"Das Glas ist zumindest halb voll" Draghi übt sich in Zuversicht
03.03.2014, 17:11 Uhr
Kaum ist die eine Krise halbwegs ausgestanden, drohen schon die nächsten Erschütterungen: Der Krim-Konflikt hat laut Draghi ganz andere geopolitische Dimensionen.
(Foto: REUTERS)
Der Routinetermin im EU-Parlament entwickelt sich zur geopolitischen Krisensitzung: Eigentlich will Europas oberster Währungshüter zu den Erfolgen seiner Krisenpolitik sprechen. Dann jedoch drängen sich die konjunkturellen Risiken der Krim-Krise in den Vordergrund.
Die Konjunkturentwicklung in der Eurozone bietet nach Einschätzung des Präsidenten der Europäischen Zentralbank (EZB) keinen Anlass zur Schwarzmalerei. Die Erholung ruhe auf einem soliden Fundament, sagte EZB-Chef Mario Draghi, auch "wenn einige ein düsteres Bild zu zeichnen versuchten".
"Die Eurozone bewegt sich eindeutig in die richtige Richtung", erklärte Draghi im Rahmen seiner vierteljährlichen Anhörung vor dem Wirtschafts- und Finanz-Ausschuss des Europaparlaments. "Das Glas ist zumindest halb voll." Fünf Jahre nach dem ersten Rettungsgesuch eines Krisenstaates sei der gemeinsame Währungsraum aus dem Gröbsten heraus. "Wir können heute mit Sicherheit sagen, dass das Schlimmste abgewendet wurde."
Wenige Tage vor der anstehenden Ratssitzung der Notenbank äußerte sich der EZB-Chef nicht zur geldpolitischen Haltung der Währungshüter. Für die Sitzung am kommenden Donnerstag rechnen Experten mehrheitlich nicht mit einer Senkung des historisch niedrigen Leitzinses von 0,25 Prozent - obwohl nicht wenige Beobachter durchaus Anzeichen für eine drohende deflationäre Abwärtsspirale erkennen.
IWF-Chefin: "Das Risiko besteht"
Die Inflationsrate lag zuletzt mit 0,8 Prozent weit unter dem Ziel der EZB von knapp unter 2,0 Prozent. Dennoch sieht der EZB die Eurozone nicht am Rande einer Deflationsspirale aus fallenden Preisen und sinkenden Investitionen. Die Inflationserwartungen seien fest verankert, betonte Draghi vor dem Ausschuss.
IWF-Chefin Christine Lagarde forderte die EZB vor diesem Hintergrund zur Wachsamkeit in Sachen Preisstabilität auf. Eine lange anhaltende niedrige Inflation könne das Vertrauen der Verbraucher in mittelfristig stabile Preise ins Wanken bringen, warnte Lagarde auf einer Wirtschaftskonferenz in Bilbao. "Das Risiko besteht", sagte die IWF-Chefin.
Die Wahrscheinlichkeit, dass es innerhalb der Eurozone zu einer langen Phase niedriger Inflation komme, schätze sie auf 15 bis 20 Prozent, erklärte Lagarde. Es sei Aufgabe der EZB, sich mit den entsprechenden Instrumenten gegen solche Risiken zu wappnen.
"Wir sollten das im Auge behalten"
Ein konjunkturschädliche Preisverfall mit fallenden Preisen, sinkenden Investitionen und Konsumzurückhaltung kann auf breiter Front erst in Gang kommen, wenn Verbraucher mit fallenden Lebenshaltungskosten rechnen und Käufe auf die lange Bank schieben. Fachleute sprechen dann davon, dass sich die Inflationserwartungen aus der Verankerung lösen.
Abgesehen von geldpolitischen Erwägungen und den Erfolgen bei der Eindämmung der Staatschuldenkrise musste sich der Chef der Europäischen Zentralbank im EU-Parlament auch mit den Spannungen in der Ukraine auseinandersetzen. Der Konflikt habe ganz andere geopolitische Dimensionen als die jüngsten Auswirkungen der Währungsturbulenzen in Schwellenländern, warnte Draghi die Parlamentarier.
"Wir sollten das mit großer Aufmerksamkeit im Auge behalten", sagte Draghi wörtlich. Rein wirtschaftlich betrachtet seien die Verflechtungen zwischen der Eurozone und der Ukraine allerdings nicht besonders stark.
Quelle: ntv.de, mmo/rts