Hedgefonds-Zügel aus Brüssel Die neuen Regeln im Detail
18.05.2010, 17:30 UhrDie Finanzkrise macht es möglich: Unter dem Druck der Ereignisse zeichnet sich eine schnelle Einigung auf EU-Standards für Hedgefonds und andere Anlageformen ab. Ein Blick auf die Kernpunkte der neuen AIFM-Richtlinie.

Bis zum Sommer soll die neue Regulierung stehen, doch was genau auf sie zu kommt, wissen die Fondsmanager noch nicht. Sicher ist bislang nur: Es geht mit der Heckenschere durch den grauen Markt.
(Foto: picture-alliance/ dpa)
Die "Richtlinie zur Regulierung von Managern Alternativer Investmentfonds", kurz AIFM-Richtlinie, sorgt schon seit längerem für Unruhe hinter den Kulissen. Unter der Abkürzung AIFM bemüht sich die EU, die Aufsicht über die wenigen unregulierten Bereiche des Finanzmarktes voranzutreiben und europaweit einheitliche Standards einzuführen. Ein umfangreicher Vorschlag der EU-Kommission dazu ist mittlerweile mehr als ein Jahr alt.
Hedgefonds, private Beteiligungsgesellschaften und Spezialfonds sollen erstmals einer europaweit einheitlichen Finanzaufsicht unterstellt werden. Bisher gibt es verschiedene nationale Regeln im Unternehmensrecht und freiwillige Branchenstandards. "Ziel der vorgeschlagenen Richtlinie ist es, einen umfassenden regulatorischen Rahmen für AIFM auf europäischer Ebene zu schaffen und eine effektive Aufsicht sicherzustellen", hieß es im April 2009 bei der Vorlage des Vorschlags der EU-Kommission.
Zwischen den Zeilen entdecken Private-Equity-Firmen, Anbieter von geschlossenen Fonds und Hedgefonds-Manager Hinweise darauf, was ihnen künftig blüht: Unter anderem ist im Entwurf von "robusten und harmonisierten regulatorischen Standards" die Rede, von der "Transparenz gegenüber den Anlegern und der Aufsicht" und von Einblicken in die "Aktivitäten der Manager und der von ihnen verwalteten Fonds".
Zeitplan
Nach unzählige Fachkonferenzen, der Einrichtung einer Expertengruppe auf EU-Ebene, öffentlichen Anhörungen in Brüssel und dem Entwurf vom April 2009 haben sich jetzt die EU-Finanzminister auf eine eigene Position zur AIFM-Richtlinie verständigt. Damit kann der Entwurf im Europäische Parlament behandelt werden und anschließend von den EU-Mitgliedstaaten abgesegnet werden. Angestrebt wird eine endgültige Einigung bis Juli des laufenden Jahres. Hier die wichtigsten Punkte der AIFM-Richtlinie im Überblick:
Zulassung
Wer Hedgefonds, Private-Equity-Vehikel und andere alternative Investmentfonds managt, muss sich künftig bei den nationalen Aufsichtsbehörden um eine Europa-Zulassung bemühen. Dies ist dann die Voraussetzung, um in der EU grenzüberschreitend Produkte zu verkaufen. Der Fondsmanager verpflichtet sich damit gegenüber der Aufsicht zur Einhaltung verbindlicher EU-Standards wie zum Beispiel besonderen Veröffentlichungspflichten und anderen Transparenzregeln. Außerdem muss der Fonds-Verantwortliche künftig erstmals üebrhaupt seine Eignung nachweisen. Fondsmanager mit Sitz in der EU sollen einen Fonds-Pass bekommen.
Verantwortung
Betroffen sind alle Fondsmanager, die in der EU tätig sind und mehr als 100 Mio. Euro verwalten. Die AIFM-Richtlinie legt ausdrücklich Vorschriften für Manager fest, nicht jedoch für die Fonds selber. Hintergrund ist der Versuch, das Geschäftsgebahren der Fonds an die persönliche Verantwortung zu binden.
Marktzugang
Die EU-Minister sind dabei ausgesprochen restriktiv und wollen einen EU-Zulassung nur an Fondsmanager geben, die in der EU ansässig sind und europäische Fonds vertreiben. Wer dagegen seinen Sitz in den USA oder in Steueroasen wie den Kaiman-Inseln hat, dem wird der Zugang zum EU-Markt erschwert. Die Manager müssten sich in jedem Mitgliedsland einzeln registrieren lassen. Das EU-Parlament will den Zugang dagegen lascher regeln.
