Wirtschaft

Überschüsse in Sozialversicherungen Deutsche Staatskasse klingelt

Deutschland hält die Fahne hoch: Der Staat profitiert von der guten Arbeitsmarktentwicklung. Der Bund selbst schreibt zwar weiter Miese, aber die Sozialversicherungsbeiträge reißen es raus.

Deutschland hält die Fahne hoch: Der Staat profitiert von der guten Arbeitsmarktentwicklung. Der Bund selbst schreibt zwar weiter Miese, aber die Sozialversicherungsbeiträge reißen es raus.

(Foto: picture alliance / dpa)

Die robuste Konjunktur beschert dem deutschen Staat im ersten Halbjahr einen erfreulichen Überschuss. Bund, Länder, Kommunen und Sozialversicherungen nehmen zusammen 8,3 Milliarden Euro mehr ein, als sie ausgeben. Erfreulich fallen auch die jüngsten Wachstumszahlen aus: Dank starker Exporte bleibt die Konjunktur auf Kurs.

Container Terminal Altenwerder (CTA) im Hamburger Hafen: Vom Export kommen positive Signale.

Container Terminal Altenwerder (CTA) im Hamburger Hafen: Vom Export kommen positive Signale.

(Foto: picture alliance / dpa)

Kauffreudige Verbraucher und steigende Exporte haben die deutsche Wirtschaft im zweiten Quartal auf Wachstumskurs gehalten. Das Bruttoinlandsprodukt kletterte von April bis Juni um 0,3 Prozent im Vergleich zum ersten Quartal. Damit bestätigte das Statistische Bundesamt seine erste Schätzung. Zu Jahresbeginn waren es noch 0,5 Prozent.

Vor allem der Außenhandel sorgte für Impulse. Denn die Exporte stiegen mit 2,5 Prozent stärker als die Importe mit 2,1 Prozent und schoben damit die Konjunktur an. Aus der Binnennachfrage kamen allerdings gemischte Signale. Während die privaten Verbraucher trotz der Schuldenkrise ihre Ausgaben um 0,4 Prozent steigerten, hielten sich die Unternehmen wegen der Unsicherheit merklich zurück. Die Firmen investierten 2,3 Prozent weniger in Maschinen und Anlagen. Dies war der dritte Rückgang in Folge. Auch die Bauinvestitionen sanken um 0,3 Prozent zum Vorquartal.

Scharfer Gegenwind

Verglichen mit anderen Euro-Ländern steht Deutschland mit seinen Wachstumszahlen aber immer noch gut da. In Italien brach das Bruttoinlandsprodukt um 0,7 Prozent ein, in Belgien um 0,6 Prozent und in Spanien um 0,4 Prozent. Frankreichs Wirtschaft stagnierte. Die gesamte Euro-Zone schrumpfte um 0,2 Prozent.

Im Sommer könnte Europas größte Volkswirtschaft nach Prognose der Ökonomen ebenfalls nachlassen. Exporte, Produktion und Industrieaufträge waren zuletzt bereits gesunken. Der Ifo-Geschäftsklimaindex als wichtigstes Konjunkturbarometer liegt auf dem niedrigsten Niveau seit März 2010. Auch die Bundesbank befürchtet einen Rückschlag angesichts der Dauerkrise in Europa. "Die Konjunktur in Deutschland könnte nach der Jahresmitte 2012 stärker als bisher durch die Verunsicherung im Euro-Raum beeinträchtigt werden", warnte sie im aktuellen Monatsbericht.

Milliarden-Überschuss für den Fiskus

Die nach wie vor gute konjunkturelle Entwicklung führte nach Angaben des Statistischen Bundesamts auch zu höheren Staatseinnahmen. Bund, Länder, Kommunen und Sozialversicherung nahmen zusammen 8,3 Mrd. Euro mehr ein, als sie ausgaben. Das Plus entspricht 0,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Während einige Länder im Euroraum mit umfassenden Sparbemühungen versuchen, die lodernde Staatsschuldenkrise zu überwinden, ist Deutschland damit weit von der Defizit-Marke von 3,0 Prozent des BIP entfernt, die der Maastricht-Vertrag höchstens erlaubt.

Ausschlaggebend für den positiven Saldo im ersten Halbjahr war ein Überschuss der Sozialversicherung in Höhe von 11,6 Mrd. Euro, dem ein Defizit der Haushalte von Bund, Länder und Gemeinden in Höhe von 3,3 Mrd. Euro gegenüberstand.

