte zum wichtigsten Sektor der luxemburgischen Volkswirtschaft. Juncker ist als Regierungschef daran interessiert, dass das so bleibt. Ohne Zweifel trägt er Europa im Herzen. Luxemburg soll davon aber auch ordentlich profitieren.

Die Eurogruppe hat nun ein Problem, denn Juncker ist schwer zu ersetzen. Obwohl es ein Rücktritt mit Ansage ist, tun sich die Mitglieder der Eurozone schwer mit der Nachfolge. Kein Wunder, denn die politische Statik der Eurozone ist betroffen. Deutschland und Frankreich sind gefordert, ihre Kassenhüter Wolfgang Schäuble und Pierre Moskovici sind im Gespräch - erst könnte es der Deutsche machen, dann der Franzose. Schäuble gibt sich gewohnt zurückhaltend und verzichtet klugerweise auf Erklärungen. Der Sozialist Moskovici spielt den Überraschten, um dann doch noch mitzuteilen, dass er sich "geschmeichelt" fühle. Vielleicht wird es keiner von beiden, denn die deutsch-französische Dominanz ist den kleineren Euro-Staaten ein Dorn im Auge. Österreichs Finanzministerin Maria Fekter prescht schon einmal vor und fordert einen Regierungschef für den Posten.

So oder so: Es wird einen Nachfolger für Juncker geben. Und Juncker verschwindet nicht völlig von der europäischen Bildfläche. Es ist schwer vorstellbar, dass er sich nur noch um Diekirch, Düdelingen oder Esch kümmert und sich ausschließlich seinem Herrn, Großherzog Henri von Nassau-Weilburg, verpflichtet fühlt. Dafür ist er dann doch zu sehr Europäer.

Quelle: ntv.de

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