Wirtschaft

Wohin wandern die Waren? Die Deutschen und ihr Export

Im Herbst 2010 arbeitet die deutsche Wirtschaft wieder auf vollen Touren. Der Export schwillt an: Binnen vier Wochen schicken die Unternehmen Waren im Wert von etwas mehr als 85 Milliarden Euro über die Grenzen. Wohin geht das alles? Wer nimmt das alles ab? Ein Überblick.

Eine der vielen Kanten Deutschlands: Vom Hamburger Hafen aus verlassen die Erzeugnisse deutscher Unternehmen das Land auf dem Seeweg.

Eine der vielen Kanten Deutschlands: Vom Hamburger Hafen aus verlassen die Erzeugnisse deutscher Unternehmen das Land auf dem Seeweg.

(Foto: picture alliance / dpa)

Die Frage, wohin die deutschen Waren wandern, mit wem also die deutschen Unternehmen ihre Geschäfte machen, ist von großer Bedeutung. Ist es der rasende Wirtschaftsaufschwung in China, der die deutschen Exporterfolge erst möglich macht? Oder hängt Deutschland doch an Amerika? Muss das Land mit Präsident Obama unter der hohen Arbeitslosigkeit in den USA leiden?

In diesem Jahr beginnt der Herbst in Deutschland mit sehr großen Zahlen. Für den Monat September kommen die Experten im Statistischen Bundesamt in ihren Berechnungen auf ein Exportvolumen von 86,9 Mrd. Euro. Das ist deutlich mehr als im August, und auch deutlich mehr als vor zwölf Monaten. Da sahen die Verhältnisse noch ganz anders aus. Weltweit hatte die Wirtschaftskrise die Nachfrage gedrückt, der Warenverkehr brach ein, das monatliche Exportvolumen sank auf 70,9 Mrd. Euro.

Doch die scharfen Konjunktureinbrüche sind mittlerweile Wirtschaftsgeschichte. Jetzt bekommen die deutschen Exporteure die globale Aufwärtsbewegung voll zu spüren. Die Statistiker belegen die Entwicklung mit Zahlen: Im Vergleich zum Vorjahresmonat stiegen die Exporte um 22,5 Prozent. Seit Jahresbeginn hat Deutschland Waren im Wert von 703,2 Mrd. Euro ins Ausland verkauft, ein Plus von 19 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.

Wer kauft das alles?

Die Mehrheit der deutschen Exportgüter muss nicht weit gefahren werden. Knapp 60 Prozent der Ausfuhren bleiben in der Region: Die Abnehmer sitzen in Staaten der Europäischen Union. Im September, dem Monat, aus dem die aktuellsten Zahlen vorliegen, haben die Deutschen Waren im Wert von 52,1 Mrd. Euro ins europäische Ausland exportiert. Der hohe EU-Anteil am Export unterstreicht nicht nur die Bedeutung des gemeinsamen Wirtschaftsraums, von dem Deutschland offensichtlich besonders stark profitieren kann.

Autoterminal in Bremerhaven: Von hier aus rollen Neuwagen aus Deutschland in die Welt.

Autoterminal in Bremerhaven: Von hier aus rollen Neuwagen aus Deutschland in die Welt.

(Foto: picture alliance / dpa)

Die Zahl zeigt darüber hinaus auch, dass die USA zusammen mit allen Schwellenländern weniger Einfluss auf das Wohlergehen der deutschen Wirtschaft ausüben als etwaige Nachfrageschwächen in den europäischen Nachbarstaaten. Und es kommt noch besser: Von den gut 52 Mrd. Euro EU-Exporten bleiben 34,8 Mrd. Euro innerhalb der Eurozone. Darin sehen Ökonomen einen nicht unerheblichen Vorteil. Insgesamt rund 40 Prozent der deutschen Ausfuhren werden in Euro-Staaten exportiert. Damit bleibt ein großer Teil der Exportwirtschaft von Wechselkursschwankungen weitgehend unberührt.

Im September stießen die Statistiker auf eine weitere bemerkenswerte Zahl. Im Vergleich zum Vorjahr stiegen die Ausfuhren in Länder außerhalb Europas besonders stark an. Das Plus bezifferten die Export-Experten im Statistischen Bundesamt auf 37,7 Prozent. Die Ausfuhren in die EU stiegen nur um 14,1 Prozent. Damit gingen Warenlieferungen im Wert von 34,8 Mrd. Euro in Länder wie Brasilien, Russland, Indien, China, Türkei oder die USA. Sollte sich dieser Trend fortsetzen, dürfte auch die Abhängigkeit Deutschlands vom wirtschaftlichen Erfolg dieser Staaten zunehmen.

Wer verdient mit?

"Deutschland ist eine Exportnation", brachten es die Volkswirte der Deutschen Bank eine Binsenweisheit auf den Punkt. Doch was heißt das eigentlich? Eine gängige Erklärung lautet so: Im Vergleich zum Durchschnitt der europäischen Nachbarländer haben Branchen mit hohen Exportquoten hierzulande ein größeres wirtschaftliches Gewicht. Sie tragen mehr zum Wirtschaftswachstum bei als andere Branchen. Die Exportquote eines Unternehmens steht dabei für nichts anderes als den Anteil der Waren oder Dienstleistungen, die Kunden aus dem Ausland kaufen.

Walzengießerei Coswig nahe Dresden: Die Kraft von Maschinenbau, Elektroindustrie und Autobauern ruht in Deutschland auf einem breiten, mittelständischen Fundament.

Walzengießerei Coswig nahe Dresden: Die Kraft von Maschinenbau, Elektroindustrie und Autobauern ruht in Deutschland auf einem breiten, mittelständischen Fundament.

(Foto: picture alliance / dpa)

Wer mehr als 40 Prozent seiner Waren ins Ausland verkauft, gilt in Deutschland als stark exportorientiert. Unternehmen, die unter einem Exportanteil von 15 Prozent bleiben, werden dagegen als binnenmarktorientiert bezeichnet.

Als Paradebeispiel für exportstarke Unternehmen führen Volkswirte gerne die deutschen Autohersteller an. In der ersten Jahreshälfte kam die Branche zeitweise auf eine Exportquote von 51 Prozent: Im branchenweiten Schnitt gingen also etwas mehr als die Hälfte der produzierten Wagen ins Ausland. Einzelne Unternehmen kommen auf einen weitaus höheren Exportanteil.

Ein Gegenbeispiel sehen Volkswirte im Bauwesen. Leistungen wie die Konstruktion von Bürotürmen, Gewerbeimmobilien oder Wohnungen werden in der Regel selten aus dem Ausland nachgefragt. In Europa wird meist innerhalb der eigenen Landesgrenzen gebaggert, gezimmert und verputzt. Trotzdem wirken die Ausfuhrerfolge auch hier. Ökonomen sprechen bei den Unternehmen aus der Baubranche von einer indirekten Exportabhängigkeit: "Viele ihrer Leistungen werden von Industriekonzernen in Anspruch genommen, die ihre Erzeugnisse exportieren."

Im Klartext: Es sind die Großaufträge der Autobauer und anderer Exporteure, die mit ihrem Bedarf an Lagerhallen und Büros auch exportferne Branchen in Schwung bringen. Denn bei bei den Zulieferern, Banken und anderen Dienstleistern sieht das nicht viel anders aus. Damit hängen nicht nur die Arbeitsplätze vieler Bauarbeiter über Umwege am Export.

Quelle: ntv.de

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