Belgier Praet wird EZB-Volkswirt Deutschland sieht EZB gerüstet
03.01.2012, 20:00 Uhr
Schäuble und Asmussen sind mit EZB-Chefvolkswirt Praet zufrieden. (Archivbild)
(Foto: picture alliance / dpa)
Paukenschlag an der EZB-Spitze: Weder die Deutschen noch die Franzosen stellen den neuen Chefvolkswirt der Europäischen Zentralbank. Der Notenbank-Posten geht an einen Belgier - immerhin mit deutschen Wurzeln. Der favorisierte Ex-Finanzstaatssekretär Asmussen zeigt sich ebenso zufrieden wie Bundesfinanzminister Schäuble.
Der renommierte Spitzenposten des Chefvolkswirts bei der Europäischen Zentralbank (EZB) wird erstmals nicht an einen Deutschen vergeben. Stattdessen berief das Direktorium der Notenbank den Belgier Peter Praet zum Nachfolger von Jürgen Stark. Das teilte die EZB mit. Eigentlich galten der Deutsche Jörg Asmussen und der Franzose Benoît Coeuré als aussichtsreichste Kandidaten für die Nachfolge.
Der frühere Berliner Finanzstaatssekretär Asmussen soll die EZB stattdessen quasi als "Außenminister" bei internationalen Treffen vertreten und Notenbank-Präsident Mario Draghi bei allen wichtigen Gipfeln begleiten. Zudem soll der 45 Jahre alte Ökonom und erfahrene Polit-Manager künftig die Rechtsabteilung leiten, die unter anderem wegen der Beurteilung der umstrittenen Staatsanleihenkäufe wichtig ist.
Deutsche Politik zufrieden
Der "Bild"-Zeitung sagte Asmussen: "Ich bin zufrieden. Gemeinsam mit EZB-Präsident Draghi werde ich mich um das kurzfristige Krisenmanagement und die langfristige Ausgestaltung der Euro-Stabilitätsunion kümmern."
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sieht die EZB nun gut gerüstet für die Zukunft. "Der neue Aufgabenzuschnitt im Direktorium der EZB ist eine ausbalancierte Entscheidung", erklärte Schäuble am Dienstagabend. "Die EZB ist für die anstehenden Herausforderungen personell gut aufgestellt."
Schlappe für Schwarz-Gelb?
Dagegen bewerten die Grünen die Berufung Praets anstelle Asmussens als eine Niederlage für Schwarz-Gelb. "Für die Bundesregierung ist das eine peinliche personalpolitische Schlappe", sagte der finanzpolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Gerhard Schick, der "Rheinischen Post". "Der Versuch der Bundesregierung, das Amt des EZB-Chefvolkswirts als eine Art Erbhof zu betrachten, ist gründlich gescheitert", sagte Schick weiter.
Der 62 Jahre alte Währungsfachmann Praet genießt in Fachkreisen hohes Ansehen. Der frühere Direktor der belgischen Notenbank ist ein Experte auf den Gebieten Finanzaufsicht und Finanzstabilität. Geldpolitisch wird er eher den "Tauben" zugerechnet, die anders als die "Falken" beim Thema Preisstabilität ein Auge zudrücken, um mit niedrigen Zinsen die lahmende Konjunktur in Schwung zu bringen.
Belgier mit deutschen Wurzeln
Der deutschstämmige Belgier mit Wurzeln im nordrhein-westfälischen Herchen rückte im Juni 2011 nach Jahren bei der belgischen Notenbank ins EZB-Direktorium auf. Zuvor hatte er beim Internationalen Währungsfonds (IWF), beim belgischen Finanzministerium, in der Finanzwirtschaft sowie als Professor gearbeitet.
Im EZB-Direktorium sitzen neben EZB-Präsident Draghi und seinem Vize Vítor Constâncio vier weitere Mitglieder, darunter seit Jahresbeginn Asmussen und Coeuré. Asmussen kam für Stark, der frühere Chefvolkswirt im Pariser Finanzministerium Coeuré, der unter anderem den Bereich IT übernimmt, zog für Lorenzo Bini Smaghi in das Gremium ein.
Druck aus Frankreich
Der Italiener Bini Smaghi hatte seinen Posten vorzeitig geräumt, nachdem sein Landsmann Draghi im November für den Franzosen Jean-Claude Trichet an die EZB-Spitze gerückt war. Damit waren zwei Italiener im Direktorium vertreten, aber kein Franzose mehr. Insbesondere der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy hatte Druck auf Bini Smaghi ausgeübt und dessen Rücktritt gefordert.
Traditionell sind die vier großen Länder der Eurozone (Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien) immer im Direktorium vertreten. Eine feste Regel für die Besetzung gibt es aber nicht. Oberstes Entscheidungsgremium der EZB etwa in Fragen der Zinspolitik ist aber ihr Rat, dem neben den 6 Direktoriumsmitgliedern auch die 17 Vertreter der nationalen Notenbanken angehören.
Quelle: ntv.de, bad/dpa