Wirtschaft

18 Monate Marathon-Gespräche Diese Personen verhandeln den Brexit

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Eine Milliardenscheidung - da sind gute Anwälte gefragt.

(Foto: REUTERS)

Die Hauptakteure bei den Brexit-Gesprächen sind altgediente Politiker und Diplomaten. Sie werden ihre gesammelte Erfahrung brauchen: Es stehen komplexe Verhandlungen unter maximalem Zeitdruck an.

Zwei Jahre haben London und Brüssel laut EU-Vertrag Zeit für ihre Austrittgespräche. Weil aber noch die EU-Mitgliedsstaaten und das EU-Parlament das Brexit-Abkommen ratifizieren müssen, bleiben nach Angaben von EU-Chefhändler Michel Barnier für die eigentlichen Verhandlungen maximal 18 Monate. Die Austrittsgespräche sind eine Mammutaufgabe. Großbritanniens Gesetzgebung ist seit mehr als 40 Jahren mit der Gemeinschaft verwoben. Nun soll sie in gerade einmal zwei Jahren entflochten werden.

Diese Menschen entscheiden in den kommenden Monaten darüber, wie die zukünftigen Beziehungen zwischen Großbritannien und der EU aussehen werden - oder ziehen bei den Gesprächen Strippen im Hintergrund.

Auf britischer Seite

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Theresa May

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Theresa May: "Brexit means Brexit" ist ihr Schlachtruf. Die britische Premierministerin setzt alles daran, den EU-Austritt zu einem Erfolg zu machen. London will selbst die Zahl der Migranten, die nach Großbritannien kommen, bestimmen. Die Freizügigkeit - das freie Wahl des Arbeits- und Wohnorts innerhalb der EU - war ein Grund für das Brexit-Votum. Die 60-Jährige strebt einen harten Schnitt mit der EU an. Dafür will sie sogar auf den Zugang zum gemeinsamen Binnenmarkt verzichten. Gleichzeitig kämpft sie mit harten Bandagen für einen optimalen Handelsvertrag. Um Druck auf die EU zu machen, will sie das Abkommen an die Sicherheitsfrage koppeln. Obwohl May sich als Hardlinerin gibt, zweifeln Beobachter, ob die Brexit-Befürworter sie über die ganze Distanz unterstützen werden und sie sich bis zur nächsten Wahl halten kann.

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David Davis

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David Davis: Seinen Posten hat es noch nie gegeben. Als Brexit-Minister soll er den Ausstieg Großbritanniens aus der EU managen. Als unnachgiebiger EU-Kritiker und Erzkonservativer hat er sich in Frankreich den Spitznamen Monsieur Non verdient. Der 68-Jährige hat sich für die Todesstrafe und gegen die Gleichstellung von Homosexuellen ausgesprochen. Und hat nie ein Problem damit gehabt, sich auch mal gegen seine eigene Partei zu positionieren. Stück für Stück kämpfte er sich nach oben: Davis war Versicherungsangestellter, studierte Informatik und war 17 Jahre lang in einem Lebensmittelkonzern beschäftigt. Seit 30 Jahren sitzt der Konservative im britischen Parlament. Zeitweise war er auch Staatssekretär für Europafragen im Außenministerium.

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Tim Barrow

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Tim Barrow: Eine weitere Führungsrolle auf britischer Seite nimmt der EU-Botschafter ein. Barrow ist der "Brexit-Briefträger", er hat Mays Scheidungsbrief in Brüssel übergeben. Seit Anfang des Jahres ist der von der Queen zum Ritter geschlagene Sir für Großbritannien in Brüssel. Der 53-Jährige gilt als pragmatischer Problemlöser, der sich nicht scheut, die Wahrheit zu sagen. Barrow kann auf eine 30-jährige Karriere als Diplomat zurückblicken. Von 2011 bis 2015 war er Botschafter in Russland, von 2006 bis 2008 in der Ukraine. Zuletzt arbeitet er als politischer Direktor im Londoner Außenministerium.