Umstritten ist also, ob Fondsmanager aus Drittstaaten von Anfang an zur Einhaltung der europäischen Transparenzvorschriften gezwungen werden sollen. Die EU-Kommission wollte will jedem Anbieter einen Fonds-Pass geben, dessen Heimat-Rechtssystem dem europäischen Standard entsprechen würde. Prüfen würde das die Kommission. Die meisten EU-Staaten halten dies für nicht praktikabel, weil die Übereinstimmung von Standards schwer festzustellen sei.
Manche Länder befürchten, dass Anbieter benachteiligt werden könnten, andere sind besorgt, bisher nicht verbreitete Produkte ohne eigene Kontrolle auf ihre Märkte zu lassen. Die Mitgliedstaaten wollen ein abgestuftes System: In der EU ansässige Fondsmanager, deren Fonds in einem Drittstaat sitzt, müssten sich danach weitgehend an die EU-Regeln halten. Fonds, deren Manager und Sitz außerhalb der EU sind, müssten bei jedem einzelnen Mitgliedstaat eine Zulassung beantragen.
Risikomanagement
Fondsmanager müssen den Aufsichtsbehörden die Risiken ihrer Anlagen und ihr Risikomanagement offenlegen. So werden sie verpflichtet, regelmäßig zu berichten, in welchen Märkten und mit welchen Instrumenten sie handeln. Das soll es den Aufsehern früheren Angaben zufolge ermöglichen, "die makro-prudentielle Aufsicht des Sektors zu verbessern und bei Bedarf koordinierte Maßnahmen zu ergreifen, um die ordnungsgemä?e Funktionsweise der Finanzmärkte sicherzustellen".
Strategien aus Glas
Jeder Fondsmanager muss neben den Risiken auch seine Investmentstrategie offenlegen. Dazu gehört auch, dass er seine Produkte und deren Wirkungen Risiken beschreibt und den Behörden Einblick in seine Vorhaben gewährt: Unter anderem soll der Manager auch Auskunft über Anlagestrategien und Ausrichtung des Fonds geben, die eingesetzten Finanzinstrumente erläutern, und Details zu Managementabläufen, Risikomanagement, Bewertungsmethoden oder Wirtschaftsprüfung nennen.
Volle Durchsicht
Fondsmanager, die Mehrheitsanteile an Firmen aufkaufen, muss müssen diese Informationen anderen Anteilseignern sowie Betriebsräten und Gewerkschaften offenlegen - unabhängig davon, ob sie nur spekulativ kaufen oder langfristig einsteigen wollen. Kleine und mittlere Unternehmen sind davon ausgenommen.
Schuldengrenzen
Die Aufnahme von Fremdkapital als Basis für Investitionen soll transparenter werden. Die Fondsmanager müssen künftig Eigenkapitalstandards einhalten. Die Aufsichtsbehörden sollen das Recht bekommen, den Fonds zusätzlich individuelle Obergrenzen für die Kapitalaufnahme zu setzen und ihre Informationen mit anderen Behörden auszutauschen. Auf diese Weise will die EU die Stabilität des Finanzsystems sichern. Damit beschränken die Aufseher unter Umständen auch eines der wichtigsten Werkzeuge der Fondsmanager, die Hebelwirkung durch den sogenannten Leverage-Effekt.
Ausnahmen
Nach dem Regelungsvorschlag der EU-Kommission sollen Fonds mit einem Portfolio von weniger als 100 Mio. Euro von der Regelung ausgenommen werden, wenn sie Fremdmittel als Hebel einsetzen. Auch Fonds ohne Fremdfinanzierung bis zu einem Portfoliowert von 500 Mio. Euro wären außen vor.
Das EU-Parlament will dagegen die Ausnahmen von der Art der Fonds abhängig machen statt von pauschalen Schwellenwerten. Es will auch Private-Equity-Fonds weniger streng regulieren als Hedgefonds. Beteiligungen an Unternehmen mit weniger als 50 Mitarbeitern sollen nach dem Willen des Parlaments ausgenommen werden.
Insgesamt zielt der gesamte Entwurf darauf ab, "Lücken und Inkonsistenzen bestehender nationaler Regelungen zu überwinden". Zugleich wird soll er "eine sichere Grundlage für die Entwicklung eines Binnenmarkts für alternative Investmentfonds schaffen". Denn außer Frage steht selbst unter Kritikern, dass die bisher unregulierten Investments oft wichtige Funktionen für die Realwirtschaft leisten - zum Beispiel in der naturgemäß riskanten Finanzierung von Neugründungen ("Venture Capital").
Quelle: ntv.de, mmo/AFP/dpa/rts