Vor allem die gute Situation auf dem Arbeitsmarkt brachte dem Staat zusätzliches Geld. So stiegen die Einnahmen aus der Lohn- und Einkommensteuer im ersten Halbjahr um 6,3 Prozent auf 109,1 Mrd. Euro, die aus Sozialbeiträgen um 2,8 Prozent auf 217,9 Mrd. Euro. Die Staatsausgaben seien im selben Zeitraum mit einem Plus von 0,8 Prozent dagegen nur moderat gestiegen.

Die Statistiker wiesen in diesem Zusammenhang aber darauf hin, dass von den Halbjahreszahlen noch keine Rückschlüsse auf das Ergebnis des Gesamtjahres gezogen werden könnten. Die Bundesregierung erwartet bisher im laufenden Jahr eine deutsche Defizitquote von 0,5 Prozent. Im vergangenen Jahr hatte das Defizit 1,0 Prozent des BIP betragen, womit die von der EU vorgegebene Obergrenze von 3,0 Prozent bereits deutlich unterschritten worden war. Einen Haushaltsüberschuss im Gesamtjahr erzielte Deutschland zuletzt 2007.

"Das ist die Konjunkturdividende"

Wer Arbeit hat, hat auch Geld zum Ausgeben.

Wer Arbeit hat, hat auch Geld zum Ausgeben.

(Foto: picture alliance / dpa)

Ökonomen halten es für möglich, dass der Staat im Gesamtjahr ohne neue Schulden auskommen kann. "Wenn nicht alles zusammenkracht, könnte es in diesem Jahr zu einem ausgeglichenen Haushalt oder sogar einem Überschuss reichen", sagte UniCredit-Experte Alexander Koch. "Das ist aber weniger einer konsequenten Konsolidierungspolitik als der Konjunkturdividende zuzuschreiben, allen voran der guten Arbeitsmarktentwicklung", sagte DekaBank-Experte Andreas Scheuerle. "Letztlich ist es aber enttäuschend, dass nach Jahren mit Wachstumsraten zwischen drei und vier Prozent erst jetzt ein positiver Saldo erreicht wird."

Bundesbank warnt vor zu hohen Erwartungen

Die Bundesbank warnte erst in dieser Woche vor Selbstzufriedenheit. "Das Vertrauen in die deutschen Staatsfinanzen bildet einen wichtigen Stabilisierungsfaktor in der gegenwärtigen Krise, es ist aber nicht unerschütterlich", mahnte sie in ihrem Monatsbericht. Trotz günstiger Rahmenbedingungen seien die Haushalte vieler Länder und Kommunen "teilweise stark" defizitär. "Dies wird von hohen, jedoch nur temporären Überschüssen der Sozialversicherungen partiell überdeckt." Schon wegen der absehbaren demografiebedingten Haushaltsbelastungen sei es notwendig, "günstige Konsolidierungsbedingungen konsequent zu nutzen und den noch notwendigen Defizitabbau nicht zu verschieben".

"Kein Zukunftsvertrauen"

Analysten äußerten sich in ersten Reaktionen auf die Wachstumszahlen ebenfalls vorsichtig: "Das Zukunftsvertrauen der deutschen Wirtschaft sinkt. Die tiefe Rezession in den Krisenländern der Eurozone wird vor allem über den Außenhandel auch hierzulande zunehmend spürbar", schreibt Norbert Irsch, KfW-Chefvolkswirt. "In den Unternehmen wächst die Unsicherheit über künftige Absatzperspektiven - Investitionen werden aufgeschoben oder entfallen ganz. Diese Unsicherheit hat auch deshalb sehr stark zugenommen, weil noch keine klare und für die Mehrheit der Unternehmen überzeugende Lösungsperspektive für die Eurokrise erkennbar ist", so Irsch weiter.

Die KfW korrigiert deshalb ihre Konjunkturprognose nach unten und rechnet für 2012 mit einem preis- und kalenderbereinigten Wirtschaftswachstum von 1,0 Prozent, nach bisher 1,2 Prozent. Für 2013 erwartet sie nur noch ein Plus von 1,5 Prozent, nach bisher 2,0 Prozent.

Quelle: ntv.de, ddi/rts/dpa

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