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Philip Hammond

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Philip Hammond: Der britische Finanzminister sitzt zwar selber nicht mit am Verhandlungstisch. Trotzdem wird er eine Schlüsselrolle bei den Beratungen haben. Er soll die professionelle Einschätzung liefern, welche Auswirkungen einzelne Verhandlungspunkte auf die britische Wirtschaft haben. Der 62-Jährige ist Wirtschaftsmanager und seit Mai 2010 Regierungsmitglied. Zuerst war er Verkehrs-, dann Verteidigungs- und ab Juli 2014 Außenminister. Hammond ist zuversichtlich, dass es bei den Brexit-Verhandlungen nicht zum Schlimmsten kommen wird. Am Tag, als die Scheidung in Brüssel eingereicht wurde, sagte er, er wisse, dass sich sein Land in den Verhandlungen mit der EU nicht die Rosinen herauspicken könne.

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Liam Fox

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Liam Fox: Der konservative Minister für internationalen Handel muss den Boden für neue Handelsverträge mit Nicht-EU-Ländern bereiten und damit versuchen, den Schaden durch den Ausstieg aus dem EU-Binnenmarkt wettzumachen. Er gilt als Europaskeptiker. Gleichzeitig ist der 55-Jährige aber durch und durch Pragmatiker: Die rund 40 Freihandelsabkommen der Europäischen Union mit Drittstaaten sollen nach dem EU-Austritt übernommen werden. Das sei "viel einfacher als ein Prozess, in dem Freihandelsabkommen neu verhandelt werden", sagt Fox, der seit Juli 2016 Minister in Mays Regierungskabinett ist. Zwischen Mai 2010 und Oktober 2011 war er Verteidigungsminister im Kabinett von David Cameron. Er trat zurück, nachdem er wegen der Vermischung privater und beruflicher Kontakte in die Kritik geraten war. Er hatte bei Dienstreisen mehrfach einen engen Freund dabeigehabt, der als Lobbyist für die Rüstungsindustrie arbeitete.

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Boris Johnson

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Boris Johnson: Der britische Außenminister gibt sich cool, was die anstehenden Austrittsverhandlungen seiner Regierung mit der EU angeht. Für ihn ist es "vollkommen okay", wenn Großbritannien am Ende ohne Handelsabkommen mit der EU dasteht. Der 52-Jährige war einer der radikalsten Brexit-Befürworter und scheute sich nicht davor, zu lügen - was für die Verhandlungen nichts Gutes verheißt. Johnson stellt infrage, ob Großbritannien beim EU-Austritt überhaupt etwas zahlen muss. Von 1999 bis Dezember 2005 war Johnson Herausgeber des konservativen Nachrichtenmagazins "The Spectator" und von Mai 2008 bis Mai 2016 Bürgermeister von London. Der Wortführer des Brexit-Lagers hatte am 30. Juni 2016 überraschend auf eine Kandidatur für die Nachfolge von Premier David Cameron verzichtet - und damit darauf, die Verantwortung für den EU-Austritt zu übernehmen, den er angezettelt hat.

Auf EU-Seite

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Michel Barnier

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Michel Barnier: Der 66-jährige Franzose ist als Chefunterhändler der EU-Kommission einer der wichtigsten Köpfe auf Brüsseler Seite. Er bringt viel Erfahrung mit: Barnier hatte verschiedene Ministerposten in Frankreich und war zweimal EU-Kommissar. In Großbritannien hat seine Ernennung keine Freude ausgelöst, denn als Binnenmarkt-Kommissar war er von 2010 bis 2014 für die Bankenregulierung zuständig - und machte sich damit am Finanzplatz London keine Freunde. Zuletzt tourte Barnier durch die Hauptstädte Europas, um vorbereitende Gespräche mit den Regierungen der verbleibenden 27 EU-Staaten zu führen. Er warnt vor einem Chaos-Brexit. Die Verhandlungen will er bis zum Oktober 2018 abschließen.

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Didier Seeuws (l)

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Didier Seeuws: Der Chefunterhändler des EU-Rats wird vor allem viel Taktgefühl brauchen. Der 51-Jährige ist Sprachrohr und Brexit-Beobachter der EU-Länder. Delikat dürfte für den Belgier die Leitung einer speziellen Arbeitsgruppe im Rat werden: Dort sind alle EU-Staaten außer Großbritannien vertreten. Seeuws wird sie über den Stand der Verhandlungen auf dem Laufenden halten - und wohl seinerseits dabei helfen, Einigkeit unter den Ländern herzustellen. Immerhin, mit unterschiedlichen Interessenlagen in Europa kennt Seeuws sich aus: Er war unter anderem belgischer EU-Botschafter und Kabinettschef des früheren Ratspräsidenten Herman Van Rompuy.

