Streit um Griechenland-Hilfe Deutschland isoliert
22.03.2010, 19:29 UhrDeutschland geht im Streit über Hilfen für Griechenland auf Konfrontationskurs und lehnt den von vielen EU-Partnern geforderten Beschluss über einen Notfallplan in dieser Woche ab. Der Chef der Euro-Finanzminister, Luxemburgs Premier Jean-Claude Juncker, hat jedoch einen Kompromissvorschlag.
"Bis zur Stunde hat Griechenland nicht um Geld gebeten, deshalb gibt es auch keinen Entscheidungsbedarf", bekräftigt Außenminister Guido Westerwelle die ablehnende Haltung von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Es dürfe "kein Geld ins Schaufenster" gelegt werden, weil sonst der dringend nötige Reformdruck in Griechenland nachlasse, sagte Westerwelle in Brüssel. Die EU-Kommission und viele EU-Länder - darunter Frankreich, Spanien und Italien - dringen auf eine Entscheidung über den Plan spätestens beim EU-Gipfel am Donnerstag, denn der Streit treibt die Zinsaufschläge auf griechische Anleihen weiter in die Höhe.
Zusätzlich verschärfte Griechenlands Vize-Premier Theodoros Pangalos die ohnehin aufgeheizte Diskussion. Er unterstellte Deutschland, im Interesse seiner Exportindustrie auf einen schwachen Euro hinzuarbeiten. Wenn nicht bald über Hilfen entschieden werde, sei die Gemeinschaftswährung sinnlos. Pangalos warf Deutschland zudem vor, seinen Banken die Spekulation gegen Griechenland zu erlauben. Der Euro reagierte auf den Streit in der EU mit Verlusten und sackte zeitweise um mehr als einen halben Cent unter 1,35 Dollar ab. Auch die internationalen Börsen reagierten mit Kursverlusten.
Griechische Freunde unterstützen
EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso hatte gegen den Widerstand Deutschlands einen Vorschlag angekündigt, mit dem Griechenland Finanzhilfen seiner Euro-Partnerländer unter Auflagen erhalten könnte. Es handelt sich dabei um bilaterale Kredite, die die Partner dem Land bei drohender Zahlungsunfähigkeit geben würden. Vorbereitet hatten die Finanzminister der Euro-Zone das Konzept. Barroso will erreichen, dass der Plan beim Gipfel am Donnerstag beschlossen wird. Das bedeute nicht automatisch, das Instrument auch einzusetzen, beteuerte die EU-Kommission. Der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Jean-Claude Trichet, sagte, nur Kredite seien als Hilfe möglich. Diese müssten an strenge Auflagen gebunden sein.
Druck auf Deutschland kam von vielen europäischen Partnerländern. Spaniens Außenminister Miguel Angel Moratinos sagte, sein Land als amtierender EU-Ratspräsident werde alles unternehmen, damit Griechenland die Solidarität erhalte, die es verdiene. Die Außenminister von Frankreich und Italien, Bernard Kouchner und Franco Frattini, forderten eine Einigung noch vor dem EU-Gipfel. "Wir müssen unsere griechischen Freunde unterstützten, die einen sehr mutigen Reformplan vorgeschlagen haben", sagte Kouchner. Österreichs Außenminister Michael Spindelegger forderte einen Beschluss beim Gipfel ebenso wie sein Luxemburger Kollege Jean Asselborn.
Ein Thema für den EU-Gipfel?
Von der Bundesregierung kamen dennoch keine Signale eines Einlenkens. Vielmehr pocht sie darauf, dass der EU-Gipfel nicht über Griechenland-Hilfen zu befinden habe. Auf der Tagesordnung stehe dieses Thema nicht, sagte Regierungssprecher Ulrich Wilhelm. Die Bundesregierung hat rechtliche Bedenken gegen die Hilfe, auch wenn die Kommission erklärte, die Lösung sei vereinbar mit dem Nichtbeistandsgebot des EU-Vertrages. Westerwelle sagte, die Bundesregierung habe auch die Interessen der deutschen Steuerzahler zu vertreten, die im Krisenfall einen Löwenanteil der Mittel zu schultern hätten. Das wichtigste sei jetzt, dass Griechenland seine Reformen umsetze.
Kompromissmöglichkeiten deutete der Chef der Euro-Finanzminister, Luxemburgs Premier Jean-Claude Juncker, an. Es müsse nicht unbedingt einen Beschluss beim Gipfel geben, doch müssten die technischen Vorbereitungen trotzdem bald abgeschlossen werden. Juncker sagte im Europäischen Parlament, er sei persönlich nicht dafür, dass Griechenland auf Hilfe des Internationalen Währungsfonds zurückgreife. "Die Euro-Zone sollte das selbst lösen." Es gebe jedoch auch Argumente für die Beteiligung des IWF. Eine zweigleisige Lösung, bei der die Euro-Zone jedoch die Regie habe, sei nicht auszuschließen. "Das wird hoffentlich in den kommenden Tagen klarer." Er bekräftigte, das Instrument müsse wahrscheinlich gar nicht eingesetzt werden, weil das griechische Sparprogramm ausreichend sei.
Die Diskussion über IWF-Hilfe hatte gerade Deutschland angeheizt. Für Bundeskanzlerin Angela Merkel sei die Mithilfe des Fonds "definitiv ein Thema", sagte Wilhelm. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble ist ebenso wie Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy bisher allerdings dagegen, weil dies als Versagen der Währungsunion betrachtet würde.
Quelle: ntv.de, rts