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Guy Verhofstadt

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Guy Verhofstadt: Der Belgier ist der Chefunterhändler des EU-Parlament und Vorsitzende der liberalen Fraktion. Der 63-Jährige ist ein glühender und streitlustiger EU-Verfechter. Wenn es nach ihm ginge, dann würde das Staatenbündnis deutlich enger zusammenwachsen und dabei ordentlich Tempo machen. Regierungserfahrung bringt der heutige Abgeordnete auch mit: In seinem Heimatland Belgien war er neun Jahre lang Ministerpräsident. Verhofstadts Einfluss auf die Gespräche ist eher begrenzt. Die Abgeordneten müssen dem Verhandlungsergebnis zwar am Ende zustimmen, den Verlauf der Austrittsgespräche werden aber wohl eher die EU-Kommission und die Staaten bestimmen.

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Donald Tusk, nachdem er den Brexit-Brief zugestellt bekommen hat.

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Donald Tusk: Der EU-Ratspräsident geht als der Mann in die Geschichte ein, der den britischen Austrittsantrag entgegengenommen hat. Am 31. März 2017 will der polnische Politiker, der seit 2014 Präsident des Europäischen Rates ist, den anderen 27 EU-Staaten Leitlinien für die Verhandlungen präsentieren. Sie sollen dann bei einem Sondergipfel der EU-27 am 29. April abgenickt werden. Danach muss ein Mandat für die Gespräche noch als Gesetz verabschiedet werden. Die formellen Verhandlungen über den Brexit mit Großbritannien sollen im Mai beginnen. Der 59-Jährige würde den Exit vom Brexit akzeptieren. Er ist überzeugt, dass es für alle ein Verlustgeschäft wird. An einen "weichen Brexit" glaubt er nicht. Der einzige Alternative zu einem "harten Brexit" ist für ihn "kein Brexit".

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Jean-Claude Juncker

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Jean-Claude Juncker: Er ist der erste EU-Kommissionschef, der einen Mitgliedsstaat ziehen lassen muss. Die ganze Sache sei für ihn "ein Versagen und eine Tragödie". Der 62-Jährige will "fair, aber nicht naiv" verhandeln. Der luxemburgische Politiker wird den Briten Grenzen aufzeigen. Er ist auch der Mann, der London mit der Abschlussrechnung für die Scheidung von etwa 60 Milliarden Euro unter der Nase wedelt. Er ist fest entschlossen, die Rechte von Europäern in Großbritannien und die Rechte von Briten in der EU zu schützen. Er glaubt, dass Großbritannien sich am Ende wieder der EU anschließen wird. Juncker war zwischen 1989 und 2009 Finanzminister und zwischen 1995 und 2013 Premierminister Luxemburgs sowie von 2005 bis 2013 Vorsitzender der Euro-Gruppe.

Wer noch mitredet

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Angela Merkel

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Angela Merkel: Auch wenn die Bundeskanzlerin nicht direkt an den Verhandlungen beteiligt ist, ist die mächtige deutsche Politikern doch eine Schlüsselfigur in der EU. Sie sieht im Brexit einen Weckruf. Europa dürfe sich mit dem Austritt Großbritanniens nicht auseinanderdividieren lassen, sagt die Kanzlerin. Die EU ist für sie trotz Brexits eine Erfolgsgeschichte. Für die Zukunft wünscht sie sich, dass Großbritannien und die EU "enge Partner bleiben". Sie warnt die Briten aber auch immer wieder, dass sie keine "Rosinenpickerei" zulassen werde. Deutschland sei sehr gut auf die Verhandlungen vorbereitet und werde sich "zu allen Fragen positionieren", lässt sie wissen. Die verbliebenen Staaten sollten ihrer Ansicht nach nun alle Kraft auf die Integration der verbliebenen EU-27 verwenden - mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten.

Quelle: ntv.de

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